Produktionskosten abschmieren lassen

Die Minimalmengenschmierung bringt in der Serienproduktion entscheidene Vorteile: Die Minimalmengenschmierung (MMS) ist heute in der Serienproduktion eine ausgereifte Alternative zum konventionellen Kühlschmierverfahren. Sie senkt die Produktionskosten deutlich und schont die Umwelt. Der elsässische Produzent von Automatikgetrieben Punch Powerglide Strasbourg hat die beiden Schmierverfahren in einem praxisorientierten Feldversuch miteinander verglichen und dabei eine Einsparungsquote von bis zu 95 % bei den Schmierstoff kosten und bis zu 25 % bei den Energiekosten ermittelt. Bei Standzeiten und Kosten der Werkzeuge zeigten sich dabei keine wesentlichen Unterschiede.

Bei der Bearbietung kommen unter anderem Werkzeuge von Mapal zum Einsatz: Links: PKD-Aufbohrwerkzeug für die zentrale Bohrung. Rechts: PKD-Kombinationswerkzeug für das Fräsen der Flächen diverser Ölkanäle.

Bei der Bearbietung kommen unter anderem Werkzeuge von Mapal zum Einsatz: Links: PKD-Aufbohrwerkzeug für die zentrale Bohrung. Rechts: PKD-Kombinationswerkzeug für das Fräsen der Flächen diverser Ölkanäle.

Punch Powerglide Strasbourg ist seit über 40 Jahren Hersteller von Automatikgetrieben für PKWs. Das Straßburger Werk ist für eine Jahresproduktion von 300.000 Getrieben ausgelegt und verfügt über eine eigene Gießerei. Dort werden Getriebegehäuse und Wandlerglocken für die eigene Produktion hergestellt. Aktuell fertigt das Unternehmen 6-Gang-Automatikgetriebe für Kunden wie BMW, GM und Tata. 2014 läuft die Produktion für das neue 8-Gang-Automatikgetriebe 8HP 50 von ZF an. Im Vorfeld hat Punch Powerglide die Minimalmengenschmierung im Hinblick auf ihre Eignung für den Einsatz in der Serienproduktion auf Herz und Nieren überprüft. „Ziel war es, eine Alternative für das von uns bisher eingesetzte Nassverfahren zu identifizieren, mit der sich Aluminiumgussteile effizienter, kostengünstiger und umweltfreundlicher herstellen lassen“, nennt der Werkzeugforscher und Prozessverantwortliche im Bereich Bearbeitung prismatischer Aluminiumteile bei Punch Powerglide, Richard Muller, als Motivation.

Das Einsparungspotential ist dabei angesichts der erheblichen Kosten, die jährlich für die Wartung und den Betrieb der zentralen Kühlmittelversorgungsanlage für 35 Maschinen aufgebracht werden müssen, enorm. Alleine der alle zehn Jahre erforderliche Austausch der 35 m³ Kühlmittel kostet inklusive Aufbereitung 100.000 Euro.

Richard Muller von Punch Powerglide, Thomas Faul (MAPAL) sowie Christian Schmidt (Produktspezialist MMS) konnten durch den Einsatz von MMS die Produtkivität der Bearbeitung enorm steigern. (v.l.n.r.)

Richard Muller von Punch Powerglide, Thomas Faul (MAPAL) sowie Christian Schmidt (Produktspezialist MMS) konnten durch den Einsatz von MMS die Produtkivität der Bearbeitung enorm steigern. (v.l.n.r.)

