interview

Software anders gedacht: Der Weg zur digitalen Fabrik mit EVO

Gib mir eine Nummer, dann zeige ich dir, was du suchst. Eine Software, die nach so einer Logik funktioniert, lehnte Jürgen Widmann bereits vor 25 Jahren ab. Deshalb entwickelte er eine Anwendungssoftware mit tabellenorientierten Informationsfenstern und zusätzlichen Such- und Filterkriterien nach dem WYSIWYG-Prinzip. Er gründete sein eigenes Unternehmen „EVO Informationssysteme“ und begann nach EVO-Art zu entwickeln: kundenunabhängig, auf einem evolutionär erweiterbaren Standard-Software-Kern basierend und zukunftsorientierte, innovative neue Wege beschreitend. Das jüngste Ergebnis dieser Herangehensweise ist eine bedienerlose Produktionssteuerung, die je nach gewählter Prioritätensetzung des Anwenders vollkommen autonom die zielführendste Planungsstrategie verfolgt.

Wir möchten einen Beitrag dazu leisten, dass kleine und mittelständische Unternehmen in sogenannten Hochlohnländern weiterhin wettbewerbsfähig produzieren können. Dafür arbeiten wir.
Jürgen Widmann, der geschäftsführende Gesellschafter der EVO Informationssysteme GmbH.

Wir möchten einen Beitrag dazu leisten, dass kleine und mittelständische Unternehmen in sogenannten Hochlohnländern weiterhin wettbewerbsfähig produzieren können. Dafür arbeiten wir. Jürgen Widmann, der geschäftsführende Gesellschafter der EVO Informationssysteme GmbH.

Sie gründeten vor nunmehr 25 Jahren Ihr eigenes Unternehmen. War Ihnen immer schon klar, dass dieser Schritt irgendwann einmal kommen würde?

Vielleicht. Diese Freiheit zu haben, Entscheidungen zu treffen und selber zu gestalten, hat schon seinen Charme. Als Vorbild diente Windows 3.11 mit seiner grafischen Bedienoberfläche und der komfortablen Maus-Bedienung und als Gründungsimpuls die Tatsache, dass mir Ende der 90er Jahre kein existierendes Produktionsplanungssystem (PPS-System) als gut genug erschien, als ich im Rahmen meiner Diplomarbeit deren Tauglichkeit für die Anforderungen eines kunststoffverarbeitenden Betriebs mit 100 Mitarbeitern prüfte.

Die smarte Shopfloor-Visualisierung von EVO kombiniert und bündelt Daten aus ERP, PPS, MES und PZE-Systemen.

Die smarte Shopfloor-Visualisierung von EVO kombiniert und bündelt Daten aus ERP, PPS, MES und PZE-Systemen.

Was hat Sie an den bereits verfügbaren Lösungen gestört?

Wie diese aufgebaut waren. Damals dachte man in Datenhaltungssystemen, bei denen die User irgendeinen Suchbegriff benötigten, um zu den abgespeicherten Daten zu gelangen – so nach dem Motto „Gib mir eine Artikelnummer oder den richtigen Code und ich zeige dir, was dazu gespeichert ist“. Meine Idee war es aber von Anfang an, Lösungen zu kreieren, die tabellenartig – ähnlich wie heute Excel – funktionieren. Der Abruf von Informationen per doppeltem Mausklick war damals völlig neuartig. Als Plattformlösung bieten wir heute ein einzigartig umfassendes, modular gestaltetes Baukastensystem, das alle Abläufe in der Fabrik durchgängig abbildet und steuert – von der Auftragsbearbeitung über Einkauf und Produktionsplanung bis zu den einzelnen Maschinen und zur Werkzeugverwaltung.

Ziel papierlose Fertigung: Über zusätzliche Terminals bzw. Touchpads ist es möglich, sämtliche Dokumentationen und Zeichnungsstände auf direktem Wege abzurufen.

Ziel papierlose Fertigung: Über zusätzliche Terminals bzw. Touchpads ist es möglich, sämtliche Dokumentationen und Zeichnungsstände auf direktem Wege abzurufen.

Wie gelingt es, diese Durchgängigkeit herzustellen – das ist ja in Anbetracht von Schnittstellenproblematiken sicher nicht ganz einfach?

