Die Fertigungsmesstechniker kommen: Attraktiver Lehrberuf mit großem Potenzial für die Zukunft

Der Ruf der Industrie nach einem dringend benötigten „Missing Link“ zwischen Produktion und Qualitätssicherung wurde erhört. Seit Herbst 2020 bilden Ausbildungsbetriebe der Wirtschaft in ganz Österreich gemeinsam mit der Landesberufsschule Neunkirchen in einem vierjährigen Lehrberuf Fachkräfte aus, die sowohl mit der manuellen und maschinellen Bearbeitung von Werkstücken inklusive deren Vermessung als auch mit dem Thema Prozesskontrolle bestens vertraut sind. Denn die statistische Auswertung wichtiger Kennzahlen und das Erkennen etwaiger Optimierungspotenziale zählen ebenfalls zu den zahlreichen, praxisnahen Fähigkeiten, die die angehenden Fertigungsmesstechniker von ihren Lehrern als solide Grundausstattung mit auf den Weg bekommen.

Für den praktischen Teil des Fertigungsmesstechnik-Unterrichts stehen in der Landesberufsschule Neunkirchen Hightechsysteme von Hexagon Metrology zur Verfügung.

Für den praktischen Teil des Fertigungsmesstechnik-Unterrichts stehen in der Landesberufsschule Neunkirchen Hightechsysteme von Hexagon Metrology zur Verfügung.

Simon Bauer
Ausbildungsverantwortlicher für Zerspanungstechnik und Fertigungsmesstechnik bei der Julius Blum GmbH

„Im Rahmen der Fertigungsmesstechniker-Lehre werden Schlüsselkräfte ausgebildet, die darüber entscheiden, was ausgeliefert werden kann und was nicht. Diese Leute beobachten und analysieren. Gegebenenfalls greifen sie auch in den Produktionsprozess ein und geben eine effizientere Richtung vor.“

Wie heißt es so schön: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Um in möglichst kurzer Zeit Realität werden zu lassen, wonach der Arbeitsmarkt in Anbetracht eines sich sukzessive verschärfenden globalen Wettbewerbs vermehrt verlangt, setzten die Wirtschaftskammer, das Land Niederösterreich, die Landesberufsschule Neunkirchen sowie mehrere produzierende Unternehmen in einem gemeinsamen Kraftakt zahlreiche Hebel in Bewegung. Mit Erfolg – zwischen dem ersten Zehn-Wochen-Turnus künftiger Fertigungsmesstechniker in der Landesberufsschule Neunkirchen und der Begutachtung eines Rahmenlehrplan-Entwurfs für diesen neuen Ausbildungszweig lagen nicht einmal zwei Jahre. Was im Herbst 2020 mit vier Lehrlingen begann, soll in Zukunft bis zu 150 technikaffinen Neu- bzw. Quereinsteigern pro Jahr den Weg zu einem abwechslungsreichen, zukunftsträchtigen Job mit guten Karrierechancen ebnen. „Beim Fertigungsmesstechniker handelt es sich nicht um einen produzierenden, sondern um einen prozessbegleitenden Beruf. Da werden Schlüsselkräfte ausgebildet, die darüber entscheiden, was ausgeliefert werden kann und was nicht. Diese Leute beobachten und analysieren. Gegebenenfalls greifen sie auch in den Produktionsprozess ein und geben eine effizientere Richtung vor“, beschreibt Simon Bauer, Ausbildungsverantwortlicher für Zerspanungstechnik und Fertigungsmesstechnik bei der Julius Blum GmbH.

Gemeinsam mit Freudenberg und Trumpf zählte der Vorarlberger Hersteller von Möbelbeschlägen zu jenen Firmen, die die Entstehungsgeschichte dieses neuen Lehrberufs federführend vorantrieben. „Uns war klar, dass etwas getan werden muss, zumal die akzeptablen Toleranzbereiche immer enger gesteckt werden. Das hat aber keineswegs nur mit den steigenden Ansprüchen der Kunden zu tun. Vielfach ist es der zunehmende Automatisierungsgrad in den eigenen Fertigungshallen, der nach maximal genauen Bauteilen verlangt. Denn dort wo rein maschinell be- bzw. verarbeitet wird, muss alles perfekt passen, weil händische Korrekturen nicht mehr vorgesehen sind“, erklärt Simon Bauer, warum der Ruf der Industrie nach Fertigungsmesstechnikern stetig lauter wurde in den letzten Jahren.

