interview

Die Ceratizit Group ist Spezialist für Zerspanungswerkzeuge und Hartstofflösungen

Ceratizit entwickelt und produziert seit über 100 Jahren hochspezialisierte Zerspanungswerkzeuge, Wendeschneidplatten, Stäbe aus Hartstoffen und Verschleißteile. Wir sprachen mit Thierry Wolter, Vorstandsmitglied der Ceratizit Group, über die Herausforderungen der Pandemie, die Digitalisierung und über zukünftige Ziele.

Unser Kerngeschäft ist das Hartmetall und hier bieten wir mittlerweile Lösungen für alle Bereiche an, die ein Komplettanbieter aus unserer Sicht abdecken muss. 

Thierry Wolter, Vorstandsmitglied der Ceratizit Group

Unser Kerngeschäft ist das Hartmetall und hier bieten wir mittlerweile Lösungen für alle Bereiche an, die ein Komplettanbieter aus unserer Sicht abdecken muss. Thierry Wolter, Vorstandsmitglied der Ceratizit Group

Herr Wolter, welche Auswirkungen hat die Pandemie nach nun rund zwei Jahren für Ihr Unternehmen?

Einige Branchen leiden immer noch sehr unter der Pandemie und die Märkte sind nach wie vor nicht auf dem Stand, wo sie einmal waren. Auch wenn wir nicht direkt von Lieferkettenengpässen betroffen sind, merken wir indirekt doch, dass einige unserer Kunden damit zu kämpfen haben. Aber wie so oft gibt es auch in der Pandemie zwei Seiten der Medaille. Einerseits waren Kundenbesuche in den letzten zwei Jahren schwieriger als gewohnt, andererseits hat die Marke Ceratizit durch die Intensivierung der Marketingaktivitäten und den Ausbau der digitalen Vertriebswege an Bekanntheit und auch an Marktanteilen gewonnen. Des Weiteren haben wir die Zeit intensiv genutzt, um intern umzustrukturieren, Abläufe zu optimieren und die Kostenvorteile unseres Produktionsnetzwerkes besser auszunutzen. Kurzum: Wir haben uns für die Zeit nach der Pandemie fit gemacht und bestens aufgestellt.

Seit über 100 Jahren entwickelt und fertigt Ceratizit anspruchsvolle Hartstofflösungen für die Zerspanung und den Verschleißschutz – hier im Bild der Hauptsitz der Ceratizit Group in Mamer, Luxemburg.

Seit über 100 Jahren entwickelt und fertigt Ceratizit anspruchsvolle Hartstofflösungen für die Zerspanung und den Verschleißschutz – hier im Bild der Hauptsitz der Ceratizit Group in Mamer, Luxemburg.

Sie erwähnten den Zuwachs an Marktanteilen. Wo liegen Ihre Stärken in der Zerspanung?

Ganz grob gibt es drei Säulen, auf denen unser Erfolg aufbaut. Da wäre zum einen das umfassende Produktportfolio, welches vom Standard bis zur Sonderlösung alles abdeckt und beste Qualität mit innovativen Lösungen verbindet. Zweitens schätzen unsere Kunden die hohe Anwenderkompetenz und langjährige Erfahrung unserer Zerspanungsspezialisten, die mit persönlicher Beratung vor Ort und am Telefon stets mit Rat und Tat zur Seite stehen. Und drittens ist für unsere Kunden die 99%ige Verfügbarkeit unserer Katalogware ein wichtiges Thema. Dank unseres neuen Logistikzentrums in Kempten werden wir auch in Zukunft in der Lage sein, unser einzigartiges Lieferversprechen einzulösen und Waren, welche bis zum Abend bestellt werden, am nächsten Tag europaweit auszuliefern. In Summe könnte man sagen, dass wir unseren Kunden genau das anbieten, was sie für jegliche Problemstellung und Herausforderung rund um die Zerspanung benötigen.

Beladen eines Sinterofens: Beim Sintern wird aus dem Grünling durch Wärmebehandlung bei 1.500° C ein homogener und dichter Körper aus Hartmetall.

Beladen eines Sinterofens: Beim Sintern wird aus dem Grünling durch Wärmebehandlung bei 1.500° C ein homogener und dichter Körper aus Hartmetall.

