anwenderreportage

Teil 2: Vollautomatisiert Fertigteile ernten

Die STIWA Group konnte mit einem linearen Robotersystem von Hermle Teilekosten um 40 Prozent reduzieren: Das Wort Automatisierung verbinden viele noch immer mit der Herstellung mittlerer bis großer Serien. Dass dies jedoch nicht mehr zeitgemäß ist und eine durchdachte Automatisierung auch Einzelteile und Kleinserien mit enormen wirtschaftlichen Vorteilen herstellen lässt, beleuchten wir in einer zweiteiligen Serie über zwei österreichische Unternehmen, die sich in ihrer Branche Weltmarktführer nennen dürfen. Im ersten Teil (Anm.: erschienen in Ausgabe 5/Oktober 2012) stellten wir eine Lösung bei der EV Group (OÖ) vor, die Einzelteile vollautomatisiert ohne teure Paletten bzw. Nullpunktspannsyteme fertigt. Im nun folgenden zweiten Teil zeigen wir, wie eine lineare Verkettung von drei Bearbeitungszentren, die Teilekosten bei STIWA um 40 Prozent reduziert. Gemeinsamkeiten beider Lösungen gibt es, vor allem im Bezug auf den Projektpartner – in beiden Fällen die Berthold Hermle AG.

Dominik Pohn
Leitung Geschäftsbereich Zerspanungstechnik

„Wenn man in Europa konkurrenzfähig bleiben möchte, ist es dringend notwendig, die eigene Fertigung zu optimieren und durchdacht zu automatisieren. Wir haben dafür mit Hermle den richtigen Partner gefunden.“

Autor: Ing. Robert Fraunberger / x-technik

1972 von Walter Sticht als Ein-Mann-Betrieb gegründet, weist die oberösterreichische STIWA Group heute 40 Jahre Erfolgsgeschichte, 1.100 Mitarbeiter, fünf Werke an vier Standorten und eine Betriebsleistung von rund 120 Mio. Euro auf. Im Jahr 2011 übernahmen die Brüder Peter und Raphael Sticht gemeinsam die Geschäftsführung der STIWA Holding GmbH.

Neben dem Kerngeschäft der Hochleistungsautomation zählen die Produkt- und Softwareentwicklung für Fertigungsautomation, Zulieferproduktion von hochwertigen Metall- und Kunststoffbaugruppen, energieeffiziente Gebäudetechnik und Laborautomation zu den Geschäftsbereichen der Gruppe. 60 % vom Umsatz erzielt man dabei mit Automation, 30 % mit Zulieferproduktion und 10 % mit Engineering und Software.

Kernkompetenz Zerspanungstechnik

Die zerspanende Fertigung, mit Schwerpunkt Fräsen, Drehen und Erodieren ist eine Kernkompetenz der STIWA Group. „Im Jahr 2006 haben wir die Abteilung grundlegend umstrukturiert und neue Werkzeugtechnologien, ein neues CAM-System, einheitliche Spannsysteme, eine Maschinendatenerfassung und letztlich auch neue Werkzeugmaschinen – ausgelegt sowohl für die Produktion als auch für den Werkzeugbau – eingeführt“, berichtet Dominik Pohn, Leiter des Geschäftsbereichs Zerspanungstechnik. Aufgrund eines ausgezeichneten Preis- /Leistungsverhältnisses, hoher Service und Ersatzteilverfügbarkeit und eines durchgängigen Automatisierungskonzeptes hat sich STIWA vor gut fünf Jahren für die Berthold Hermle AG als Werkzeugmaschinenlieferant entschieden.