Das Land Niederösterreich sponserte einen Absolute Arm mit sieben Achsen für mobile 3D-Messungen, der ein taktiles Antasten sowie ein berührungsloses Scannen in einem portablen Messsystem verbindet.

Das Land Niederösterreich sponserte einen Absolute Arm mit sieben Achsen für mobile 3D-Messungen, der ein taktiles Antasten sowie ein berührungsloses Scannen in einem portablen Messsystem verbindet.

Thomas Szirtes
Geschäftsführer der Hexagon Metrology GmbH

„Bei immer komplexer werdenden Herstellungsprozessen braucht es auch in der Qualitätssicherung ein gewisses Fertigungs-Know-how, um eruieren zu können, woher bestimmte Fehler eigentlich kommen und wie sich proaktiv gegensteuern lässt.“

Umfassende Grundausbildung

Bis dato standen produzierenden Unternehmen folgende Möglichkeiten zur Verfügung, um ihre Mitarbeiter an die messtechnischen Herausforderungen der Gegenwart bzw. Zukunft heranzuführen: Herstellerunabhängige Fort- und Weiterbildungsangebote wie CMTrain- oder AUKOM-Kurse, Schulungen von Messtechnik-Herstellern sowie „Learning by doing“. Laut Ing. Franz Mayer, Direktor der Landesberufsschule Neunkirchen, waren es vor allem Zerspanungs-, Maschinenbau- oder Werkzeugbautechniker, die dazu ermuntert wurden, sich ein entsprechendes Zusatz-Know-how anzueignen, um als „Missing Link“ einspringen zu können, wenn der Fertigungsprozess eines Werkstücks zu verstehen, zu analysieren und zu optimieren war. „Früher wurden diese Aufgaben sehr oft von unterschiedlichen Personen abgedeckt. Natürlich wurde am Shopfloor gemessen, ob die vorgegebenen Toleranzen und Maße eingehalten wurden, aber es oblag meist der Qualitätssicherung, aus der Summe aller erfassten Kennzahlen und deren statistischer Auswertung potenzielle Fehlerquellen bzw. gezielte Optimierungsmaßnahmen abzuleiten. Ein ganzheitlicher Blick auf das Gesamtgeschehen fehlte. Diesen wollen wir nun den angehenden Fertigungsmesstechnikern vermitteln. Diese sollen von ihren Lehrbetrieben und uns eine umfassende Grundausbildung erhalten, die sie u. a. dazu befähigt, funktions- und/oder prozesskritische Parameter zu erkennen und zu beseitigen“, gibt der LBS-Direktor über ein neues Berufsbild im Bereich der Metalltechnischen Industrie Auskunft, mit dem Österreich international als Vorreiter auftritt. Denn in anderen Ländern wurde noch nicht auf den derzeit in der industriellen Messtechnik stattfindenden Wandel reagiert, bei dem das „bloße“ Vermessen einzelner Teile ein wenig in den Hintergrund rückt, während die Analyse von Prozessketten zunehmend an Bedeutung gewinnt.

„Den klassischen Maschinenbediener gibt es in Wahrheit fast nicht mehr. Bei immer komplexer werdenden Herstellungsprozessen braucht es das Fertigungs-Know-how dieser Mitarbeiter auch an anderen Stellen – beispielsweise in der Qualitätssicherung, um zu eruieren, woher bestimmte Fehler eigentlich kommen können und wie sich proaktiv gegensteuern lässt“, weiß Thomas Szirtes, Geschäftsführer der Hexagon Metrology GmbH, aus zahlreichen Gesprächen mit Kunden, die händeringend nach solchen „Bindegliedern“ zwischen Shopfloor und QS-Abteilungen suchen, wie sie nun im Rahmen einer Fertigungsmesstechnik-Lehre ausgebildet werden.

Da man den Auszubildenden ein möglichst breites Messtechnik-Spektrum näherzubringen versucht, wurde von der Landesberufsschule Neunkirchen auch ein Absolute Arm angeschafft, der ein taktiles Antasten sowie ein berührungsloses Scannen in einem portablen Messsystem verbindet.