Wir gehen halt immer andere, außergewöhnlich Wege. Wir machen nicht nach, wir denken vor. Ein Beleg dafür ist beispielsweise die Art und Weise, wie wir Daten beim Vermessen von Werkzeugen verwalten und an die Maschinen übertragen. Diese wurde bereits im Jahr 2012 europaweit patentiert und ist nach wie vor einzigartig, also typisch EVO.

Die EVO Informationssysteme GmbH bietet mit seiner Smart Factory in Verbindung mit der EVO-Softwareplattform am Firmensitz in Durlangen (D) wertvolle Einblicke und wichtige Erkenntnisse für die schrittweise Digitalisierung der Fertigungsprozesse.

Die EVO Informationssysteme GmbH bietet mit seiner Smart Factory in Verbindung mit der EVO-Softwareplattform am Firmensitz in Durlangen (D) wertvolle Einblicke und wichtige Erkenntnisse für die schrittweise Digitalisierung der Fertigungsprozesse.

Was ist das Besondere daran?

Andere Lösungsanbieter vermessen Werkzeuge maschinenspezifisch, wir tun dies maschinenunabhängig. Wir arbeiten mit den Rohdaten der Werkzeuge und mit maschinenabhängigen Korrekturwerten. Die Umwandlung der Werkzeugdaten in die benötigte maschinenlesbare „Sprache“ erfolgt nicht durch ein Werkzeugvoreinstellgerät, sondern erst, wenn sich das Werkzeug physisch am Zielort – sprich in der Werkzeugmaschine befindet. Mit unserer Methode können Werkzeuge demnach direkt von Maschine zu Maschine hüpfen, es braucht keine Neuvermessungsvorgänge dazwischen.

EVO ermöglicht die Werkzeuglieferungen mobil zu verbuchen und einzulagern.

EVO ermöglicht die Werkzeuglieferungen mobil zu verbuchen und einzulagern.

Die Werkzeugdatenübertragung in Maschinen hört sich so einfach an. Wieso ist niemand darauf gekommen?

Mich wunderte das auch, dass sich niemand mit dem Problem beschäftigt hatte, wie man einen Maschinencrash wegen eines Tippfehlers an der Maschine wirksam vermeiden kann. An dieser Stelle profitieren wir natürlich sehr stark von der Tatsache, dass wir bereits tausende Maschinen mit Steuerungen unterschiedlichster Generation angeschlossen haben, um CNC-Programme zu sichern. Als unabhängiger Softwarehersteller können wir mit allen Steuerungs- und Maschinenherstellern partnerschaftlich zusammenarbeiten, um Lösungen zu liefern, die im Sinne der Endanwender sind. Diese kombinieren wir dann mit unserer Digitalisierungskompetenz.

Vollautomatisierte Fabriken, in denen Maschinen mit Roboterunterstützung 24/7 über eine längere Zeit hinweg produzieren können, werden laut Jürgen Widmann bereits in zwei bis drei Jahren Realität werden.

Vollautomatisierte Fabriken, in denen Maschinen mit Roboterunterstützung 24/7 über eine längere Zeit hinweg produzieren können, werden laut Jürgen Widmann bereits in zwei bis drei Jahren Realität werden.

Inwiefern beschreitet EVO sonst noch andere Lösungswege als andere?

Das beginnt bereits damit, dass wir weltweit den gleichen EVO-Softwarestand installieren. Bei uns wird kundenunabhängig weiterentwickelt und eine individuell konfigurierbare EVO-Anwendungssoftware bereitgestellt. Die Softwarearchitektur, auf der all unsere Lösungen aufbauen, ist so abstrakt konzipiert, dass es für einen Einzelteilfertiger genauso passt wie für einen Automobilzulieferer oder einen Maschinenbauer, obwohl diese ganz unterschiedliche Anforderungen an die Abbildung der Prozesse in einer Software stellen. Abhängig davon, was ein Kunde wirklich benötigt, werden dann die entsprechenden Modulbausteine zusammengestellt. Die Masken und Fenster sind sehr aufgeräumt, da nur Felder und Optionen erscheinen, die der Anwender für seine tägliche Arbeit benötigt. Für die Rückverfolgung von Warenbewegungen mit Chargenverwaltung würden beispielsweise zusätzliche Felder für die Chargennummer auftauchen.

