anwenderreportage

Parpas XS 63: Fräszentrum mit eigenem Klima

Maschinell seit Jahren auf höchstem Stand ist das Unternehmen Wolpert eine internationale Größe im Großformenbau – und gerade deswegen konnte der italienische Werkzeugmaschinenhersteller Parpas, der seit heuer in Österreich durch ACORS vertreten wird, die deutschen Werkzeugmaschinen-Spezialisten mit einer besonderen Lösung überzeugen – einem Fräszentrum mit einer zweiten Haut und Innenklimatisierung. Autor: Hubert Winkler / NC Fertigung

Zwei Formhälften für die Frontschürze eines Prototypen: Zwei-Meter-Form fünfachsig in Hundertstel-Genauigkeit gefräst.

Zwei Formhälften für die Frontschürze eines Prototypen: Zwei-Meter-Form fünfachsig in Hundertstel-Genauigkeit gefräst.

Infos zum Anwender

Der Wolpert Modell- und Formenbau in Bretzfeld-Schwabbach in der Nähe von Heilbronn produziert Kunststoffspritzgusswerkzeuge für 2K-Teile (zweierlei Kunststoffe in einer Form), Hybrid-Teile (Kunststoff mit Einlegeteilen), GID-Gasinnendruckteile vor allem zur Produktion von Prototypenteilen, Klein- und Sonderserien sowohl für Prototypen und Serienfertigung.
www.wolpert-ag.de

Was damals mit sechs Mitarbeitern der 1991 gegründeten Wolpert Modell- & Formenbau GmbH begann, hat sich heute durch Wachstum und Zukäufe als stattliches Unternehmen im internationalen Werkzeug- und Formenbau etabliert. Über 400 Mitarbeiter in der Wolpert Gruppe beschäftigen sich mit allen Bereichen, die der moderne Werkzeug- und Formenbau heute abzudecken hat, um im weltweiten Wettbewerb auf technischer Augenhöhe mit den Kunden und deren Neuentwicklungen zu sein – Kunststoffspritzgusswerkzeuge für 2K-Teile (zweierlei Kunststoffe in einer Form), Hybrid-Teile (Kunststoff mit Einlegeteilen), GID-Gasinnendruckteile vor allem zur Produktion von Prototypenteilen, Klein- und Sonderserien sowohl für Prototypen als auch für die Serienfertigung.

Zur Produktion dieser anspruchsvollen Teile sind leistungsfähige, aber auch hochgenaue, stabile und vor allem thermostabile Werkzeugmaschinen gefragt. Ein 1,0 m langes Stück Stahl dehnt sich entsprechend um 0,0108 mm aus, wenn die Temperatur um 1° C ansteigt – sicherlich unbedeutend bei vielen Bauteilen, aber von grundlegender Bedeutung, wenn es sich bei den Bauteilen um Strukturen von Werkzeugmaschinen handelt, mit denen größere, hochpräzise Kunststoffformen oder Umformwerkzeuge hergestellt werden.

Kompensations-Software ist fünfachsig keine Lösung

Eine Werkzeugmaschine besteht aus unterschiedlichen Strukturen mit unterschiedlicher Masse und geometrischer Form. Die thermische Ausdehnung erfolgt nicht zeitgleich in allen Bauteilen der Maschine. In Abhängigkeit ihrer Position, verändern sich alle Bauteile innerhalb des gleichen Zeitraumes in einer ungleichförmigen Art und Weise. Das Ergebnis ist, dass sich inhomogene Spannungen innerhalb der Bauteile bilden, welche zu Formveränderungen führen – zur Deformation der Maschinenstruktur.

Da solche Deformationen von den Variablen „Standort, Temperatur, Hitzequelle, Abmessung und Geometrie“ abhängig sind, sind sie statistisch nicht messbar. Aus diesem Grund entwickelte Parpas 2002, nach zahlreichen Experimenten unter Anwendung verschiedener geometrischer Kompensations-Software und nach dem Erhalt nicht nutzbarer Ergebnisse für dieses Problem, eine neue Lösung mit einer neuen Isolierung, welche alle Teile der Maschine komplett umschließt: Eine zweite Haut, unter der ein Bereich mit ständiger Belüftung mit konstanter Temperatur geschaffen wurde.

