interview

Auf dem Weg zur Smart Factory

Der Werkzeugspezialist Walter hat in den letzten Jahren den Wandel vom reinen Werkzeuglieferanten zum kompletten Dienstleister für Zerspanungsaufgaben vollzogen. Walter Multiply bietet maßgeschneiderte Beratung und ein umfangreiches Serviceangebot mit dem die Prozesse der Kunden analysiert und optimiert werden. Jetzt geht Walter aber noch einen Schritt weiter und nähert sich damit der digitalen, vernetzten Fabrik. Auf der EMO in Mailand sprachen wir mit Holger Langhans, Director Multiply, über die Zukunftsstrategie des deutschen Zerspanungsspezialisten. Das Interview führte Ing. Robert Fraunberger, x-technik

Die Vision eines App-Stores für die Fertigungstechnik wird auf alle Fälle zur Realität werden.

Holger Langhans, Director Multiply, Walter AG

Die Vision eines App-Stores für die Fertigungstechnik wird auf alle Fälle zur Realität werden. Holger Langhans, Director Multiply, Walter AG

Was ist der Mehrwert von Walter Multiply?

Gute Frage, da ja Prozessoptimierungen auch andere Hersteller anbieten. Ich behaupte aber nach wie vor, dass wir im Bereich des Bearbeitungsprozesses eine führende Rolle einnehmen. Dabei meine ich nicht den Austausch eines Werkzeuges gegen ein besseres. Wir unterstützen unsere Kunden in jeder Phase mit umfassender Engineering-Kompetenz und übernehmen die komplette Verantwortung für den Bearbeitungsprozess – wir garantieren die Bearbeitungszeit. Dabei wird je nach Kundenwunsch das Prozessdesign, die Beschaffung, die Verwaltung, die Werkzeugvoreinstellung, die Bearbeitung bis hin zur Wiederaufbereitung an Walter übergeben.

Auf der EMO in Mailand konnten wir uns am Messestand von Walter ein Bild über die Fertigung der Zukunft machen. Florian Böpple, Expert Digital Manufacturing, und Walter Langhans, Director Multiply, standen uns Rede und Antwort.

Auf der EMO in Mailand konnten wir uns am Messestand von Walter ein Bild über die Fertigung der Zukunft machen. Florian Böpple, Expert Digital Manufacturing, und Walter Langhans, Director Multiply, standen uns Rede und Antwort.

Jetzt gehen Sie aber einen Schritt weiter und wollen die digitale Fabrik zur Realität werden lassen. Oft ist das Thema Datensicherheit jedoch ein Hemmschuh. Wie wollen Sie die Unternehmen davon überzeugen?

Es kommt immer darauf an, wie man mit dem Thema startet. Wichtig wird sein, einen gewissen Standard zu etablieren, bei dem die Firmen auch den großen Nutzen sehen. Dabei spielt die Datensicherheit und -hoheit eine entscheidende Rolle. Diese muss zu 100 Prozent gewährleistet werden. In erster Linie sollte mit einer derartigen Lösung die Produktion der Firmen vereinfacht, optimiert und effizienter gestaltet werden.

Ebenfalls ein Teil der Zukunftsstrategie von Walter: Walter GPS – die umfassende Empfehlungssoftware für die Werkzeugauswahl.

Ebenfalls ein Teil der Zukunftsstrategie von Walter: Walter GPS – die umfassende Empfehlungssoftware für die Werkzeugauswahl.

Ich nehme an, Sie entwickeln genau in diese Richtung?

Zumindest gehen unsere Gedanken in diese Richtung – in eine Fertigung der Zukunft. Wir sind jedoch erst am Anfang. Hier auf der EMO haben wir dazu auch ein Demobeispiel vorbereitet, bei dem wir uns live in die Fertigung nach Tübingen schalten und über eine App verschiedenste Daten einsehen können. Die Werkzeugmaschine generiert alle Kennzahlen, die wir abfragen, ohne Auswertung eines ERP-Systems oder Ähnlichem. Wir erhalten Echtzeitwerte und sehen genau, was auf der Maschine passiert.

Die digitale Fabrik: Walter ist drauf und dran, diese Vision zur Realität werden zu lassen.

Die digitale Fabrik: Walter ist drauf und dran, diese Vision zur Realität werden zu lassen.

Das klingt visionär.

Nach meinem Wissensstand kann das außer uns kaum ein anderes Unternehmen. Wir zapfen die Produktionsdaten aus der Maschinensteuerung an und werten sie so aus, dass diese per App nutzergruppengerecht ausgewertet werden können. Das heißt, je nach dem, wer diese Daten abruft, kann die Darstellung bzw. Analyse unterschiedlich aussehen. Ein Geschäftsführer beispielsweise benötigt andere Information als der Fertigungsleiter oder etwa der Maschinenbediener. Dies wirkt sich letztendlich auch auf die Konstruktion der Bauteile aus, da man über eine App alle aktuell verfügbaren Werkzeuge einsehen und daraufhin bei entsprechender Rücksichtnahme eventuell nötige Werkzeuganschaffungen minimieren kann.