Test unter Produktionsbedingungen

Um belastbare Erkenntnisse über die Eignung für die Serienproduktion und die besonderen Anforderungen der MMS zu erhalten, ist Punch Powerglide an den Werkzeugspezialisten MAPAL herangetreten und hat ihn beauftragt, 250 Wandlerglocken (Converter Housings) in seinem Versuchs- und Entwicklungszentrum in Aalen unter realistischen Produktionsbedingungen unter Einsatz der MMS herzustellen. „Wichtig war uns dabei, dass dieser Test unter Produktionsbedingungen durchgeführt wird, die weitgehend denen bei uns entsprechen“, erläutert Richard Muller. Daher wurden die Teile mit demselben Prozessablauf und im Zweischichtbetrieb auf einem Ex-Cell-O-Bearbeitungszentrum mit einem zweikanaligen MMS-System von Bielomatik produziert. Die Entwicklung und Fertigung der auf den Prozess zugeschnittenen Vollhartmetall-Bohrer und PKD-Werkzeuge, sowie die Anpassung der Vorschübe für eine optimale Entwärmung des Werkstücks war Aufgabe von MAPAL. Die Spannvorrichtung, die CNC- und die Vermessungsprogramme sowie die Rohlinge wurden von Punch Powerglide beigestellt.

Als Testobjekt für den Feldversuch hat Richard Muller die Wandlerglocke des Automatikgetriebes 6L 50 aus AlSi9Cu gewählt, da deren Bearbeitung hohe Anforderungen an die Präzision stellt und ein großes Spektrum spanender Verfahren und Werkzeuge abdeckt: 25 verschiedene Werkzeuge kommen beim Bohren, Fräsen, Reiben und Gewindeschneiden zum Einsatz. Dabei sind Oberflächengüten mit einem Mittenrauwert Ra 1,0, Bohrungstoleranzen mit einem Grundtoleranzgrad IT6, und Ebenheiten mit maximal 10 μm Abweichung einzuhalten.

Produktionsstraße für die Fertigung der Wandlerglocke bei Punch Powerglide. Links im Bild die Maschine mit MMS-Technologie, rechts der Prozess mit Nasskühlung.

Produktionsstraße für die Fertigung der Wandlerglocke bei Punch Powerglide. Links im Bild die Maschine mit MMS-Technologie, rechts der Prozess mit Nasskühlung.

Pro Bauteil weniger als 1,0 ml Öl

„Der Versuch hat gezeigt, dass diese Anforderungen mit der MMS erfüllt werden können und dabei pro Bauteil weniger als 1,0 ml Öl verbraucht werden“, stellt Muller fest. Angesichts solch positiver Ergebnisse wurde der Prozess im Herbst 2010 auf ein Bearbeitungszentrum (BAZ) aus der Baureihe Urane der Firma Comau übertragen, die Punch Powerglide bis zu diesem Zeitpunkt genutzt hatte, um Wandlerglockenbauteile unter Zuhilfenahme eines konventionellen Kühlschmierverfahrens komplett zu bearbeiten.

Für die MMS-Bearbeitung musste die Anlage umgerüstet werden. Dafür wurde ein zweikanaliges MMS-System von Bielomatik und eine Absauganlage für Späne und Ölpartikel von Keller eingebaut sowie die Spannvorrichtung mit Edelstahlblechen versehen, die den Spänefluss besser kanalisieren. „Wir haben uns hier für ein zweikanaliges MMS-System entschieden, da wir so je nach Anforderung der Bearbeitungsoperation trocken, nur mit Luft oder mit Öl-Luftgemisch arbeiten und die jeweiligen Mengen effizient einstellen und kontrollieren können“, erklärt Richard Muller.

Reduktion der Energiekosten um 25 %
Einsparung der Emulsionskosten um 95 %

Testobjekt war eine Wandlerglocke, deren Bearbeitung hohe Anforderungen an die Präzision stellt und ein großes Spektrum an Verfahren und Werkzeugen abdeckt.

Reduktion der Energiekosten um 25 % Einsparung der Emulsionskosten um 95 % Testobjekt war eine Wandlerglocke, deren Bearbeitung hohe Anforderungen an die Präzision stellt und ein großes Spektrum an Verfahren und Werkzeugen abdeckt.