Das von Parpas entwickelte doppelwandige Isolationssystem macht die Struktur der Werkzeugmaschine immun gegen äußere, jahreszeitlich bedingte Temperaturschwankungen oder normale Tenperaturänderungen während des Tages oder der Nacht.Ebenso gegen gegebene Temperaturschwankungen, hervorgerufen durch Umgebungserwärmungen wie Heizluft, die sich oft in einzelnen Hallenbereichen rund um Maschinen konzentrieren. Temperaturschwankungen, welche durch direkte Sonneneinstrahlung erfolgen oder durch das lange Öffnen von Hallentoren hervorgerufen werden, sind ebenfalls kein Thema mehr.

Bei Wolpert war man bei der Suche nach einer Ergänzung des Werkzeugmaschinenparks beeindruckt von den Möglichkeiten einer Parpas, im speziellen einer XS 63 – eine Gantry mit Verfahrwegen von 6,0 x 3,0 x 1,5 m in X/Y/Z. Die XS 63 besteht mechanisch im Wesentlichen aus fünf Hauptkomponenten ohne Dehnfugen oder Zwischenplatten: den beiden Längsständern, der Traverse, dem Kreuzschlitten, dem Frässchlitten, sowie den Köpfen.

Die XS 63 hat zwei unterschiedliche Fräsköpfe, welche automatisch gewechselt werden: einen Gabelkopf für hohe Fräsleistung beim Schruppen sowie einen besonders im Werkzeug- und Formenbau vorteilhaften Orthogonalfräskopf in schlanker Bauweise. Er ermöglicht mit kurzen, steifen Werkzeugen, nahe an die Kontur heranzufahren, ohne dass Werkzeugverlängerungen nötig wären.

Schlanker Orthogonal-Kopf für tiefe Kavitäten mit kurzen stabilen Fräsern. Die Innenauskleidung der Maschine ist aus Edelstahl.

Schlanker Orthogonal-Kopf für tiefe Kavitäten mit kurzen stabilen Fräsern. Die Innenauskleidung der Maschine ist aus Edelstahl.

Die zweite Haut gewährleistet optimales Klima

Die besondere thermische Stabilität schöpft sie aus einer zweiten, mit Dämmmaterial beschichteten Haut, welche die Maschinenstrukturen umschließt. Bis auf den innengekühlten Kopf sind die vier anderen Maschinenkomponenten mit temperierter Luft klimatisiert. Das System kann Temperaturveränderungen bis 15° C pro 24 Stunden ausgleichen. Die Arbeitstemperatur der Maschine kann damit in einem Bereich von 10° bis 40° C konstant gehalten werden. Sämtliche Wärmequellen in der Maschine, jedes Lager, sind durch innere Temperierung gekühlt und liefern keinen Temperatureintrag in die genauigkeitsbestimmenden Strukturen. Die Maschinengenauigkeit ist damit unabhängig von der Umgebungstemperatur und dem Leistungseintrag der Maschine.

„Wir haben über ein Jahr die Temperatur im Umfeld der Maschine festgehalten – beim trockenen Schruppen von Großwerkzeugen, beim nassen Schlichten. Die Maschine liefert die zugesagten Ergebnisse unabhängig von den Umgebungsbedingungen, den Betriebsbedingungen wie abgeforderter Leistung und unabhängig von allen anderen Einflussfaktoren“, bestätigt Thilo Hofmann, Betriebsleiter bei Wolpert. Christoph Klumpp, der Geschäftsführer von Parpas Deutschland in Hamburg ergänzt: „Die Genauigkeit der Maschine wird auch durch den Alterungsprozess nicht leiden. Jede Maschine verändert sich im Alterungsprozess an ihren Nahtstellen – aber Parpas Maschinen sind durch das Vermeiden von Nahtstellen sehr langlebig und dauergenau konzipiert. Und auch für das Auge haben wir etwas getan: die Innenverkleidung der gesamten Maschine ist aus Edelstahl und nicht aus lackiertem Blech, das schnell an Farbe verliert. Unsere Maschinen haben auch nach langer Nutzungsdauer ein hochwertiges Aussehen.“

Alle Strukturen der Parpas XS 63 sind mittels einer zweiten Haut klimatisiert, alle internen Wärmequellen sind innengekühlt.

Alle Strukturen der Parpas XS 63 sind mittels einer zweiten Haut klimatisiert, alle internen Wärmequellen sind innengekühlt.

