interview
Branchenstimme: Bavaria CNC über Crashes, Chancen & die Zukunft der Zerspanung
Bavaria CNC über Crashes, Chancen und die Zukunft der Zerspanung: Daniel Römer ist kein Zerspanungsmechaniker im klassischen Sinn – und doch ist er einer der bekanntesten Vertreter der Branche. Als Bavaria CNC begeistert er auf YouTube und Social Media Tausende Follower mit ehrlicher Werkstatt-Realität, cleverem Know-how und einer großen Portion Selbstironie. Im Video- und Podcast erklärt er uns, wie aus Maschinencrashs wertvolle Learnings werden, warum der DACH-Raum sich endlich mehr zutrauen sollte – und wie man mit Standardisierung, Automatisierung und Digitalisierung langfristig wettbewerbsfähig bleibt.
„Automatisierung beginnt nicht in der Serie – sie beginnt bei Losgröße 1. Man muss es nur clever angehen.“ Daniel Römer alias Bavaria CNC
Daniels drei Erfolgsrezepte:
• Automatisieren, was automatisierbar ist:
„Spindelzeit ist Geld. Wer Maschinen nur manuell betreibt, verschenkt Produktivität.“
• Standardisieren und digitalisieren:
„Klar definierte Prozesse, zentrale Datenhaltung – das macht den Unterschied.“
• Sich von unrentablen Projekten trennen:
„Nicht jedes Teil bringt Gewinn. Fokus auf Qualität statt Beschäftigungstherapie.“
Daniel, wie bist du überhaupt zur Zerspanung gekommen?
Ich komme ursprünglich aus der Feinwerktechnik, bin also vom Beruf her Ingenieur – mein Schwerpunkt war Gerätebau. Hätte es der klassische Weg sein sollen, dann würde ich heute wahrscheinlich Akkuschrauber oder feinmechanische Baugruppen entwickeln. Tatsächlich war es dann aber so, dass ich mich in der Fertigung meines eigentlichen Produkts – Sportwaffen für den Schießsport – nicht mehr auf die Qualität der Zulieferteile verlassen konnte. Gerade bei diesen hochpräzisen Komponenten hatte ich oft Abweichungen, die einfach nicht tolerierbar waren.
Ich bin ein bisschen typischer Schwabe, ehrlich gesagt: Wenn ich etwas nicht so bekomme, wie ich es mir vorstelle, mache ich es lieber selbst – und bilde mir ein, dass ich es besser kann. (lacht) So entstand bei uns die Idee, die Teile intern zu fertigen. Ich habe damals mit einer alten FP5 NC-Maschine angefangen und mir das Programmieren im WordPad beigebracht. Heute stehen bei uns hochmoderne 5-Achs-Bearbeitungszentren mit Automation. Der Weg war lang, aber unglaublich lehrreich – und er hat mir das Zerspanen nähergebracht als alles andere.
Zwei Zerspanungsfans, ein Sportgewehr und viele gute Ideen – Robert Fraunberger und Daniel Römer lachen nach dem Videocast über Crashs, CNC und Cleverness. (Bilder: x-technik)
Über Tesro
Kerngeschäft von Tesro ist die Entwicklung von Matchwaffen in den Bereichen Luftgewehren, Luftpistolen sowie Kleinkalibergewehren und KK-Pistolen für olympische Disziplinen im Schießsport. Kunden finden sich weltweit, der Hauptabsatzmarkt ist Europa. Bei den Produkten kommt es auf hohe Detailgenauigkeiten, viele Möglichkeiten der Individualisierung sowie eine hohe Oberflächenqualität an.
(Domain)www.tesro.de
Wie ist dann dein Social-Media-Kanal Bavaria CNC entstanden?