Entwickeln die vier unter dem Dach der Gruppe zusammengefassten Produktmarken für sich oder gibt’s hier auch Synergien im Bereich Forschung und Entwicklung?

Unsere Produktmarken CERATIZIT, KOMET, WNT und KLENK waren schon einzeln sehr stark, in der Summe allerdings sind sie aus meiner Sicht unschlagbar. Ein Ziel unserer letzten Restrukturierung war z. B. der möglichst optimale Einsatz von Ressourcen auf allen Ebenen. Dies beinhaltet auch einen regen gruppenweiten Austausch beim Thema Forschung und Entwicklung. Die Zeit der Alleingänge gehört der Vergangenheit an.

Der Einsatz eines Zerspanungswerkzeuges mit optimaler Beschichtung kann eine entscheidende Rolle spielen und maßgeblich zu einem besseren Bearbeitungsergebnis beitragen.

Der Einsatz eines Zerspanungswerkzeuges mit optimaler Beschichtung kann eine entscheidende Rolle spielen und maßgeblich zu einem besseren Bearbeitungsergebnis beitragen.

Die Ceratizit-Gruppe baut ihr Portfolio entlang der Wertschöpfungskette ständig weiter aus und ist eines der am schnellsten wachsenden Unternehmen in der Werkzeugbranche. Plant die Unternehmensgruppe weiter Zukäufe und wenn ja, welche?

Im Prinzip decken wir heute die gesamte Wertschöpfungskette und alle wichtigen Anwendungsbereiche ab, auch wenn es immer gewisse Nischen gibt, die man noch nicht selbst im Portfolio hat. Die letzten Jahre waren in gewisser Weise ein ständiger Wechsel von Akquisitionen, Umstrukturierungen, Integrationen der gekauften Unternehmen und Stabilisierungsphasen. Gerade erst haben wir die noch ausstehenden Anteile am Unternehmen Stadler Metalle erworben, welches nun zu 100 Prozent zur Gruppe gehört. Nicht zuletzt mit Blick auf unsere Wachstumspläne wird es auch in den nächsten Jahren weitere Übernahmen geben. Unser Ziel ist, in den nächsten fünf bis zehn Jahren die Nummer 3 der Branche zu werden. Das erfordert ganz klar auch Übernahmen, denn alleine durch organisches Wachstum wäre dieses Ziel nicht zu erreichen.

Ceratizit beherrscht die gesamte Prozesskette in der Herstellung von Hartmetall und Hartmetall-Komponenten, von der Aufbereitung des Pulvers bis hin zum Formen, Sintern, Endbearbeiten und zur Oberflächenbehandlung.

Ceratizit beherrscht die gesamte Prozesskette in der Herstellung von Hartmetall und Hartmetall-Komponenten, von der Aufbereitung des Pulvers bis hin zum Formen, Sintern, Endbearbeiten und zur Oberflächenbehandlung.

Stadler Metalle trägt als Wertstoffhändler nicht direkt zu ihrem Produktportfolio bei. Wie wichtig war diese Akquise für die mittel- und langfristige Strategie der Gruppe?

Sehr wichtig. Stadler ist in den vergangenen drei Jahren zu einem wichtigen Baustein unserer Rohstofflieferkette geworden und hat uns geholfen, unabhängig von Rohstoffen aus China und Krisenregionen zu werden. Während der Pandemie haben wir gesehen, wie schnell internationale Lieferketten zusammenbrechen können. Unsere Rohstoffe für die Herstellung von Wolfram- und Wolframkarbidpulvern stammen heute zu 83 Prozent aus dem Recycling und Stadler ist unser wichtigster Lieferant für Sekundärrohstoffe. Der Einsatz von Sekundärrohstoffen ist aber nicht nur für die Absicherung der Lieferkette entscheidend, sondern auch nachhaltig. Verglichen mit der Aufbereitung von Erz benötigt das Recycling von altem Hartmetall 75 Prozent weniger Energie und verringert die Auswirkungen des Bergbaus auf die Natur.

Der WTX – Micro erreicht auch in Mikro-Dimensionen die gewohnt hohe Bohrungsqualität bis 30xD.

