anwenderreportage

Scharf, schärfer am schärfsten

CVD-Diamant überzeugt bei Boehlertit als bester Schneidstoff für Hartmetall: In der zweitgrößten Hartmetall-Formgebung in Europa, beim Hartmetallspezialisten Boehlerit im steiermärkischen Kapfenberg, werden Hartmetall-Grünlinge und Vorsinterteile mit Schneidwerkzeugen „spanend“ bearbeitet. Wie zerspant man aber einen Werkstoff, der selbst dazu dient, wegen seiner Härte und Zähigkeit, fast alle anderen Werkstoffe zu bearbeiten? Nun, nach eingehenden Versuchen und Serienerfahrungen haben sich Zerspanungswerkzeuge mit extrem scharfen und standfesten CVD-Diamantschneiden des Innsbrucker Herstellers TiroTool als technisch und wirtschaftlich mit Abstand beste Lösung ergeben. Autor: Hubert Winkler / Freier Redakteur

Monokristalline Diamant-Schneiden und CVD-Diamant-Schneiden haben gleichermaßen die höchste Härte aller Schneidstoffe – sogar noch vor dem Naturdiamanten, der je nach Qualität und Reinheit eine höhere Schwankungsbreite aufweist. Der Abstand zu den anderen Schneidstoffen ist erheblich.

Monokristalline Diamant-Schneiden und CVD-Diamant-Schneiden haben gleichermaßen die höchste Härte aller Schneidstoffe – sogar noch vor dem Naturdiamanten, der je nach Qualität und Reinheit eine höhere Schwankungsbreite aufweist. Der Abstand zu den anderen Schneidstoffen ist erheblich.

Infos zum Anwender

Boehlerit zählt zu den weltweit führenden Herstellern von Schneidstoffen aus Hartmetall für Werkzeuge zur Metall-, Holz- und Kunststoffbearbeitung und gilt als Entwicklungspionier seit 1932. Durch Investitionen von über 40 Mio EUR in den letzten 10 Jahren, einen F & E - Einsatz von ca. 5 % des Umsatzes und die optimale Nutzung von Synergien in der drittgrößten Werkzeuggruppe Europas, erzeugt Boehlerit mit modernsten Technologien hochqualitative innovative Produkte (darunter an führender Stelle Werkzeugsysteme für die Automotive Industrie und die Hüttentechnik) und erzielt damit weltweit mit ca. 750 Mitarbeitern (davon 500 am Standort Kapfenberg) einen Umsatz von ca. 112 Mio EUR.

Etwa 20.000 unterschiedliche Formteile aus etwa 40 verschiedenen Hartmetallsubstraten, von 0,5 Gramm bis 120 Kilogramm, von 1,0 mm bis 350 mm in der Diagonale werden nach kundenspezifischen Zeichnungen in Losgrößen von 1 bis 500 gesägt, gefräst und gedreht und gebohrt. Das Spektrum geht von Rohlingen für Präzisionswerkzeuge bis hin zu hochpräzisen Uhrengehäusen. Bekannte Beispiele sind auch „Tannenbaumfräser“ für Turbinenschaufeln oder Wälzfräser für Verzahnungen. Fast die Hälfte aller Fahrzeuggetrieberäder in Europa wird mit Wälzfräsern aus Rohlingen von Boehlerit bearbeitet. Weitere Beispiele sind Schnitt- und Stanzwerkzeuge, Formen für Betonziegel oder Werkzeuge zum Drahtziehen.

Bei den zentrumsbestückten CVD-D-„SpaceDrill“-Bohrern von TiroTool ist die komplette Schneide inklusive der Spitze aus Diamant.

Bei den zentrumsbestückten CVD-D-„SpaceDrill“-Bohrern von TiroTool ist die komplette Schneide inklusive der Spitze aus Diamant.

Staub statt Späne

Die große metallurgische Bandbreite von über 40 Hartmetallsorten erfordert hohe Bearbeitungsflexibilität bei der Fertigung von Teilen, Rohlingen und Halbfertigteilen. Um die nachträgliche Bearbeitung durch den Kunden möglichst gering zu halten, muss nahe an der Endkontur gearbeitet werden. Fertigbauteile bedingen eine hohe Präzision. Langjährige Erfahrung der Mitarbeiter ist nötig, um die geforderte dreidimensionale Endgenauigkeit der Hartmetallteile vor dem letzten Sinterprozess zu erzielen, ohne genau zu wissen, wie sich das jeweilige Teil beim letzten Sintern durch Schwund verändern wird. „Das ist wie Schach spielen. Sie müssen einige Züge vorausdenken und alle Einflussfaktoren berücksichtigen“, erklärt uns Franz Hiden, zuständig für die Produktion von Formteilen und Werkzeugen bei Boehlerit.

