anwenderreportage

80-20-Regel als Erfolgsstrategie

In Niederösterreich zählt die Firma Haumberger Fertigungstechnik zu den Vorreitern beim Thema Industrie 4.0. Denn der in der Nähe von Tulln ansässige Spezialist für kleine Losgrößen ist bereits seit mehreren Jahren auf höchstmögliche Automatisierung, Digitalisierung und Vernetzung eingestellt. Wir erkundigten uns bei Geschäftsführer Wolfgang Haumberger, mit welchen Lösungen er sein Unternehmen zukunftsfit machte und warum er bei allen Optimierungsbestrebungen auf eine konsequente Anwendung der 80-20-Regel achtete. Das Gespräch führte Sandra Winter, x-technik

Der größte Nutzen einer vernetzten Fertigung ist vor allem die hohe Transparenz. Wir wissen zu jeder Zeit, wo wir stehen, wo unsere Zeit-, Maschinen- und Personalressourcen gerade knapp werden, und wofür wir länger brauchten als geplant. 

Wolfgang Haumberger, Geschäftsführer der Haumberger Fertigungstechnik GmbH

Der größte Nutzen einer vernetzten Fertigung ist vor allem die hohe Transparenz. Wir wissen zu jeder Zeit, wo wir stehen, wo unsere Zeit-, Maschinen- und Personalressourcen gerade knapp werden, und wofür wir länger brauchten als geplant. Wolfgang Haumberger, Geschäftsführer der Haumberger Fertigungstechnik GmbH

Ordnung mit System

Die Logiboxx der Haumberger Fertigungstechnik GmbH ist ein automatisiertes Kleinteilelager, das an jedes Toolmanagement-, ERP- oder Lagerverwaltungssystem angebunden, oder auch als Stand-Alone-Lösung mit einem Basis-Softwarepaket von Zoller betrieben werden kann. Neben Werkzeugen können unzählige andere Teile wie z. B. inventarisierte Messmittel oder Elektronikkomponenten platzsparend und sicher gelagert werden.

Durch den intuitiven Aufbau der Benutzeroberfläche kann jeder Nutzer das System nahezu ohne Einschulungszeit bedienen.

Herr Haumberger, was war Ihre Vision als Sie Ihr Unternehmen gründeten?

Die Idee dazu ist bereits in der Lehrzeit entstanden. Ich bin gelernter Werkzeugmacher, komme also aus dem praktischen Bereich und mein Traum war schon immer, mich eines Tages selbständig zu machen. Im Jahr 2000 war es dann soweit: Ich funktionierte alte Stallungen meiner Eltern in eine Werkstatt um und investierte in die erste Bearbeitungsmaschine. Gestartet sind wir als Lohnfertiger von Großserien, aber bereits nach zwei Aufträgen sattelten wir in Richtung Kleinserie bzw. Einzelstück-Fertigung um, weil dies eher meinem Naturell entspricht: Ich bevorzuge Abwechslung und mag die Herausforderung.

Mittlerweile basiert unser Geschäft auf zwei Standbeinen: Einerseits sind wir als Lohnfertiger hochpräziser Komponenten u. a. für die Luft- und Raumfahrt tätig. Andererseits treten wir als Sondermaschinenbauer und Anbieter maßgeschneiderter Automatisierungslösungen am Markt auf. Last but not least gibt es dann noch unsere Logiboxx, ein automatisiertes Kleinteilelagersystem, das wir ursprünglich für unseren Eigenbedarf entwickelten, seit 2012 aber auch anderen Unternehmen als intelligente Lagerlösung anbieten.

Mannlose Nachtschichten bei Haumberger: Die Investition in zwei 5-Achs-Bearbeitungszentren, die durch einen Roboter automatisiert mit Werkstücken beladen werden, machte es möglich.

Mannlose Nachtschichten bei Haumberger: Die Investition in zwei 5-Achs-Bearbeitungszentren, die durch einen Roboter automatisiert mit Werkstücken beladen werden, machte es möglich.

Wolfgang Haumberger
Geschäftsführer der Haumberger Fertigungstechnik GmbH

„Der größte Nutzen einer vernetzten Fertigung ist vor allem die hohe Transparenz. Wir wissen zu jeder Zeit, wo wir stehen, wo unsere Zeit-, Maschinen- und Personalressourcen gerade knapp werden, und wofür wir länger brauchten als geplant. “

Obwohl Industrie 4.0 im Jahr 2000 noch kein Thema war, sind Sie direkt in diese Richtung losmarschiert – woher kam das?