Seit damals fertigt man bei STIWA auf verschiedenen 5-Achs-Bearbeitungszentren des deutschen Werkzeugmaschinenherstellers, als Stand-Alone Version zur Herstellung von Prototypen und Einzelteilen bis hin zu Serienteilen für den Maschinenbau automatisiert mit einem 7-fach Palettenwechsler. Zur weiteren Erhöhung der Maschinenstunden und zur Nutzung mannloser Schichten trägt seit 2009 auch das HERMLE Robotersystem RS2 bei, die zwei C 30 U sowohl mit Einzelteilen für den Werkzeugbau (bemannte Schicht) als auch mit Serienteilen für den Maschinenbau (mannlos) bestückt. Die Spindellaufzeiten der Fertigungszelle liegen bei erstaunlichen 135 Stunden / Woche. Und das bei lediglich zwei bemannten Schichten. „Die RS 2-Zelle steht meistens nur am Sonntag“, stellt DI (FH) Markus Heftberger, verantwortlich für Technologieintegration im Zerspanungszentrum, fest. (Anm.: x-technik FERTIGUNGSTECHNIK berichtete über dieses Projekt bereits in der Ausgabe 5/Oktober 2009). Die gesamte mechanische Bearbeitung ist nun auch im neuen Werk in Gampern vereint.

Konkurrenzfähig bleiben

„Wenn man in Europa konkurrenzfähig bleiben möchte, ist es dringend notwendig, die eigene Fertigung zu optimieren und intelligent zu automatisieren“, so Dominik Pohn. Mit dem Thema Automatisierung meint er aber nicht den Abbau von Mitarbeitern, sondern die Erhöhung der Maschinenauslastung. „Es geht einfach darum, einen konkurrenzfähigen Maschinestundensatz zu erzielen und das ist speziell mit mannlosen Schichten möglich.“

Automatisierungslösungen von STIWA sind ausschließlich projektbezogen, deshalb hat man es in der Zerspanung zu drei Viertel der rund 200.000 Fertigungsstunden mit Losgröße 1 bis 2 zu tun – die meisten dieser Teile werden nie wieder gefertigt. Die restlichen Teilefamilien werden in Losgrößen von 50 bis 200 Stück – lediglich zwei Teile in Serien zu 2.000 Stück – hergestellt. Das Teilespektrum umfasst viele kleine, komplexe und hochgenaue Maschinebauteile bzw. Teile für den eigenen Werkzeugbau. Daher ist eine durchgängige Automatisierung keine einfache Aufgabe.

Neben den bereits erwähnten Lösungen hat man sich im letzten Jahr zu einer nochmaligen Erhöhung des Automatisierungsgrades und somit einer weiteren Steigerung der Produktivität entschlossen. Gemeinsam mit Hermle arbeitete man eine Hochleistungsautomationslösung aus, die diese speziellen Bedürfnisse abdeckt.

Hochleistungsautomation mit RS linear

Das entwickelte Automatisierungssystem – Robotersystem linear (RS linear) – besteht aus drei baugleichen Hermle 5-Achs-Bearbeitungszentren C 42 U mit je einem Werkzeugmagazin für 202 Werkzeuge, Spindeldrehzahlen bis 18.000 U/min und Eilgängen bis 60 m/min, die mit einem 6-Achs-Roboter von Kuka, der auf einer am Boden angebrachten siebten Achse die 180 Stück Palettenplätze (400 x 400 und 500 x 500 mm) des Regalsystems abfährt, bedient werden.

In der neuen Anlage werden Prototypen und vor allem Serienteile bzw. Teilefamilien von 10 (Vorserien) bis 200 Stück in einem eher flexiblen System (weil auftragsabhängig) hergestellt. Die durchschnittliche Laufzeit beträgt dabei 11 Minuten. Deshalb fährt am Roboter zusätzlich noch ein Tandem-Wagen mit, damit die Paletten zwischengeparkt und somit die Werkstückwechselzeiten nochmals reduziert werden können.

