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Interview mit Horn-Geschäftsführer Matthias Rommel: Prozesse beherrschen, aber wie?
Die Paul Horn GmbH in Tübingen gehört zu den führenden Spezialisten für Präzisionswerkzeuge weltweit. Über 25.000 Standardprodukte, mehr als 150.000 Sonderlösungen und eine außergewöhnlich hohe Fertigungstiefe zeichnen das Familienunternehmen aus. Seit 2018 verantwortet Matthias Rommel als Geschäftsführer die Bereiche Produktion und Technik. Im Interview spricht er über die besondere Kultur eines Familienunternehmens, die Philosophie „Prozesse beherrschen“, die Bedeutung von Highend-Produktion mit Top-Fachkräften, technologische Innovationen wie den Supermini und die aktuellen Herausforderungen der Branche.
Matthias Rommel ist seit 2018 Geschäftsführer für Produktion und Technik bei der Paul Horn GmbH und ein Branchenkenner mit über 25 Jahren Erfahrung in führenden Positionen der Werkzeugindustrie.
Paul Horn im Überblick
Die Paul Horn GmbH mit Sitz in Tübingen ist einer der weltweit führenden Hersteller von Präzisionswerkzeugen für anspruchsvolle Zerspanungsoperationen. Seit der Gründung 1969 hat sich das Unternehmen als Familienbetrieb mit klaren Werten und hoher Innovationskraft etabliert. Heute ist Horn in über 70 Ländern präsent und beliefert Branchen wie Automobil, Chemie, Luft- und Raumfahrt, Medizintechnik sowie Werkzeug- und Formenbau.
(h3)Eckdaten:
• Gegründet: 1969 von Paul Horn
• Mitarbeitende: rund 950 in Tübingen (rd. 1.500 weltweit)
• Produkte: über 25.000 Standardwerkzeuge, mehr als 150.000 Sonderlösungen
• Kernkompetenzen: F&E, eigene Hartmetallfertigung, eigene Beschichtungstechnologie, eigene Fertigungstechnologien
• Besonderheit: Sonderwerkzeuge in nur fünf Tagen (Greenline)
• Philosophie: „Prozesse beherrschen“ – Präzision, Geschwindigkeit und Kundennähe
Herr Rommel, Sie sind seit 2018 Geschäftsführer für Produktion und Technik bei der Paul Horn GmbH. Wie sind Sie zu Horn gekommen?
Nach meinem dualen Studium des Maschinenbaus in Stuttgart startete ich meine berufliche Laufbahn in der Werkzeugbranche. Dort durchlief ich in über zwei Jahrzehnten nahezu alle Stationen – bis hin zur Geschäftsführung. Vor meinem Wechsel zu Horn verbrachte ich einige Jahre im Maschinenbau, um meinen Horizont zu erweitern und die Branche einmal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Der entscheidende Impuls zurück kam schließlich durch Gespräche mit Lothar und Markus Horn. Obwohl ich eigentlich dachte, die Werkzeugbranche hinter mir gelassen zu haben, hat mich die besondere Kultur dieses Familienunternehmens überzeugt. Horn war für mich immer präsent, nah an meinem Geburtsort und gleichzeitig anders als viele andere Firmen der Branche. Genau dieses Anderssein hat mich am Ende gereizt, den Weg hierher zu gehen.
Horn entwickelt Schleifmaschinen gemeinsam mit Partnern – perfekt abgestimmt auf die eigenen Präzisionswerkzeuge.
„Wir haben in Europa alle Voraussetzungen, weiterhin weltweit führend in der Fertigungstechnologie zu bleiben. Wir verfügen über das Wissen, die Menschen und die Technologien – die Frage ist nur, ob wir den Mut haben, sie konsequent einzusetzen. Wenn wir wollen, können wir.“
„Prozesse beherrschen“ ist ein Leitspruch von Horn. Was bedeutet das konkret?
Prozesse beherrschen ist ein Begriff, der in der Industrie oft verwendet wird. Für uns hat er jedoch eine sehr konkrete Bedeutung: Am Ende geht es immer zurück an die Schneide, die im direkten Kontakt mit dem Werkstück steht. Mit modernen Maschinen, intelligenter Software, leistungsfähigen Werkzeugen und motivierten Mitarbeitern sowie im engen Austausch mit unseren Kunden fragen wir uns: Was lässt sich aus diesem Gesamtpaket herausholen? Oft sind das komplexe Aufgaben, die Zeit und Entwicklungsarbeit erfordern und am Ende in maßgeschneiderten Sonderlösungen münden. Genau das ist Teil unserer DNA, denn wenn eine Aufgabe schwierig wird, ist sie für uns die richtige Herausforderung, die wir konsequent weiterentwickeln, industrialisieren und in eine verlässliche Lösung überführen.
