interview
Dr. Markus Heering im Gespräch zur EMO 2025, der Lage der Branche & Herausforderungen der Fertigung in Europa
Die internationale Produktionstechnik blickt gespannt nach Hannover: Vom 22. bis 27. September 2025 findet dort die nächste Ausgabe der EMO statt – der Weltleitmesse der Produktionstechnologie. In einem exklusiven Podcast-Gespräch gibt Dr. Markus Heering, Geschäftsführer des VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken), einen umfassenden Ausblick auf die bevorstehende Messe, ordnet die wirtschaftliche Lage der Branche ein und diskutiert die Zukunft der Fertigung in Europa. Dabei wird deutlich: Die Herausforderungen sind groß – aber ebenso die Chancen.
Die EMO 2025 ist der Ort, an dem die Branche zusammenkommt, um Zukunft zu gestalten – durch Technologie, Austausch und eine gemeinsame Vision. Dr. Markus Heering, Geschäftsführer des VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken)
EMO 2025:
• Wann: 22. bis 26. September 2025
• Wo: Messegelände Hannover
• Über 1.400 Aussteller aus rund 40 Ländern – Besucher aus über 100 Nationen
Fokus auf:
• Werkzeugmaschinen
• Automatisierungslösungen
• Präzisionswerkzeuge
• Digitale Fertigung & Industrie 4.0
• Nachhaltige Produktion
• Additive Fertigungsverfahren
• Steuerungs- und Messtechnik
Herr Dr. Heering, die EMO 2025 steht bevor. Was dürfen die Fachbesucher von dieser Ausgabe in Hannover erwarten?
Die EMO 2025 wird sich erneut als globaler Marktplatz für Innovationen präsentieren. Wir erwarten zahlreiche Premieren – sei es im Bereich der intelligenten Automatisierung, der nachhaltigen Fertigung oder im Zusammenspiel von klassischer Zerspanung mit digitalen Services. Der Fokus liegt auf Lösungen für reale Probleme, beispielsweise Energieeffizienz, Kostendruck oder Fachkräftemangel. Die Messe ist traditionell das Schaufenster der Produktionstechnik.
Themen, die die Branche bewegen. Beim Podcast mit Dr. Markus Heering drehte sich alles um Innovation, Zusammenarbeit und die EMO als Impulsgeber. (Bilder: x-technik)
Gibt es neue Formate oder Schwerpunkte?
Ja, definitiv. Neben den klassischen Produktpräsentationen wird es vermehrt interaktive Areale geben – etwa für KI-basierte Fertigungsprozesse, additive Verfahren oder robotergestützte Komplettlösungen. Auch das Thema nachhaltige Produktion nimmt Raum ein, etwa durch Energie- und Ressourceneffizienz im Maschinenbetrieb. Gleichzeitig rücken Themen wie Retrofit und digitale Nachrüstung in den Fokus.
Technologie hautnah erleben: Die EMO bringt Menschen, Maschinen und Ideen aus aller Welt zusammen.
In einer Zeit, in der viele Prozesse digital abgebildet werden, stellt sich die Frage: Warum ist eine Präsenzmesse wie die EMO weiterhin relevant?
Weil Maschinen und Fertigungslösungen erlebbar sein müssen. Das gilt insbesondere für Investitionsgüter, bei denen es um hohe Summen und komplexe Anwendungen geht. Auf der EMO kann man vergleichen, diskutieren, anfassen, testen – und in direkten Kontakt mit Entwicklern und Entscheidern treten. Das schafft Vertrauen und Transparenz. Der persönliche Austausch ist durch nichts zu ersetzen – das haben auch die letzten Jahre mit eingeschränkten Messeaktivitäten gezeigt.
„See you at EMO 2025!“ – Robert Fraunberger traf Dr. Markus Heering zum Podcast-Gespräch über Messehighlights, Branchentrends und Zukunftsperspektiven.
2025 feiert die EMO ein rundes Jubiläum: 50 Jahre. Was bedeutet Ihnen dieses Ereignis persönlich – und was sagt es über die Entwicklung der Branche aus?
50 Jahre EMO – das ist ein starkes Zeichen. Seit der ersten Messe 1975 hat sich die EMO zur weltweit bedeutendsten Plattform für die Metallbearbeitung entwickelt. Sie war immer Spiegelbild der technologischen Entwicklung: vom klassischen Spanen über CNC, CAD/CAM und Automatisierung bis heute hin zu Digitalisierung, Datenintegration und KI. In all diesen Phasen war die EMO ein Ort, an dem Innovationen zum ersten Mal sichtbar wurden – und an dem sich die Branche gegenseitig inspiriert hat.
Was macht diese Erfolgsgeschichte möglich?
Es ist die Mischung aus technischer Tiefe, internationaler Strahlkraft und einem klaren Fokus auf reale Anwendungen. Die EMO bringt Menschen zusammen, die Lösungen suchen – und solche, die sie bieten. Dass dieses Konzept seit fünf Jahrzehnten funktioniert, zeigt: Die Messe hat Substanz. Und sie hat sich immer weiterentwickelt. Ich bin überzeugt, dass wir auch 2025 wieder Impulse setzen werden, die weit über das Messegelände hinauswirken.