Be- und Entladen werden die Paletten über drei Rüstplätze, die zweischichtig mit zumeist zwei Mitarbeitern besetzt sind. „Jede Maschine ist darauf ausgelegt, dass wir rund 10 Stunden mannlos fertigen können. Somit erreichen wir sehr, sehr hohe Spindellaufzeiten“, erläutert DI (FH) Markus Heftberger und er ergänzt: „Die Teilekosten sind daher nochmals um 40 Prozent gesunken.“

Die RS linear bei STIWA ist weltweit einer der ersten installierten Anlagen dieser Art. „STIWA ist bei solchen Projekten auch Entwicklungspartner und aufgrund der Firmenphilosophie prädestiniert für Automation“, sagt Rudolf Fluch, Vertriebsingenieur bei der Berthold Hermle AG. Gewisse Hürden bei derart durchdachten Automatisierungsprojekten will er aber nicht verheimlichen. „Die Maschinenumfeldorganisation ist äußerst wichtig. Der Aufbau von Werkzeugdatenbanken, ein funktionierendes Leitsystem und die Anbindung an das PPS-System, die CAM-Programmierung, etc. – da sind viele organisatorische Dinge im Vorfeld nötig. Als Lieferant sind wir zwar unterstützend tätig. Bei diesem Projekt hatten wir das volle Engagement und Know-how der STIWA-Mitarbeiter. Das ist wichtig um solch komplexe Automatisierungsprojekte erfolgreich zu realisieren.“

Flexibilität und Produktivität

STIWA hat in der gesamten Fertigung auf allen Hermle-Maschinen die gleiche Ausgangsituation, was Spannmittel und Werkzeuge betrifft. „Dadurch steigt unsere Flexibilität enorm und wir können ohne zusätzlichen Aufwand von einer Prototypen-/Einzelteilmaschine auf eine Serienanlage wechseln“, so DI (FH) Markus Heftberger. Auch die modulare, gleiche Bauweise aller Hermle-Modelle bringt vor allem in puncto Service und Wartung klare Vorteile mit sich – STIWA beschäftigt drei eigene Servicetechniker, die die viele Probleme daher selber lösen können. Falls aber einmal ein Servicemitarbeiter von Hermle benötigt wird, erhält STIWA stets rasche Unterstützung.

Durchlaufzeiten verringert

„Vor dem Jahr 2006 und der begonnenen Umstellung haben wir 120.000 Maschinenstunden zugekauft. Heute haben wir diese Zahl – trotz anhaltendem Wachstum – auf 45.000 Maschinenstunden reduzieren können“, veranschaulicht Dominik Pohn. „Das ist sehr wichtig um die immer kürzer werdenden Durchlaufzeiten und Termine der STIWA-Projekte schaffen zu können.“

Und warum man diesen Weg mit Hermle als Maschinen- und Automatisierungspartner geht, ist für Dominik Pohn einfach erklärt: „Wir haben uns viele Hersteller und Konzepte angesehen. Hermle hat uns speziell mit der Durchgängigkeit von hochproduktiven Werkzeugmaschinen, intelligenten Automatisierungssystemen und funktionierenden Softwarelösungen überzeugt. Somit haben wir es nur mit einem Ansprechpartner zu tun.“

Zum Abschluss verrät er uns noch sein nächstes Projekt: „In drei Jahren möchten wir jeden Einzelteil mit nur einer Aufspannung fertig stellen, ohne diesen jedoch zuvor einfahren zu müssen.“ Wir freuen uns schon auf einen neuerlichen Besuch.

Rudolf Fluch
Vertriebsingenieur Berthold Hermle AG

„Bei Hermle bekommt der Kunde alles aus einer Hand – vom hochpräzisen und –dynamischen 5-Achs-Bearbeitungszentrum über die verschiedensten Automatisierungslösungen bis hin zu individuellen Software- und Steuerungsprogrammen.“

Infos zum Anwender

Die STIWA Group ist ein weltweit tätiges Unternehmen im Bereich Produkt- und Hochleistungsautomation mit rund 1.100 Mitarbeiter. Neben dem Kerngeschäft der Hochleistungsautomation zählen die Produkt- und Softwareentwicklung für Fertigungsautomation, Zulieferproduktion von hochwertigen Metall- und Kunststoffbaugruppen, energieeffiziente Gebäudetechnik und Laborautomation zu den Geschäftsbereichen der Gruppe.

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