Ganz ehrlich: Das war eine typische Corona-Aktion. Es war plötzlich nichts mehr los – keine Aufträge, keine Perspektive. Also dachte ich mir: Ich probier’s mal mit einem Instagram-Kanal, um ein bisschen Reichweite für meinen Betrieb zu generieren. Ich hatte vorher null Erfahrung mit Social Media. Damit ich nicht gleich mit dem Firmenprofil ins offene Wasser springe, habe ich erst mal einen Testkanal gestartet – einfach Kamera in die Maschine und draufhalten.
Ich wollte nicht der hundertste Grill- oder Fahrrad-Influencer sein, sondern habe einfach das gezeigt, was ich jeden Tag mache: Späne produzieren. Und das kam erstaunlich gut an. Der Name Bavaria CNC ist übrigens ein kleiner PR-Trick: Ich wohne genau an der Grenze zwischen Baden-Württemberg und Bayern – mein Grundstück liegt in Bayern, das Nachbargrundstück in Württemberg. Baden-Württemberg CNC hätte sich halt nicht so sexy angehört (lacht).
Blick hinter die Kulissen: Während der Aufnahme des Video- und Podcasts mit Bavaria CNC entsteht spannender Content über Zerspanung, Digitalisierung und Zukunftsperspektiven der Fertigung.
Was für Späne machst du genau?
Wir bauen hauptsächlich Bauteile für unsere Sportwaffen im Matchbereich (Anm.: Tesro GmbH & CO. KG) – also das, was im Schützenverein oder sogar bei Olympischen Spielen verwendet wird. Dabei handelt es sich meist um Aluminiumteile, die auf 5-Achs-Maschinen gefertigt werden. Die Anforderungen an Präzision und Oberflächenqualität sind enorm hoch – das macht die Bearbeitung spannend. Außerdem fertige ich das komplette Bauteil selbst: von der Vorrichtung bis zur Feinbearbeitung inklusive Montage. Für mich ist das der Inbegriff von „echter Fertigung“.
Exklusive Sonderanfertigung: Dieses Sportgewehr wurde von Tesro in Kooperation mit Bavaria CNC eigens für die Paul Horn GmbH gefertigt – im typischen CI-Design mit Gelb und Schwarz zum Technologiemeeting 2025.
Was fasziniert dich persönlich an der Zerspanung?
Es ist dieses Unmittelbare. Du hast eine Idee, ein CAD-Modell – und wenige Stunden später hältst du das fertige Teil in der Hand. Diese Transformation, dieses Greifbare, das ist etwas, das mich unglaublich begeistert. Und gleichzeitig ist es technisch hochkomplex. Die Präzision, die Materialbeherrschung, das Zusammenspiel von Werkzeug, Maschine und CAM – das ist ein Level, auf dem wir im deutschsprachigen Raum wirklich Weltspitze sind. Ich finde, das müssten wir uns viel öfter bewusst machen.
Und das Schöne: Diese Leidenschaft kann man auch an die nächste Generation weitergeben. Meine Tochter ist acht Jahre alt und liebt es, Gewinde zu schneiden. Die ist mit Feuer und Flamme dabei – einfach, weil man sieht, was am Ende rauskommt. Das macht Spaß, das hat Stolz.
Du sprichst in deinen Videos auch offen über Fehler. Was war dein größter Lerneffekt?
Definitiv die Maschinencrashs. Ich sag’s wie’s ist: Ich habe einige Spindelcrashs gehabt – und das waren immer mein eigener Fehler. Natürlich ärgert man sich in dem Moment, aber im Nachhinein betrachtet, waren das extrem lehrreiche Situationen. Ich sage immer: Das waren sehr teure, aber sehr wirksame Schulungen. Jede einzelne hat mir geholfen, Prozesse besser zu verstehen, Risiken zu erkennen und präventiv zu denken.
Heute simuliere ich deutlich mehr, investiere in Werkzeugdatenbanken, setze auf klarere Abläufe. Und selbst wenn das noch nicht perfekt ist – die Richtung stimmt.
Wie siehst du aktuell die Situation der Branche?