Da man den Auszubildenden ein möglichst breites Messtechnik-Spektrum näherzubringen versucht, wurde von der Landesberufsschule Neunkirchen auch ein Absolute Arm angeschafft, der ein taktiles Antasten sowie ein berührungsloses Scannen in einem portablen Messsystem verbindet.

Die Vorarlberger Julius Blum GmbH schickte gleich zum ersten Ausbildungsdurchgang zwei Lehrlinge nach Neunkirchen.

Die Vorarlberger Julius Blum GmbH schickte gleich zum ersten Ausbildungsdurchgang zwei Lehrlinge nach Neunkirchen.

Shopfloor-Geräte befinden sich auf dem Vormarsch: Selbst bei Koordinatenmessmaschinen heißt es immer öfter raus aus dem Messraum, rein in die Fertigung.

Shopfloor-Geräte befinden sich auf dem Vormarsch: Selbst bei Koordinatenmessmaschinen heißt es immer öfter raus aus dem Messraum, rein in die Fertigung.

Zum Ausprobieren des Gelernten steht den Lehrlingen in der Berufsschule eine Infrastruktur zur Verfügung, die den aktuellsten Stand der Technik widerspiegelt.

Zum Ausprobieren des Gelernten steht den Lehrlingen in der Berufsschule eine Infrastruktur zur Verfügung, die den aktuellsten Stand der Technik widerspiegelt.

Von Stichprobenmessungen zu automatischen Feedback-Loops

Einst bedeutete Messen meist ein stichprobenartiges, nachträgliches Überprüfen qualitätsrelevanter Merkmale. Das war einmal. Mittlerweile geht der Trend vermehrt in Richtung Inline-Kontrollen, um die entscheidenden Prozessparameter in Echtzeit im Auge behalten zu können. „Dank dem Vormarsch optischer Lösungen lässt sich nunmehr sogar im Fertigungstakt messen. Dies eröffnet gänzlich neue Möglichkeiten, wenn man beispielsweise an den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Machine-Learning-Tools denkt, um vollautomatische Feedback-Loops zu generieren, die bei einem festgestellten Optimierungsbedarf direkten Einfluss auf die laufenden Bearbeitungsvorgänge nehmen“, gewährt Thomas Szirtes einen kleinen Einblick, wohin die technologische Reise in Zukunft gehen wird und sein Kollege Hartmut Haslinger aus dem Hexagon Metrology-Vertriebsteam fügt ergänzend hinzu: „Auch die industrielle Messtechnik vollzog einen Wandel. Heutzutage gilt je schneller, desto besser. Und selbst bei Koordinatenmessmaschinen heißt es immer öfter raus aus dem Messraum, rein in die Fertigung, obwohl hochpräzise Prüfungen von Maßen, Formen und Lagen in aller Regel nach wie vor abseits der Produktionslinie vorgenommen werden.“

Stellten gemeinsam innerhalb kürzester Zeit ein modernes Messlabor auf die Beine (v.l.n.r.): Thomas Breineder, Robert Winkler, Franz Mayer, Tobias Schlederer, Dominik Giefing, Thomas Szirtes und Hartmut Haslinger.

Stellten gemeinsam innerhalb kürzester Zeit ein modernes Messlabor auf die Beine (v.l.n.r.): Thomas Breineder, Robert Winkler, Franz Mayer, Tobias Schlederer, Dominik Giefing, Thomas Szirtes und Hartmut Haslinger.

Bevor die Lehrer ihr Wissen an die Schüler weitergeben können, müssen sie selbst den Umgang mit den Maschinen lernen. Und so macht sich Thomas Breineder unter Anleitung von Hartmut Haslinger mit dem von Hexagon Metrology zur Verfügung gestellten Koordinatenmessgerät vertraut.

Bevor die Lehrer ihr Wissen an die Schüler weitergeben können, müssen sie selbst den Umgang mit den Maschinen lernen. Und so macht sich Thomas Breineder unter Anleitung von Hartmut Haslinger mit dem von Hexagon Metrology zur Verfügung gestellten Koordinatenmessgerät vertraut.

Um für den praktischen Teil des Unterrichts eine perfekte Infrastruktur zu schaffen, ließ Direktor Ing. Franz Mayer seine guten Kontakte zum Geschäftsführer von Hexagon Metrology, Thomas Szirtes, spielen.

Um für den praktischen Teil des Unterrichts eine perfekte Infrastruktur zu schaffen, ließ Direktor Ing. Franz Mayer seine guten Kontakte zum Geschäftsführer von Hexagon Metrology, Thomas Szirtes, spielen.