Vermutlich ist das ein bisschen meiner Persönlichkeit geschuldet: Ich bin sehr prozessgetrieben. Ich will möglichst viel standardisieren, damit man sich „in Ruhe“ auf die entscheidenden Dinge konzentrieren kann. Ich habe mir beispielsweise sehr viele Gedanken darüber gemacht, wie sich Suchzeiten und andere unproduktive Tätigkeiten, die nur belasten sowie Stress erzeugen, minimieren oder ganz beseitigen lassen. Schließlich wurden bei uns in der Vergangenheit manche Vorrichtungen sogar drei- bis viermal neu angefertigt, weil sie entweder nicht gefunden wurden oder defekt waren. Solche Dinge aufzugreifen und zu lösen war uns von Anfang an ein großes Bedürfnis und wenn man einmal damit begonnen hat, ist es ähnlich wie beim Domino-Spiel: Dann bringt ein Stein den nächsten ins Rollen.

Bei Maschinenraumsimulationen wird auf hinterlegte Schnittdaten und digitale Abbilder der Werkzeuge zurückgegriffen.

Bei Maschinenraumsimulationen wird auf hinterlegte Schnittdaten und digitale Abbilder der Werkzeuge zurückgegriffen.

Infos zum Anwender

Haumberger Fertigungstechnik ist ein innovativer und zuverlässiger Anbieter von Sondermaschinen, Automatisierungen, CNC-Fertigung und Assembling von High-Performance-Teilen. Als Entwicklungs- und Fertigungspartner bietet man höchste Qualität und individuelle Beratung – und zwar von der Idee bis zur Inbetriebnahme.

Wo beginnt man also zu digitalisieren?

Bei uns im Haus bildet im kaufmännischen Bereich das ERP-System und in der Produktion das Tool Management System die Basis. Alle anderen Mosaiksteinchen wurden rund um diese beiden zentralen Softwaretools aufgebaut.

Aktuell sind wir dabei, vermehrt auf eine vollautomatische Maschinen- und Betriebsdatenerfassung zu setzen. Hier sorgte letztendlich die enorme Anzahl an Rückmeldungen, die von den Mitarbeitern manuell in diverse Listen und unser ERP-System einzutragen war, für Handlungsbedarf. Denn durchschnittlich waren dies mehr als 50.000 pro Jahr.

Wir versuchen zudem die 80-20-Regel einzuhalten: 80 % von was auch immer sollen durch Standardprozesse abgebildet werden. Ein gutes Beispiel dafür sind die Behälter für Rohteile: 80 % decken wir mit einer Kistengröße ab, für den Rest gibt es Speziallösungen. Die 80-20-Formel greift aber auch in allen anderen Bereichen. Sollten beispielsweise nicht standardisierte Prozesse mehr als 20 % der Gesamtzeit der Arbeitsvorbereitung in Anspruch nehmen, wird ebenfalls nach Optimierungsmöglichkeiten Ausschau gehalten.

Bei Maschinenraumsimulationen wird auf hinterlegte Schnittdaten und digitale Abbilder der Werkzeuge zurückgegriffen.

Bei Maschinenraumsimulationen wird auf hinterlegte Schnittdaten und digitale Abbilder der Werkzeuge zurückgegriffen.

Was betrachten Sie als den größten Nutzen digitalisierter Abläufe?

Vor allem eine hohe Transparenz. Wir wissen zu jeder Zeit, wo wir stehen, wo unsere Zeit-, Maschinen- und Personalressourcen gerade knapp werden, und wofür wir länger brauchten als geplant. Jeder zu fertigende Teil wird im System mit Soll-Zeiten hinterlegt. Das ist vor allem dann extrem wichtig, wenn Fremdleistungen einzuplanen sind. Denn dadurch können wir rechtzeitig auf eine eventuelle Verspätung reagieren.

Es wird bei uns auch jeder einzelne Bearbeitungsschritt mitprotokolliert. Wir wissen woher Teile kommen, wohin sie gehen, welcher Prüfklasse sie unterliegen, für welchen Auftrag welches Material bzw. welche Charge verwendet wurde, wer was wann an welcher Maschine gefertigt hat und vieles andere mehr. Generell versuchen wir, möglichst kurze Durchlaufzeiten zu erreichen. Dabei hilft uns ein Ressourcenplanungs-Tool im ERP-System.

Die Firma Haumberger realisierte einen durchgängigen Datenfluss zwischen der Werkzeugverwaltung und der Arbeitsvorbereitung.

Die Firma Haumberger realisierte einen durchgängigen Datenfluss zwischen der Werkzeugverwaltung und der Arbeitsvorbereitung.