Der WTX – Micro erreicht auch in Mikro-Dimensionen die gewohnt hohe Bohrungsqualität bis 30xD.

Würden Sie sagen, dass Sie heute schon ein Komplettanbieter sind, oder fehlt Ihnen noch das eine oder andere, um wirklich sagen zu können: Alles aus einer Hand?

Unser Kerngeschäft ist das Hartmetall und hier bieten wir mittlerweile Lösungen für alle Bereiche an, die ein Komplettanbieter aus unserer Sicht abdecken muss. Weitere Produkte wie beispielsweise Schraubstöcke, die für unsere Kunden wichtig sind, aber nicht zu unserem Kerngeschäft passen, ergänzen wir über unsere Partner.

Beim DirectCooling-System von Ceratizit kühlen und schmieren zwei gezielt auf die Schneide gerichtete Kühlkanäle.

Beim DirectCooling-System von Ceratizit kühlen und schmieren zwei gezielt auf die Schneide gerichtete Kühlkanäle.

Sie haben kürzlich eine Neuauflage des Ceratizit-Katalogs mit mehr als 65.000 Werkzeugen auf rund 2.000 Seiten Umfang präsentiert. Sehen wir hier das gesamte Produktportfolio der Gruppe?

In dem Ceratizit-Katalog sehen Sie alle Produkte für die Zerspanung, welche ab Lager verfügbar sind – es wird also das gesamte Produktportfolio der Gruppe abgebildet. Unsere leistungsfähigen Sonderlösungen wie z. B. additiv gefertigte Werkzeuge zur Bearbeitung der Statorbohrung in E-Motor-Gehäusen findet man allerdings nicht im Standardkatalog.

Die neuen Stahldrehsorten CTCP135-P, CTCP125-P und CTCP115-P sind speziell auf diesen Werkstoff hin zugeschnitten.

Die neuen Stahldrehsorten CTCP135-P, CTCP125-P und CTCP115-P sind speziell auf diesen Werkstoff hin zugeschnitten.

Sie waren Aussteller auf der EMO in Mailand. Ein Schwerpunkt war hier auch die Digitalisierung. Wie wichtig ist das Thema Digitalisierung für Ihr Unternehmen?

Die EMO war für uns eine willkommene Gelegenheit, nach eineinhalb Jahren Pandemie und ohne große Messen in dieser Zeit, endlich wieder in den persönlichen Kontakt mit unseren Kunden zu treten. Das Thema Digitalisierung spielt nicht nur im Vertrieb und in unserer Kommunikation mit den Kunden eine Schlüsselrolle, sondern vor allem auch bei den Produkten und Services. Sie darf aber kein Selbstzweck sein, denn letzten Endes müssen sich auch digitale Lösungen daran messen lassen, ob sie dem Kunden einen Vorteil bringen. Das ist für uns der Gradmesser. ToolScope ist für mich ein gutes Beispiel, wie sich durch den Einsatz einer digitalen Lösung Prozesssicherheit und Effizienz steigern lassen. Und mit der KI-gestützten Auswertung der mittels ToolScope gesammelten Prozessdaten steht die nächste Ebene der Prozessoptimierung bereits vor der Tür.

Bei den digitalen Vertriebswegen haben wir in den letzten zwei Jahren gesehen, wie wertvoll sie sind. Gleiches gilt für den Kundensupport über unsere LiveTechPro-App. Wenn es sehr schnell gehen muss oder Besuche aufgrund der Pandemie nur sehr eingeschränkt möglich sind, können unsere Techniker heute dank LiveTechPro mit Augen und Ohren beim Kunden sein, ohne den Schreibtisch zu verlassen. Wir sollten auch nicht vergessen, dass einige Innovationen erst durch die Digitalisierung der Zerspanung möglich wurden. Die Idee für FreeTurn-Werkzeuge und High Dynamic Turning hatten unsere Mitarbeiter schon vor Jahren, aber erst durch die zunehmende Digitalisierung des Ökosystems in der Zerspanung war es nun möglich, diese Revolution in der Drehbearbeitung Wirklichkeit werden zu lassen.

Sie feierten 2021 100 Jahre Ceratizit. Da kann man auch ein wenig stolz sein, wenn man zurückblickt, oder nicht?