Johanna Mikl-Leitner
Landeshauptfrau von Niederösterreich

„Eine Lehre hat Zukunft und stellt eine gute Grundlage dar, um Karriere zu machen. Dass der neue Lehrberuf Fertigungsmesstechniker an der Landesberufsschule Neunkirchen in Zusammenarbeit mit Unternehmen aus Niederösterreich ausgebildet wird, freut mich ganz besonders. Die Berufsschule Neunkirchen bietet ein sehr breites Spektrum an technischen Lehrberufen und ist mit einer topmodernen Ausstattung am Puls der Technik.“

Modernste Messtechnik zum Angreifen

In der Landesberufsschule Neunkirchen obliegt es einem fünfköpfigen Kernteam an Lehrern, den Berufsnachwuchs in die Welt der Messtechnik einzuweihen. Bei den ersten vier Lehrlingen kümmerte sich DI (FH) Tobias Schlederer um die Vermittlung theoretischer Grundkenntnisse, während Ing. Thomas Breineder den Laborbetrieb übernahm. In diesem stand bei den Erstklässlern das Vertrautwerden mit der Handmesstechnik auf dem Programm. „Wir haben uns die Frage gestellt, was sich die Wirtschaft von uns erwartet bzw. welche Fähigkeiten für einen Fertigungsmesstechniker entscheidend sind und in enger Zusammenarbeit mit der Industrie eine entsprechende Ausbildungsordnung ausgearbeitet. In Summe einigten wir uns bei beiden Berufsbildern – beim Fertigungsmesstechniker mit Schwerpunkt Produktmessung und beim Fertigungsmesstechniker mit Schwerpunkt Produktionssteuerung – auf jeweils sechzehn wesentliche Kernpunkte, die ein Gespür im Umgang mit Maschinen und Messmitteln genauso umfassen wie das Lesen und Interpretieren von Messberichten“, erzählt Robert Winkler, stellvertretender Leiter der LBS. Erklärtes Ziel aller „Ziehväter“ dieses neuen Lehrberufs sei es, den Auszubildenden ein möglichst breites Messtechnik-Spektrum inklusive Messmittel-Management – also dem Kalibrieren, Justieren und Warten von Messmitteln – nahezubringen.

Um für den praktischen Teil des Unterrichts eine perfekte Infrastruktur zu schaffen, ließ Direktor Ing. Franz Mayer u. a. seine guten Kontakte zum Land Niederösterreich, zur Wirtschaftskammer und zu Hexagon Metrology spielen. Das Ergebnis ist ein bestens ausgestattetes Messlabor, zu dem alle drei genannten „Stakeholder“ einen wertvollen Beitrag leisteten. Das Land Niederösterreich sponserte einen Absolute Arm mit sieben Achsen für mobile 3D-Messungen, der ein taktiles Antasten sowie ein berührungsloses Scannen in einem portablen Messsystem verbindet. Der Fachverband Metalltechnische Industrie der Wirtschaftskammer übernahm die Kosten für einen Streifenlichtscanner und Hexagon Metrology selbst stellte ein TIGO SF 3D-Koordinatenmessgerät zur Verfügung – als Leihgabe. „Wir überlegten, wie wir die LBS Neunkirchen immer up-to-date halten können und entschieden uns dafür, alle zwei Jahre auf ein neueres oder anderes Modell umzusteigen. Zum Start erschien uns dieses hochleistungsfähige Shopfloor-Gerät als optimale Wahl. Denn dieses spiegelt wirklich den aktuellsten Stand der Technik wider“, betont Thomas Szirtes, dass man seitens Hexagon Metrology bereit ist, die kürzlich gestartete Fertigungsmesstechniker-Ausbildungsoffensive mit voller Technologie- aber auch Know-how-Power zu unterstützen.

Harald Mahrer
Präsident der Wirtschaftskammer Österreich

„Der Lehrberuf Fertigungsmesstechnik ist zukunftsweisend und eine Antwort auf die gestiegenen Anforderungen in Zeiten von Industrie 4.0 und Big Data. Mit dieser Lehre hat ein junger Mensch die Garantie, relevante Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben, die gemeinsam mit führenden Unternehmen entwickelt wurden und stets auf der Höhe der Zeit und Technologie sind. “

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