Haben Sie anfangs einen Berater gehabt oder haben Sie das Thema Digitalisierung alleine in Angriff genommen?

Wir haben keinen Berater gehabt, aber wir sind das Ganze sehr vorsichtig angegangen. Das Wichtigste ist zu wissen, wohin man will: Was ist die Vision? Welche Anforderungen stellt der Markt? Was lässt sich finanziell stemmen und was macht wirklich Sinn, denn man kann sich natürlich auch „zu Tode digitalisieren“. Es geht also in erster Linie einmal darum, die vorherrschenden Rahmenbedingungen abzuchecken und zu überlegen, bis zu welchem Grad digitalisiert werden soll. Und dann fängt man Stück für Stück an, das Anvisierte umzusetzen.

Als Spezialist für kleine Losgrößen ist die Haumberger Fertigungstechnik GmbH bereits seit mehreren Jahren auf höchstmögliche Automatisierung, Digitalisierung und Vernetzung eingestellt.

Als Spezialist für kleine Losgrößen ist die Haumberger Fertigungstechnik GmbH bereits seit mehreren Jahren auf höchstmögliche Automatisierung, Digitalisierung und Vernetzung eingestellt.

Wie findet man die richtigen Technologien bzw. Lösungen für die eigenen Bedürfnisse?

Unser Glück war sicherlich, dass wir von Anfang an zu den richtigen Systemen gegriffen hatten. Im Vorfeld wurde von uns aber auch sehr intensiv verglichen und analysiert, was am besten zu unseren Anforderungen passt. Ich würde auf jeden Fall davon abraten, allzu schnell auf irgendetwas aufzuspringen, denn es gibt mittlerweile ein sehr breit gefächertes Angebot am Markt.

Außerdem gilt es bei der Lösungsauswahl stets im Auge zu behalten, welches Ziel mit den eigenen Digitalisierungsbestrebungen erreicht werden soll. Um ein späteres Nachrüsten zu vermeiden, haben wir beispielsweise bereits im Jahre 2015 bei der Investition in eine neue Maschine mitbedacht, wie eine möglichst einfache ERP-Anbindung und der Einsatz von RFID-Technologie umgesetzt werden könnte, obwohl beides zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht spruchreif war. Wir dachten also vier bis fünf Jahre voraus.

Ist eine wirtschaftliche Zerspanung ohne Automatisierung bzw. Digitalisierung zukünftig überhaupt noch möglich?

Ich denke nicht! Automatisierung ist mittlerweile allgegenwärtig. Hier stellt sich nur noch die Frage in welcher Ausprägung man automatisiert. Der Schritt zu einer Teilautomatisierung wurde bei uns bereits vor vielen Jahren gesetzt – durch den Einsatz von 5-Achs Simultan-Bearbeitungszentren mit Palettenbestückung, CAM-Programmierung und einem Produktionsplanungstool. Mittlerweile haben wir es geschafft, selbst für Losgröße 1 eine automatisierte Fertigung zu realisieren. Der Weg dorthin war nicht leicht, aber wir haben viel gelernt und uns auch von ersten Startschwierigkeiten nicht beirren lassen. Hier darf man halt nicht über seinen eigenen Stolz fallen, sondern muss gegebenenfalls ein paar Schritte zurück machen und einen neuen Anlauf wagen.

Welche Optimierungsmaßnahmen zeigten bei euch die meisten Auswirkungen?

Einer der größten Schritte war sicher die Vernetzung der Tool Management Solutions (TMS) von Zoller, mit der CAM-Software hyperMILL von Westcam und unserem Kleineteilelagersystem Logiboxx. Seither wissen wir ganz genau, wo sich unsere Werkzeuge befinden und in welchem Zustand diese sind. Ein weiterer Vorteil eines durchgängigen Datenflusses zwischen der Werkzeugverwaltung und der Arbeitsvorbereitung ist, dass wir nun bei Maschinenraumsimulationen auf hinterlegte Schnittdaten und digitale Abbilder – also die digitalen Zwillinge – unserer Werkzeuge zurückgreifen können.

Extrem geholfen hat uns außerdem die Investition in zwei 5-Achs-Bearbeitungszentren, die durch einen Roboter automatisiert mit Werkstücken beladen werden. Dadurch können wir auch mannlose Schichten nutzen und die Maschinenlaufzeiten deutlich nach oben bringen.

Herzlichen Dank für diese interessanten Einblicke!

Filtern

Suchbegriff

Unterkategorie

Firmen

Inhaltstyp

Firmentyp

Land