Etwa 250 Tonnen Hartmetall-Ausgangsmaterial werden pro Jahr in der Formgebung bei Boehlerit verarbeitet, daraus entstehen ziemlich genau 100 Tonnen Hartmetall-Fertigteile. 150 Tonnen Hartmetall lösen sich bei der „Zerspanung“ in Staub auf, der nachhaltig zu einhundert Prozent sortenrein wiederverwendet wird.

Gerhard Krösbacher, Geschäftsführer von TiroTool in Innsbruck (li) und Franz Hiden, zuständig für die Produktion der Hartmetall-Formteile bei Boehlerit: „Je mehr Diamant am Werkzeug, desto höher der Nutzen.“

Gerhard Krösbacher, Geschäftsführer von TiroTool in Innsbruck (li) und Franz Hiden, zuständig für die Produktion der Hartmetall-Formteile bei Boehlerit: „Je mehr Diamant am Werkzeug, desto höher der Nutzen.“

CVD-Diamant härter als Diamant

Die größte Volumenbearbeitung erfolgt durch Fräsen, Drehen und Bohren. Bisher wurde mit PKD-Werkzeugen gefräst und gedreht und mit diamantbeschichteten Bohrern gebohrt, was auch dem bisherigen Stand dieser Bearbeitungstechnologie entspricht. Allerdings hat PKD bestimmte Nachteile: seine Härte liegt nur etwa beim Doppelten von Hartmetall. Hohe Schneidenqualität und geringe Kantenverrundung, ebenso spezielle Schneidengeometrien sind durch Schleifen oder Erodieren nur begrenzt darstellbar. PKD ist ein Compositwerkstoff aus Diamantkörnern mit ca. 2,0 µm Durchmesser und größer mit Binderanteilen von über 10 Prozent und damit limitiert in der Wärmeleitfähigkeit. Diamantbeschichtungen sind ohne eine bestimmte Kantenverrundung nicht herstellbar.

Der große Vorteil von CVD-Diamantschneiden ist seine Härte und die scharfe Schneidkante mit nur etwa 2,0 µm Verrundung. Durch ihre Herstellung mittels Präzisionslaser kann man ganz spezielle anwendungsspezifische Schneidengeometrien fast uneingeschränkt gestalten. Zudem hat Diamant, CVD-Diamant ist zu 99,90 Prozent reiner Diamant, die höchste Wärmeleitfähigkeit aller Schneidstoffe. CVD-Diamant ist durch sein homogenes Gefüge in der Regel sogar härter als Naturdiamant, der je nach Qualität und vor allem Reinheit eine größere Schwankungsbreite aufweist. In seiner besten Ausprägung weist Naturdiamant die gleiche maximale Härte wie CVD oder MKD auf. Nach der Härtetabelle von Vickers ist CVD-Diamant viermal bis fünfmal härter als Hartmetall.

Ein kleiner Ausschnitt aus dem breiten Programm von 20.000 unterschiedlichen Hartmetall-Rohlingen, die in der Formgebung bei Boehlerit gefertigt werden.

Ein kleiner Ausschnitt aus dem breiten Programm von 20.000 unterschiedlichen Hartmetall-Rohlingen, die in der Formgebung bei Boehlerit gefertigt werden.

Hartmetall-Grünlinge – empfindlich wie rohe Eier

Hartmetall-Grünlinge sind in ihrer Festigkeit kreideähnlich. Gespannt werden sie daher mit großer Umschlingung durch die Spannmittel um die Flächenpressung so gering wie möglich zu halten. Der sensible Werkstoff benötigt hohes Spezialwissen und sensible Fingerspitzen. Die Geometrie des Werkstücks bestimmt dabei die Art seiner Bearbeitung. Oft muss wegen der nötigen Spannflächen mit Materialübereinsatz gearbeitet werden. Die Staubentwicklung ist enorm. Leistungsfähige Absauganlagen und Filter, extreme Abdichtung der Maschinenkomponenten, beste Abstreifertechnologie, Überdruck in den Steuerungsschränken und absolut öldichte Maschinen sind Grundvoraussetzungen. Der Transport, Handhabung und Messprozesse ähneln dem Umgang mit rohen Eiern. Die Teile sind vibrationsgefährdet und stoßempfindlich. Die „Schieblehre“ einmal falsch angesetzt, die Kante ist weg. Nötig sind Fachkenntnis und Feingefühl.