Gesicherter Bearbeitungsprozess

„Wenn ich heute in ein Auto steige“, so Thilo Hofmann, „gehe ich davon aus, dass es sicher anspringt und läuft. Unser Ziel in der Produktion ist das gleiche. Der Bearbeitungsprozess muss gesichert sein – immer. Manche Werkzeugmaschinen liefern aber an vielen Stellen eine Verkehrung der Verhältnisse: In vielen Fällen musste sich die Technik auf Verhältnisse der Maschine einstellen – morgens, mittags, abends – dazwischen ein Temperaturgang von 15° C – immer wieder messen, kompensieren, nachjustieren, um bei großen Werkzeugen die Genauigkeit zu halten.“

Christoph Klumpp geht in Detail: „Die Genauigkeit der XS 63, fünfachsig im Raum liegt bei ± 25 µ in einem Arbeitsvolumen von 6,0 x 3,0 x 1,5 m. Wir haben mit dieser von Parpas entwickelten Innenklimatisierung an eine 15 m-Maschine schon Wiederhol-Genauigkeiten von – 1 µ / + 4 µ über 15 m erzielt.“

Komfortable, leistungsstarke und schnelle Heidenhain Steuerung an der Parpas XS 63.

Komfortable, leistungsstarke und schnelle Heidenhain Steuerung an der Parpas XS 63.

Fast zehnfache Genauigkeit

„Die Genauigkeit unserer XS 63 ist so hoch“, erklärt Thilo Hofmann, „dass sie an der Oberfläche, bei der Änderung der Frässtrategie und beim Zusammenstoßen von Flächen, keine messbaren Übergänge feststellen können. Das bedeutet für uns eine kostenseitig spürbare Minimierung der Nacharbeiten. Über verschiedene Werkstückgrößen hinweg ermittelten wir eine spezifische Abweichung von max. 5 µ gegenüber den CAD-Daten. Während wir früher bei Großteilen Abweichungen bis zu 2/10 mm in Kauf nehmen mussten, reduziert die XS 63 die Maßabweichung auf max. 2/100 bis 3/100 mm – bei Großteilen wohlgemerkt.“ Und er konkretisiert weiter: „Bei den Nacharbeiten sparen wir heute mindestens 20 % gegenüber Werkstücken von älteren Maschinen. Wir können uns heute auf die Maßgenauigkeit zu 100 % verlassen, während wir früher immer nachprüfen und messen mussten. Einer der Gründe, warum wir heute mit der Parpas 20 bis 30 % schneller am Ziel sind.“

Thilo Hofmann, Betriebsleiter bei Wolpert und Christoph Klumpp, Geschäftsführer Parpas Deutschland: Höchste Genauigkeit versprochen – und gehalten.

Thilo Hofmann, Betriebsleiter bei Wolpert und Christoph Klumpp, Geschäftsführer Parpas Deutschland: Höchste Genauigkeit versprochen – und gehalten.

6.000 Betriebsstunden statt 4.000

„Nach knapp einem Jahr Einsatz mit bisher 6.000 Betriebsstunden – die Vorgängermaschine schaffte im gleichen Zeitraum nur 4.000 Stunden – besticht die Parpas durch ihre hohe Zuverlässigkeit und die hohe Werkzeugflexibilität ihres 120 Werkzeuge fassenden Kettenmagazins. Bei der Vorgängermaschine mit der gleichen Konzeption musste sich die betriebliche Verfügbarkeit nach den Umgebungsbedingungen richten – heute nicht mehr. Sonne und Winter spielen keine Rolle mehr bei der Genauigkeit. Die XS 63 ist verfügbar, wenn wir sie brauchen“, freut sich der Betriebsleiter.

Und noch ein weiterer Vorteil, ein großer Kostenvorteil sogar, wird angesprochen: Im Gegensatz zu den betrieblichen Gegebenheiten müssen die älteren Maschinen wegen des Temperaturgangs dreischichtig bemannt durchgefahren werden. Die Parpas kann, wegen der in kürzester Zeit erreichten Temperaturkonstanz beim Anfahren, dem normalen Betriebsablauf folgend, bemannt zweischichtig gefahren werden. „Im neuen Investitionsplan haben wir daher entgegen früheren Konzepten, die Anzahl der neu zu beschaffenden Maschinen von fünf auf drei reduziert – ohne auf Produktionskapazität verzichten zu müssen“, beschließt Thilo Hofmann.

Ersterscheinung: NC Fertigung 7/8 2013

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