Rückgang der Schmierstoffkosten um fast 95 %

Unmittelbar neben diesem speziell für die MMS umgebauten BAZ steht ein weiteres, vergleichbares Comau-BAZ, auf dem die Wandlerglocken bis heute im konventionellen Nassverfahren hergestellt werden. Beste Voraussetzungen also für einen belastbaren direkten Vergleich zwischen den beiden Verfahren. Dieser fällt eindeutig pro MMS-Bearbeitung aus: Punch Powerglide verzeichnete einen Rückgang der Schmierstoffkosten um fast 95 %. Während beim Nassverfahren jeden Monat 333 Euro pro Maschine für das Kühlmittel aufgebracht werden müssen, reduzierten sich die Kosten nach der Umstellung auf die Minimalmengenschmierung auf 20 Euro pro Monat und Maschine. Darüber hinaus wurde ein Rückgang der Energiekosten um 20 bis 25 % festgestellt. „Durch den Wegfall der Hochdruckpumpe inklusive Nebenkosten sinken selbst bei Berücksichtigung des etwas gestiegenen Druckluftbedarfs aber nicht nur die Energiekosten, sondern auch der Investitionsbedarf“, freut sich Richard Muller. „Ganz zu schweigen davon, dass wir uns den Aufwand für den Tausch und die Aufbereitung des Kühlmittels bei Umstellung auf das MMS-Verfahren sparen können.“ Nicht zuletzt konnte auch die Taktzeit durch eine Erhöhung einiger Schnittwerte um 5 % gesteigert und der Wärmeaustrag über die Späne erhöht werden. Da die Späne sauber sind, lassen sie sich zudem ohne eine Vorbehandlung direkt wieder einschmelzen. In puncto Standzeiten und Kosten für die Werkzeuge hat der direkte Vergleich gezeigt, dass es bei beiden Verfahren keine großen Unterschiede gibt. „Alle Bohrer sind auch beim MMS-Verfahren Vollhartmetall-Bohrer ohne Beschichtung. Sie sind nur hochglanzpoliert, damit Späne schlechter anhaften“, ergänzt Richard Muller.

Der Werkzeugforscher und Prozessverantwortliche von Punch Powerglide verschweigt aber nicht, dass es bei der Einführung der neuen Technik auch einige Hürden zu nehmen gab: „Bei Stillständen von etwa zwei Tagen trat bei kleinen VHM-Bohrern und Gewindebohrern vermehrt Werkzeugbruch auf.“ Es stellte sich heraus, dass die Kühlkanäle durch Restöl verstopft waren. Gelöst wurde das Problem durch ein Aufwärmprogramm beim Start der Maschine, das jedes MMS-Werkzeug aufruft und mit Öl durchbläst.

Auch die Maschinenbediener profitieren

In einem eigenen Testlauf hat Richard Muller zudem bei einigen Bearbeitungsoperationen einen Einfluss der Rohteiletemperatur auf die Bearbeitungspräzision festgestellt: „Bei der Bearbeitung einer Tasche mit einem PKD-Zirkularfräser traten Probleme mit der Maßhaltung des Durchmessers auf.“ Punch Powerglide lässt seither die Rohteile erst eine gewisse Zeit in der Produktionshalle liegen, so dass die Streuung der Temperatur maximal 5 °C beträgt. Der Bearbeitungsprozess wurde entsprechend angepasst, so dass heute absolut maßhaltig gefertigt wird, mit dem Unterschied für den Maschinenbediener, dass bei konventionellem Kühlschmierverfahren das Werkstück nach dem Ausschleusen nass ist. Die auf der Maschine mit MMS gefertigten Teile sind dagegen trocken, nur einige Späne haften an. „Das bedeutet für den Bediener ein deutlich saubereres und attraktiveres Arbeitsumfeld, auch wenn das BAZ mit MMS etwas lauter ist, da der dämpfende Effekt des Kühlschmiermittels fehlt“, urteilt Richard Muller. „Die Bediener fragen daher bei jeder Gelegenheit nach, wann die nächsten Maschinen auf MMS umgerüstet werden.“

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