Eine schlanke Welle aus einem Hartmetall-Grünling mit kreideähnlicher Festigkeit wird auf einer Senkrecht-Drehmaschine mit zwei, das Werkstück gegenseitig abstützenden Schneiden bearbeitet.

Eine schlanke Welle aus einem Hartmetall-Grünling mit kreideähnlicher Festigkeit wird auf einer Senkrecht-Drehmaschine mit zwei, das Werkstück gegenseitig abstützenden Schneiden bearbeitet.

Ein Hartmetall-Vorsinterteil wird mit hoher Zustellung bei relativ hoher Schnittgeschwindigkeit abgedreht.

Ein Hartmetall-Vorsinterteil wird mit hoher Zustellung bei relativ hoher Schnittgeschwindigkeit abgedreht.

Die extrem scharfe CVD-Diamant-Schneide erlaubt wegen ihres geringen Schnittdrucks Zustellungen bis über 10 mm wenn die Bearbeitungssituation es zulässt.

Die extrem scharfe CVD-Diamant-Schneide erlaubt wegen ihres geringen Schnittdrucks Zustellungen bis über 10 mm wenn die Bearbeitungssituation es zulässt.

Kosten, Herstellbarkeit und Prozesssicherheit

Gefordert sind lange Standzeiten der Schneiden, gepaart mit Prozesssicherheit bei der Herstellung vieler unterschiedlicher Werkstück mit möglichst gleicher Schneide. Gefordert sind lange Standzeiten auch deswegen, da zunehmender Schneidenverschleiß durch steigenden Schnittdruck die kreideartigen Werkstücke bis zum Bruch belasten kann. Die Schneidenkosten beim Bearbeiten von Hartmetallrohlingen liegen etwa beim Zehnfachen der Bearbeitung von Stahl. 70 Prozent der Spantiefe bei der Bearbeitung von Metallen liegt unter 3,0 mm. Bei Hartmetall-Grünlingen liegt die Spantiefe in der Regel beim bis zu Fünffachen. Die maximale Schnittgeschwindigkeit und die Drehzahl werden bei rotationssymmetrischen Grünlingen und Vorsinterteilen vor allem durch die Geometrie der Wellenstruktur bestimmt. Für längere wellenförmige Grünlinge, die bei horizontaler Bearbeitung allein durch ihr Eigengewicht durchbrechen würden, wurde extra eine spezielle Vertikalmaschine mit niedrigen Drehzahlen entwickelt, wobei zwei gegenüberliegende Schneiden für Vor- und Fertigdrehen die Welle mit ihrer kreideähnlichen Festigkeit zusätzlich abstützen.

Durch die begrenzte Schneidkantenqualität von PKD (dieser Compositwerkstoff verschleißt ähnlich wie eine Hartmetallschneide) kommt es relativ schnell zu einer Kantenverrundung durch Verschleiß und in Folge zur Erhöhung des Schnittdrucks. Da der Hartmetall-Grünling und auch Vorsinterteile keinerlei Elastizität aufweisen und nur geringe Festigkeit besitzen, ist die Grenze der Bruchbelastung schnell erreicht. Die Bearbeitung mit PKD war aber bisher der Stand der Technik.

Eine so scharfe Schneide mit nur 2,0 µ Kantenverrundung und mit solcher homogener Schneidenqualität ist nur bei CVD-Diamantschneiden mittels Präzisionslaser möglich. Lediglich Natur- oder monokristalline Diamantschneiden sind noch schärfer – aber nicht in diesen Abmessungen und geometrischen Möglichkeiten.

Eine so scharfe Schneide mit nur 2,0 µ Kantenverrundung und mit solcher homogener Schneidenqualität ist nur bei CVD-Diamantschneiden mittels Präzisionslaser möglich. Lediglich Natur- oder monokristalline Diamantschneiden sind noch schärfer – aber nicht in diesen Abmessungen und geometrischen Möglichkeiten.