Robert Fraunberger im Gespräch mit Matthias Rommel über die Philosophie, ‚Prozesse beherrschen‘ und die Innovationskraft der Paul Horn GmbH.
Horn ist ein Familienunternehmen in dritter Generation. Welche Rolle spielt das für die Strategie?
Eine sehr große. Der Unterschied zu Konzernen liegt auf der Hand: Familienunternehmen können langfristig und mutig investieren. Wir müssen keine Quartalszahlen bedienen, sondern können Technologien entwickeln, die sich vielleicht erst in zehn Jahren rechnen. Die Familie Horn war und ist in allen Generationen ein Innovationstreiber, und dieser Geist prägt uns bis heute. Mut, Zukunftsglaube und der Wille, Substanz aufzubauen – das macht Horn besonders.
Der Supermini steht für die DNA von Horn: hochpräzise Bearbeitungen in kleinsten Dimensionen. Der neue Supermini Typ 105 ist ein universelles Ausdrehwerkzeug mit gesinterter Spanformgeometrie.
„Präzisionswerkzeuge sind vielleicht nicht sichtbar wie ein Auto oder ein Flugzeug, aber sie sind die Basis für alles. Ohne unsere Werkzeuge gäbe es viele Produkte des täglichen Lebens nicht. Das treibt uns an – Präzision, Geschwindigkeit und absolute Kundenorientierung.“
Horn hat nahezu alle Fertigungsprozesse im eigenen Haus – vom Hartmetall bis zur Beschichtung. Warum geht man diesen aufwendigen Weg?
Das braucht Mut, eine klare Überzeugung – und auch den langen Atem. Wir entwickeln Schleifmaschinen gemeinsam mit Partnern, wir betreiben eigene Beschichtungsanlagen und speziell entwickelte, hochgenaue Messmaschinen, weil wir dadurch Dinge tun können, die sonst niemand beherrscht. Ja, das ist kapitalintensiv. Aber genau dieser Weg gibt uns die Möglichkeit, unabhängig zu bleiben, neue Technologien schneller umzusetzen und unseren Kunden echte Alleinstellungsmerkmale zu bieten. Am Ende entsteht daraus ein Vorsprung, der kaum kopierbar ist und uns nachhaltig wettbewerbsfähig macht.
Matthias Rommel gibt im Interview Einblicke in die Strategie, die Fertigungstiefe und die Zukunft der Paul Horn GmbH.
Diese Fertigungstiefe ist auch die Basis für Geschwindigkeit. Sonderwerkzeuge in fünf Tagen – Stichwort Greenline – ist eine Ansage. Wie funktioniert das?
Die Basis liegt in unserer Strategie. Wir halten bewusst Überkapazitäten vor – Maschinen, Rohlinge, Beschichtungsanlagen. Das kostet, macht uns aber extrem flexibel. Sobald der Kunde die Zeichnung freigegeben hat, können wir innerhalb weniger Tage liefern, in Ausnahmefällen sogar in zwei Tagen. Möglich ist das, weil wir alle wesentlichen Prozesse im Haus haben und eingespielte Abläufe über Jahre aufgebaut wurden. Diese Geschwindigkeit ist kein Zufall, sondern Teil unserer Philosophie: Wer Prozesse beherrscht, kann auch in kürzester Zeit die passende Lösung realisieren.
Eine wichtige Säule des Erfolges bildet bei Horn die Nachwuchsarbeit: Praxisnähe von Anfang an und Matthias Rommel „zeigt vor, wie´s geht“.
Kommen wir zu den Produkten. Der Supermini ist fast ein Synonym für Horn, oder?
Absolut. Der Supermini steht für die DNA von Horn: hochpräzise Bearbeitungen in kleinsten Dimensionen. Mit der neuen gesinterten Spanformgeometrie haben wir die Prozesssicherheit weiter gesteigert – gerade bei langspanenden Werkstoffen. Das zeigt, wie wir bestehende Lösungen ständig weiterentwickeln, um technologisch führend zu bleiben.