Wie viele solcher Module oder Software-Bausteine stehen da im Hintergrund auf Abruf bereit?

Über alle sieben großen Basiselemente (EVO-Produkte) hinweg sind es bestimmt mehr als 100 Optionen und Erweiterungsmöglichkeiten. Das bedeutet: Wenn ein Kunde sein bestehendes EVO-System nachträglich um z. B. eine Chargenverwaltung oder eine Personalzeiterfassung erweitern will, genügt die schriftliche Beauftragung und spätestens zwei Tage später ist die Erweiterung schnittstellenfrei nachgerüstet und läuft wie erwartet. Von dieser evolutionären Methodik, immer das Vorhandene als Basis für Neu- oder Weiterentwicklungen zu verwenden, rührt ja auch unser Firmenname – EVO.

Wie sieht es bei EVO mit kundenindividuellen Entwicklungen aus?

Wir entwickeln ausschließlich kundenübergreifend für eine klar definierte Zielgruppe – KMUs. In diesem Punkt unterscheiden wir uns von vielen Marktbegleitern, die Vieles zusätzlich programmieren müssen, um die Kundenanforderungen annähernd zu erfüllen. Würden wir lediglich das entwickeln, was Unternehmen als Anforderungen an uns herantragen, hätten wir nicht einmal annähernd die Lösungen, die wir heute anbieten. Warum? Weil den meisten Menschen, die sich nicht tagtäglich mit solchen Digitalisierungsthemen beschäftigen, die Vorstellungskraft fehlt, was überhaupt alles technisch möglich ist und wie dies anwendungstechnisch konzipiert werden muss. Ein gutes Beispiel dafür ist unsere autonome Produktionsregelung. Das hätte kaum jemand für möglich gehalten, dass eine Software automatisch die Produktion plant und dabei auf allerlei Störungseinflüsse reagieren kann. Heute befindet sich unser Produktionsregelungssystem bei mehreren Kunden im praktischen Einsatz.

Wie funktioniert diese?

Im Grunde genommen wie ein Navigationssystem im Auto, das die voraussichtliche Ankunftszeit berechnet und dabei die aktuellen Rahmenbedingungen wie ein erhöhtes Verkehrsaufkommen, einen Stau aufgrund eines Unfalls oder reduzierte Geschwindigkeiten durch Witterungseinflüsse einberechnet. Unsere Lösung sagt anhand von Betriebsdaten und Echtzeitdaten aus der Produktion die Fertigstellungszeiten von Aufträgen voraus. Die Produktionsreihenfolgeplanung selbst hängt davon ab, welche Prioritäten der Anwender setzt. Er kann zwischen mehreren Strategien wählen: Möchte er beispielsweise bei mäßiger Auslastung maximal kosteneffizient produzieren, werden vor allem jene Maschinen eingesetzt, die günstig zu betreiben sind. Sind ihm ein hoher Durchsatz und schnelle Lieferfähigkeit wichtig, werden kleine Aufträge vorgereiht oder ein hochpreisiger, der nicht allzu lange dauert – also da ist jetzt sehr vieles möglich.

Woher kommen die Daten, um alle diese Dinge bei der Produktionsregelung berücksichtigen zu können?

(schmunzelnd) Wir sind halt Künstler in der Richtung, „Digitale-Daten-Jongleure“. Da wir mit unseren Lösungen die gesamte Fabrik digital abbilden können und damit alle Daten sammeln und intelligent verarbeiten, stehen uns extrem viele Daten und Parameter zur Verfügung um sehr gut eine Produktion autonom steuern zu können. Aus vielfältigen Ereignissen, Daten, logischen Zusammenhängen und Parametern erzeugen wir eine extrem vielschichtige Datenbasis, aus der wir mithilfe von künstlicher Intelligenz und Algorithmen die geeignete Planungsstrategie verfolgen können. All das fließt in unsere Prognosen ein. Somit rücken wir der Vision einer Fabrik näher, in der Maschinen mit Roboterunterstützung automatisiert 24/7 über eine längere Zeit hinweg produzieren können, ohne dass ein Mensch eingreifen muss. Ich denke in zwei bis drei Jahren könnten wir das schon schaffen. Für den übernächsten Schritt habe ich mir auch schon weiterführende Gedanken gemacht, die es im Anschluss umzusetzen gilt…

Vielen Dank für das Gespräch!

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