CVD-Diamant erreicht mehr als doppelte Standzeit

Im Gegensatz zu PKD-Schneiden haben die bei Boehlerit jetzt eingesetzten CVD-Diamantschneiden viele Vorteile: Franz Hiden teilt diese Vorteile in drei Gruppen ein: die fertigungstechnischen Vorteile, die Kostenvorteile und die neuen Möglichkeiten, die ihm durch den Einsatz von CVD-Diamantschneiden zugewachsen sind. „Wir waren anfangs sehr skeptisch, ob sich die hohen Kosten der CVD-Schneiden durch ihren Nutzeneffekt wirtschaftlich rechnen würden. Daher haben wir in mehreren Testreihen und in der Serie diese Schneiden besonders kritisch getestet. Wir wurden belohnt. Nach unseren eingehenden Erfahrungen hat sich die Standzeit gegenüber PKD mehr als verdoppelt. Wir registrieren einen erheblichen Rückgang beim Schnittdruck durch die Kantenstabilität der extrem scharfen Schneiden, infolge verbesserte sich auch die Prozesssicherheit erheblich, obwohl wir, wenn es das Werkstück zulässt, heute mit Zustelltiefen von über 10 mm arbeiten.“

Fräsen eines Richtsteines zur Drahtherstellung mit einem CVD-Diamant-Fräser mit hoher Zustelltiefe und Schnitttiefe.

Fräsen eines Richtsteines zur Drahtherstellung mit einem CVD-Diamant-Fräser mit hoher Zustelltiefe und Schnitttiefe.

Ein kleiner Ausschnitt aus dem Fräserprogramm von TiroTool. Nahezu jede kundenspezifische und Werkstoffoptimierte Variante ist möglich.

Ein kleiner Ausschnitt aus dem Fräserprogramm von TiroTool. Nahezu jede kundenspezifische und Werkstoffoptimierte Variante ist möglich.

Auch die CVD-Diamant-Fräser generieren all ihre Vorteile aus den extrem scharfen Schneiden mit hoher Kantenstabilität.

Auch die CVD-Diamant-Fräser generieren all ihre Vorteile aus den extrem scharfen Schneiden mit hoher Kantenstabilität.

CVD-Diamant erheblich wirtschaftlicher als PKD

Da Franz Hiden sich über die tatsächlichen Kosten aus Wettbewerbsgründen verständlicherweise ausschweigt, formuliert er das so: „Mit PKD-Schneiden plus viermaligem Nachschleifen berechnen wir einen Kostenfaktor von 100 Prozent. CVD-Diamantschneiden mit dreimaligem Nachlasern liegen bei 180 Prozent. Wenn wir nun aber die mehr als doppelte Standzeit berücksichtigen, kommen wir auf einen Kostenfaktor von unter 90 Prozent. Dabei haben wir die fertigungstechnischen Vorteile kostenmäßig noch gar nicht betrachtet. Wir erreichen Schnittdaten, die bisher nicht möglich waren und durch spezielle Anpassungen der Geometrie an die Grünlingsbearbeitung, steigerten wir den positiven Kosteneffekt um nochmals geschätzt mindestens 30 Prozent. Beim Spannen benötigen wir weniger Spannkraft und verringern dadurch mögliche Beschädigungen am Werkstück durch Spanndruck. Wir können jetzt auch wegen des geringen Schnittdrucks viel dünnwandigere Teile bearbeiten.“

Und er fährt fort: „Auch gegenüber den diamantbeschichteten Werkzeugen liegen alle Vorteile beim CVD-Diamanten. Wenn sie bei der Diamantbeschichtung von einer Schichtdicke von 8,0 µm ausgehen, die Kantenverrundung am Trägerwerkstoff von etwa 12 µm hinzurechnen, dann sind sie beim Vielfachen der Schneidkantenverrundung von CVD-Schneiden. Und runde Kanten reiben eben und drücken. Die Diamantplättchen an unseren CVD-Werkzeugen mit 0,8 mm Dicke entsprechen 800 µm gegenüber 8,0 µm Diamantschicht beim beschichteten Werkzeug. Spaßeshalber sage ich immer: Je mehr Diamant am Werkzeug, desto höher der Nutzen. Wie ich auch aus Nebenerfahrungen inzwischen weiß, ist der Schneidstoff CVD-Diamant bei Sonderwerkstoffen wie allen abrasiven Materialien, Faserverbundwerkstoffen, Keramik, technischen Grafiten und bei uns eben bei Hartmetall der wirtschaftlichste Schneidstoff.“

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