Videocast mit Matthias Rommel: Ein Blick hinter die Kulissen mit Strategie, Fertigungstiefe und die Zukunft der Paul Horn GmbH.
Welche Rolle spielt die Beschichtungstechnologie dabei?
Eine Schlüsselrolle. Die Leistungsfähigkeit von Schneidwerkzeugen hängt heute nicht nur von Hartmetall und Geometrie ab, sondern ganz entscheidend von der Beschichtung. Wir entwickeln eigene Schichten, die exakt auf unsere Produkte abgestimmt sind. Dabei geht es um Details wie Toleranzen im µm-Bereich, die auch nach dem Beschichten zuverlässig eingehalten werden müssen. Durch gezieltes Feintuning und anwendungsspezifische Anpassungen erhalten unsere Werkzeuge Eigenschaften, die Standardlösungen nicht bieten können. So sichern wir die hohe Standzeit, Prozesssicherheit und engste Toleranzen, die unsere Kunden erwarten.
Robert Fraunberger im Gespräch mit Matthias Rommel über die Philosophie, ‚Prozesse beherrschen‘ und die Innovationskraft der Paul Horn GmbH.
Horn ist nicht nur technologisch stark, sondern auch als Ausbildungsbetrieb.
Die Ausbildung ist für uns definitiv ein zentrales Thema. Jedes Jahr begrüßen wir rund 30 neue Azubis. Viele kennen uns bereits durch Praktika oder Technologietage. Wir bilden ausschließlich für den Eigenbedarf aus, vom Industriemechaniker bis zum Mechatroniker. So stellen wir sicher, dass unsere Fachkräfte von Beginn an mit der Kultur und den Anforderungen von Horn vertraut sind. Das ist ein Schlüssel für unsere Qualität.
Blicken wir auf die wirtschaftliche Lage: Die Branche steckt seit Jahren in schwierigen Zeiten. Wie geht es Horn aktuell?
Natürlich spüren auch wir die Auswirkungen der Rezession, die geopolitischen Unsicherheiten und die Folgen politischer Entscheidungen. Trotzdem stehen wir stabiler da als viele andere Unternehmen in der Branche. Entscheidend ist für uns, in dieser Phase nicht stehenzubleiben, sondern uns gezielt auf den nächsten Aufschwung vorzubereiten – und der wird kommen, auch wenn er sich verzögert. Wir verfügen über die richtigen Technologien, wir haben die Menschen mit der entsprechenden Kompetenz, und genau damit können wir auch in Zukunft weltweit Maßstäbe setzen.
Welche Märkte und Branchen sehen Sie mit den größten Chancen?
Medizintechnik, Luftfahrt und auch Defence entwickeln sich positiv. Die enormen Volumina aus dem klassischen Verbrenner lassen sich dadurch nicht eins zu eins ersetzen. Grundsätzlich klammere ich keine Branche aus, denn jede industrielle Entwicklung erzeugt Bedarf an Präzisionswerkzeugen. Besonders deutlich wird das in Märkten wie beispielsweise Indien: Sobald sich Gesellschaften weiterentwickeln, wächst automatisch die Nachfrage nach Technik. Deshalb bin ich überzeugt, dass Präzisionswerkzeuge weltweit auch künftig eine Schlüsselrolle spielen werden.
Zum Schluss ein Blick auf Sie persönlich. Wenn Sie heute auf Ihren Weg zurückschauen – was würden Sie Jungen Menschen raten?
Jungen Menschen rate ich, sich bewusst auf diese Branche einzulassen. Sie ist vielfältig, spannend und voller Möglichkeiten. Wenn ich zurückblicke, sehe ich, dass sich viele Themen über die Jahrzehnte wiederholen: Fachkräftemangel, Präzision, Geschwindigkeit – das war schon in den 1990er-Jahren aktuell und ist es heute noch. Der Unterschied ist, dass alles globaler, schneller und digitaler geworden ist. Wer sich aber darauf einlässt, entwickelt sich schnell zu einem echten ‚Werkzeugmenschen‘ – und das ist etwas ganz Besonderes. Denn auch wenn unser Name nicht auf einem Porsche oder Airbus steht, ohne unsere Werkzeuge gäbe es all diese Produkte nicht.
Und wenn Sie abschließend Horn in drei Worten beschreiben müssten?
Schnell, präzise, kundenorientiert. Und das nicht nur gesagt, sondern auch gelebt.








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