Mit der Tool•ID-Lösung von Walter spart der Anwender Zeit und gewinnt Sicherheit in seinen Prozessen.

Mit der Tool•ID-Lösung von Walter spart der Anwender Zeit und gewinnt Sicherheit in seinen Prozessen.

Könnte das nicht auch Vertriebswege vereinfachen?

Mit Sicherheit. Angenommen wir haben in zehn Jahren zahlreiche vernetzte Produktionen, dann könnte man standardisiert mit verschiedenen Filtermöglichkeiten auf einer Plattform seine freien Maschinenkapazitäten zur Verfügung stellen, die wiederum ein anderes Unternehmen nutzen kann.

Sie arbeiten demnach auch mit Steuerungsherstellern zusammen?

Wir benötigen natürlich einen Zugriff auf alle im Markt befindlichen Steuerungen. Die meisten Hersteller sind bereits aufgeschlossen. Letztendlich wird der Kunde entscheiden, welche Maschinen mit welchen Steuerungen er an so ein System anschließen möchte. Walter verfügt jedoch absolut noch über kein verkaufsfähiges Produkt. Wir haben bereits einige Pilotprojekte am Laufen – unter anderem in unserer eigenen Fertigung. Gestartet haben wir damit, dass man über eine App die Maschinenverfügbarkeit auf Knopfdruck abrufen kann. Jetzt liegt es an uns, genau die Information vom Markt zu erhalten, was eine derartige Software bieten muss, um die Bedürfnisse der Anwender eben mit verschiedenen Apps abdecken zu können. Die Entwicklung unserer Software muss absolut kundenorientiert stattfinden.

Was könnten diese Apps bieten?

Im Grunde genommen alles, was man haben möchte. Beispielsweise Reststandzeiten der Werkzeuge, einen Vergleich zwischen programmierten Schnittdaten mit Ist-Schnittdaten, verschiedene Deltas, Restlaufzeiten der Bauteile, Maschinenverfügbarkeit und -auslastung usw.

Sie vergleichen diese Software auch mit dem App-Store von Apple?

Das klingt natürlich etwas überheblich, aber in gewisser Weise ja. Auch dort gibt es quasi eine Software bzw. Oberfläche, über die die verschiedensten Apps zur Verfügung gestellt werden. Walter ist aktuell in der Entwicklung einer Oberfläche, die mit verschiedenen Apps befüllt werden kann. Dabei muss Walter auch nicht der einzige sein, der für diesen „Fertigungs-Store“ Apps entwickeln kann und soll. Letztendlich wird es nötig sein, dass alle Hersteller zusammenarbeiten und an einem Strang ziehen. Diese Vision eines App-Stores für die Fertigungstechnik wird auf alle Fälle zur Realität werden.

Was muss ein Anwender also tun, um für diese digitale Fabrik vorbereitet zu sein?

Eigentlich nicht viel. Voraussetzung ist zumindest ein moderner Maschinenpark. Wichtig ist vor allem die Bereitschaft, die eigenen Prozesse zu hinterfragen und digitalisieren zu wollen.

Und die Basis sind die Maschinendaten aus der Steuerung?

Ja, die Datenbasis ist immer die Gleiche. Diese ist auch heute schon verfügbar – die Livedaten aus der Maschine werden zukünftig nur über verschiedenste Apps dargestellt und abrufbar.

Eine fertige Lösung, in der Ihre Vision bereits umgesetzt wurde, ist die Walter Tool•ID. Was steckt dahinter?

Eine Komponente auf dem Weg zur Smart Factory ist die Walter Tool•ID-Lösung. Mit dieser Lösung lassen sich Werkzeugdaten vom Voreinstellgerät an die Maschine übertragen und die Parameter, die an der Maschine gefahren werden, auswerten. Die Zuordnung der Daten zum Werkzeug erfolgt über einen Identifikator an dem Werkzeug, beispielsweise über einen aufgelaserten Data-Matrix-Code. Über eine App hat dann der Anwender vollen Echtzeit-Einblick in die Abläufe.

Wie, wo und wann kann man diese Apps zukünftig aufrufen?

Alles step-by-step. Zuerst benötigen wir eine vielseitig getestete und lauffähige Software, die die nötige Mindestanforderung bietet. Erst dann werden wir fünf bis sechs ausdesignte und verkaufsfähige Apps anbieten.

Diese werden dann auf jedem beliebigen Gerät bzw. auf jedem beliebigen Browser laufen. Unsere Vision ist es beispielsweise die aktuellen Schnittwerte und Spindellast auf einem Tablet, Smartphone oder sogar einer Datenbrille darzustellen – der Maschinenbediener blickt quasi nur mehr in den Arbeitsraum der Maschine und kann sich gleichzeitig die Livedaten des Zerspanungsprozesses ansehen. Diese Informationen können wir auch heute bereits auslesen. Genau das ist unsere Vision für die Fertigung der Zukunft.

Danke für das Gespräch.

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