Ich finde, wir reden uns zu oft klein. Im DACH-Raum – also Deutschland, Österreich und die Schweiz – haben wir eine industrielle Kultur, wie sie weltweit kaum ein zweites Mal vorkommt. Wir sind hochqualifiziert, haben fantastische Maschinenhersteller, Know-how in der Breite und Tiefe – aber wir tun oft so, als wären wir am Ende.
Natürlich ist die wirtschaftliche Lage gerade angespannt. Aber: Viele Betriebe, die in den letzten Jahren gesund gewirtschaftet haben, stehen trotz allem solide da. Wichtig ist jetzt, sich zu modernisieren. Automatisierung, Digitalisierung, Prozessoptimierung – das sind keine Buzzwords, das sind echte Hebel.
Was konkret sollten Unternehmen ändern?
Ein Beispiel: Ich sehe oft Fertigungsbetriebe mit vier oder fünf Bearbeitungszentren – allesamt High-End – und trotzdem klagen sie über Kapazitätsengpässe. Die Maschinen laufen aber oft nur 2.000 oder 2.500 Spindelstunden im Jahr. Da sage ich: Statt die sechste Maschine zu kaufen, verkaufe zwei, automatisiere drei – und hol dir 6.000 Stunden pro Maschine. Am Ende hast du mehr Leistung bei weniger Invest.
Und ganz wichtig: Standardisierung. Früher habe ich geglaubt, dass ein flexibler Halter automatisch eine flexible Produktion bedeutet. Das stimmt nicht. Besser du hast weniger Halter, dafür aber standardisierte Abläufe, Werkzeuge und Prozesssicherheit. Das spart Zeit, reduziert Fehlerquellen und ermöglicht echte Digitalisierung.
Der Fachkräftemangel ist ein Dauerbrenner. Wie kann man junge Leute für den Beruf begeistern?
Wir müssen anfangen, unsere Branche besser darzustellen. Zerspanung ist kein „dreckiger Job“. Wir arbeiten mit Hightech-Maschinen, mit intelligenten Prozessen, mit CAD/CAM-Systemen und automatisierten Fertigungslösungen. Das ist spannend, kreativ und anspruchsvoll. Aber wenn wir selbst immer nur das Bild vom ölverschmierten Blaumann vermitteln, wird sich daran nichts ändern.
Ich sehe viele gute Ansätze – zum Beispiel Azubis, die auf TikTok oder Instagram direkt für andere Jugendliche sprechen. Das ist authentisch und kommt an. Ich selbst versuche auch, diese Begeisterung zu zeigen, aber der Nachwuchs will Leute auf Augenhöhe sehen. Und die müssen wir unterstützen.
Angenommen, du wärst Chef eines typischen 50-Mann-Lohnfertigers. Was wären deine ersten Maßnahmen?
Ganz klar: Alles, was automatisierbar ist, würde ich automatisieren. Dann Prozesse standardisieren. Und dann sofort digitalisieren – Werkzeugverwaltung, CAM, Auftragsdaten, alles. Ich würde mich konsequent von unrentablen Projekten trennen, die nur Ressourcen binden und nichts bringen. Lieber zehn Prozent weniger Umsatz, aber zwanzig Prozent mehr Marge.
Die Mitarbeiter würde ich weiterentwickeln, um sie aus den „Handarbeitsprozessen“ rauszuholen. Ich will keine Menschen durch Roboter ersetzen – ich will, dass die Menschen wichtigere Aufgaben übernehmen. Planung, Überwachung, Optimierung. Das motiviert und bringt uns weiter.
Dein Wunsch an die Branche?
Mehr Selbstbewusstsein! Wir können richtig was. Wir sind nicht das Problem, sondern die Lösung. Wir haben die Technik, die Leute, die Innovationskraft. Jetzt braucht es nur noch den Mut, die PS auch auf die Straße zu bringen. Also: Kopf hoch, investieren – und machen!
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