Wenn man sieht, wie Paul Schwarzkopf und Nicolas Lanners angefangen haben und wo wir heute stehen, können wir auf jeden Fall stolz sein. Wir haben es als Unternehmen im Privatbesitz weltweit unter die Top 5 der Branche geschafft und mit zahlreichen Innovationen dazu beigetragen, die Branche dorthin zu bringen, wo sie heute ist. Ich möchte aber nicht nur zurückblicken, sondern freue mich schon jetzt auf die nächsten 100 Jahre. Mit seinen einzigartigen Eigenschaften ist Hartmetall nicht nur bis zum heutigen Tage ein unersetzlicher Werkstoff für die Zerspanung, sondern wird auch in Zukunft der Werkstoff für das Unternehmen sein.

Wie wichtig ist der Standort Reutte in der Gruppe?

Reutte ist für Ceratizit als Geburtsstätte und Standort sehr wichtig und wird mit dem Neubau im Kreckelmoos weiter an Bedeutung gewinnen. Wir sind jedoch dezentral aufgestellt und mit den europäischen Standorten in Mamer, Balzheim und Besigheim sowie den Standorten in China, Indien und den USA sehr international ausgerichtet. Diese internationale Präsenz hilft uns letztlich auch bei der Stärkung unserer Arbeitgebermarke, um auch in Zeiten des Fachkräftemangels im Wettbewerb um Talente bestehen zu können.

Können Sie uns noch einen Ausblick in Richtung 2022 geben? Einerseits wirtschaftlich und andererseits technologisch? Was sind Ihre Ziele?

Wirtschaftlich sieht es aktuell gut aus. Die Pandemie kann uns allerdings noch immer einen Strich durch die Rechnung machen, weshalb es wichtig ist, dass wir uns in den letzten beiden Jahren für die Zukunft neu aufgestellt haben. Wir sollten aus der Krise lernen, dass der Kundenkontakt zwar weiter ein Hauptbestandteil des Geschäfts ist, viele Dinge heutzutage aber auch online funktionieren und in manchen Situationen sogar von Vorteil sind. Sei es der unkomplizierte Einkauf im Onlineshop oder die zeitnahe Remote-Unterstützung mittels unserer LiveTechPro-App – das sind Dinge, die auch nach der Pandemie bleiben werden und ihren Teil dazu beigetragen haben, dass wir in den letzten beiden Jahren Marktanteile gewinnen konnten. Ebenso müssen wir uns aber bewusst sein, dass es schwierig ist, komplexe digitale Produkte und Lösungen wie unser Überwachungs- und Regelungssystem ToolScope rein aus der Ferne an den Kunden zu bringen. Hierfür ist der Besuch vor Ort auch in Zukunft essenziell.

Technisch wird es wieder einige spannende Neuerungen geben. Bereits seit Januar erhältlich sind unsere neuen Wendeschneidplatten für das Drehen von ISO-P-Stählen. Sie sind auf die enorme Bandbreite von ISO-P-Werkstoffen zugeschnitten und bieten neben bis zu 20 Prozent längeren Standzeiten auch eine Verschleißerkennung. Ebenfalls neu im Portfolio ist die um DirectCooling ergänzte Version des bewährten MaxiLock-S-Drehhalters, die den Kühlschmierstoff über zwei Düsen direkt an die Schneide lenkt.

Im Bereich der Mikrowerkzeuge haben wir mit der WTX – Micro-Serie seit Kurzem hochpräzise Mikro-Tieflochbohrer für Bohrungen bis 30xD im Portfolio, die für Durchmesser von 0,8 mm aufwärts erhältlich sind und eine hohe Prozesssicherheit bieten. Unser Team arbeitet aktuell an weiteren Produktinnovationen in diesem Bereich, die in den nächsten Monaten bereit sein werden. Zu guter Letzt erwartet uns im Laufe des Jahres ein neues High-Dynamic-Turning-Programmiertool zur Erzeugung von Bearbeitungswegen für dynamisches Schruppen und Schlichten. Damit werden unsere FreeTurn-Werkzeuge in Zukunft in jedem Dreh-/Fräszentrum funktionieren – und das unabhängig von der eingesetzten CAM-Software.

Danke für das Gespräch!

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