Es gibt derzeit Überlegungen, ab 2029 einen neuen deutschen EMO-Standort zu etablieren. Wie ist der aktuelle Stand?
Richtig, es laufen derzeit intensive Gespräche und Analysen hinsichtlich der zukünftigen Ausrichtung der EMO in Deutschland. Fakt ist: Die Messe wird auch weiterhin im Wechsel mit Mailand stattfinden, und Deutschland bleibt ein zentraler Pfeiler dieses Formats. Wo genau die EMO ab 2029 ausgetragen wird, steht noch nicht endgültig fest. Eine Entscheidung dazu fällt erst nach der EMO 2025. Ziel ist es, die Rahmenbedingungen für Aussteller und Besucher kontinuierlich zu verbessern und die EMO langfristig zukunftsfähig aufzustellen – sowohl inhaltlich als auch infrastrukturell.
Wie ist die derzeitige wirtschaftliche Lage in der Werkzeugmaschinenbranche zu beurteilen?
Wir sehen derzeit ein gemischtes Bild. Nach einer Phase der Unsicherheit durch Pandemie, geopolitische Konflikte und Energiekrise stabilisiert sich der Markt langsam. Es gibt Nachholbedarfe bei Investitionen, aber auch Zurückhaltung – vor allem in Teilen der Automobilindustrie. Gleichzeitig sehen wir in Branchen wie Luftfahrt, Medizintechnik oder dem Werkzeug- und Formenbau steigende Dynamik. Insgesamt braucht es mehr Investitionsmut, vor allem mit Blick auf Digitalisierung und Automatisierung.
Was muss aus Ihrer Sicht getan werden, um den Fertigungsstandort DACH langfristig zu sichern?
Dazu braucht es mehrere Dinge: Erstens eine verlässliche Industriepolitik mit technologieoffenen Rahmenbedingungen. Zweitens gezielte Förderungen für Schlüsseltechnologien – etwa im Bereich KI, Automatisierung oder nachhaltige Produktion. Drittens eine Modernisierung der Infrastruktur, sowohl digital als auch physisch. Und nicht zuletzt müssen wir unser duales Ausbildungssystem stärken und attraktiver machen, um auch künftig Fachkräfte auf höchstem Niveau auszubilden.
Stichwort Nachwuchsmangel: Wie kann die Branche hier gegensteuern?
Indem wir Technik wieder als etwas Begeisterndes darstellen. Die Werkzeugmaschinenbranche bietet Hightech, Präzision und Gestaltungsspielraum – aber das kommt in der öffentlichen Wahrnehmung oft nicht an. Es braucht moderne Ausbildungskonzepte, mehr Sichtbarkeit auf Social Media und enge Kooperationen mit Schulen und Hochschulen. Initiativen wie die Nachwuchsstiftung Maschinenbau leisten hier wertvolle Arbeit – das müssen wir weiter ausbauen.
Wie sehen Sie die mittel- und langfristige Zukunft der Metallbearbeitung in Europa?
Europa hat historisch eine enorme Innovationskraft in der Produktionstechnik aufgebaut – und ich bin überzeugt, dass wir auch künftig führend bleiben können. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass wir gemeinsame europäische Lösungen entwickeln. Kein einzelnes Land wird die Herausforderungen von Digitalisierung, Nachhaltigkeit oder geopolitischem Wettbewerb alleine meistern.
Was bedeutet das konkret?
Wir müssen stärker zusammenarbeiten – über Ländergrenzen und Branchen hinweg. Das betrifft Forschungskooperationen ebenso wie Normungsarbeit, Ausbildung und Technologieplattformen. CECIMO spielt hier als europäische Branchenvertretung eine zentrale Rolle. Wenn wir es schaffen, europäische Stärken zu bündeln, etwa in der Verbindung von Maschinenbau und Digitalisierung, dann haben wir eine echte Chance, im globalen Wettbewerb auch langfristig vorn zu bleiben.
Also ist Zusammenarbeit der Schlüssel?
Ganz klar. Der Erfolg der europäischen Fertigung hängt entscheidend davon ab, wie gut es uns gelingt, Kooperation und Wettbewerb in Balance zu bringen. Nationale Alleingänge kosten Zeit und Kraft. Gemeinsame Strategien hingegen schaffen Synergien – und genau das brauchen wir, wenn Europa auch künftig Industriestandort Nummer eins bleiben will.
Herr Dr. Heering, was möchten Sie abschließend der Branche ganz persönlich mit auf den Weg geben?
Ich wünsche mir, dass wir als Branche wieder mutiger und selbstbewusster auftreten. Die europäische Fertigungstechnik steht für Präzision, Innovation und Qualität – und das weltweit anerkannt. Aber wir neigen manchmal dazu, uns kleinzureden, statt unsere Stärken klar zu zeigen. Gerade jetzt, in einer Zeit voller Herausforderungen, braucht es Unternehmergeist, Investitionsbereitschaft und die Überzeugung, dass wir den Wandel aktiv gestalten können. Die EMO 2025 kann dafür ein kraftvolles Signal sein: als Plattform der Innovation – und als Bühne für eine selbstbewusste Industrie.
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