interview

Je genauer, desto besser

GGW Gruber feiert 70 Jahre Qualitätssicherung: Egal, ob es bei einer aktuellen Aufgabenstellung darauf ankommt, taktil, scannend und laseroptisch vorzugehen, ob das „µ“ berührungslos bestimmt werden soll oder ob für eine hochpräzise Messtechnik im Sub-µ-Bereich zu sorgen ist, und zwar fertigungsnah direkt an Ort und Stelle inmitten teilweise heftig vibrierender Maschinen: GGW Gruber gilt seit nunmehr 70 Jahren als hochkompetenter Ansprechpartner für knifflige Mess- und Prüftechnik-Belange. Wir sprachen mit KommR. Karl Wiefler und dem neuen Geschäftsführer Dip. Ing. Johannes Riha über die Geschichte und die Zukunft von GGW Gruber sowie über die neuesten Trends in der Qualitätssicherung. Das Interview führte Sandra Winter / x-technik

Früher wurde ein Werkstück fertig produziert und dann erst geprüft. Heute wandert diese Kontrollschleife immer weiter nach vorne im Herstellungsprozess.

KommR. Karl Wiefler, bis Ende 2016 Geschäftsführer bei GGW Gruber

Früher wurde ein Werkstück fertig produziert und dann erst geprüft. Heute wandert diese Kontrollschleife immer weiter nach vorne im Herstellungsprozess. KommR. Karl Wiefler, bis Ende 2016 Geschäftsführer bei GGW Gruber

Herr Wiefler, wenn Sie die letzten 70 Jahre Revue passieren lassen – woran erinnern Sie sich zuerst, was waren die einschneidendsten Erlebnisse?

Wiefler: Ich persönlich habe ja nur 43 Jahre live miterlebt. Das Unternehmen wurde 1946 von Gottfried Gruber und seiner Frau gegründet und im darauffolgenden Jahr ins Firmenbuch eingetragen. Ich selbst bin erst nach dem Tod von Herrn Gruber, im Jahre 1973, ins Unternehmen eingetreten. Als in der Silvesternacht des Jahres 1974 dann auch noch Frau Gruber völlig überraschend verstarb, habe ich das Unternehmen übernommen – ganz spontan, weil sonst niemand dafür infrage kam.

Damals wurde ich von heute auf morgen vor die Wahl gestellt: hopp oder dropp. Das war sicher das einschneidendste Erlebnis für mich. Nachdem ich keine Zeichnungsberechtigung für die Bank hatte, wurden sämtliche Konten gesperrt. Ich musste mich also zuallererst um die Finanzierung kümmern. Dabei griff mir einer unserer damaligen Lieferanten unter die Arme. Ein Schweizer, der mir ohne irgendwelche Sicherheiten oder Garantien mit den Worten „Karl, du musst das machen, damit das Unternehmen weiterhin bestehen bleibt“ einen relativ großen Geldbetrag lieh. Und dann versuchte ich schwimmen zu lernen.

Bisher brachte jede industrielle Revolution eine enorme Effizienzsteigerung mit sich, diese wird es wieder tun. Wir begegnen dem Industrie 4.0-Zeitalter mit maßgeschneiderten Lösungen für eine smarte bzw. vernetzte Fertigung.

Dip. Ing. Johannes Riha, seit Anfang 2017 Geschäftsführer bei GGW Gruber

Bisher brachte jede industrielle Revolution eine enorme Effizienzsteigerung mit sich, diese wird es wieder tun. Wir begegnen dem Industrie 4.0-Zeitalter mit maßgeschneiderten Lösungen für eine smarte bzw. vernetzte Fertigung. Dip. Ing. Johannes Riha, seit Anfang 2017 Geschäftsführer bei GGW Gruber

Und es hat bestens geklappt …

Wiefler: Ja! Ich handle sehr viel aus dem Bauch heraus und das Glück war dankenswerterweise meistens auf meiner Seite. Ich habe auch immer zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Personen kennengelernt. Was ursprünglich mit dem Vertrieb von vorwiegend Längenmesssystemen begonnen hatte, wurde im Laufe der Jahre sukzessive ausgebaut. Mit der Aufnahme beratungsintensiverer Produkte wie beispielsweise Konturoberflächen- oder Koordinatenmesssysteme in unser Sortiment entwickelten wir uns dann vom reinen Händler zunehmend zum Anbieter von Dienstleistungen rund um moderne Mess- und Prüftechnik.

Ein weiteres Highlight in unserer Firmengeschichte stellt die Gründung der ungarischen Tochterfirma 2001 dar. Im Vorjahr wurde diese Niederlassung mit einem neu errichteten Top-Labor ausgestattet, das seither für Mess-, Schulungs- und Demonstrationszwecke zur Verfügung steht.

Die Feierlichkeiten zu 70 Jahre GGW Gruber fanden in den Räumlichkeiten der Wiener Börse statt. Zu den Gratulanten von KommR. Karl Wiefler gehörte neben seinem Nachfolger Dip. Ing. Johannes Riha auch Uni.-Prof. Dr. Friedrich Bleicher.

Die Feierlichkeiten zu 70 Jahre GGW Gruber fanden in den Räumlichkeiten der Wiener Börse statt. Zu den Gratulanten von KommR. Karl Wiefler gehörte neben seinem Nachfolger Dip. Ing. Johannes Riha auch Uni.-Prof. Dr. Friedrich Bleicher.

Wer waren die ersten GGW Gruber-Kunden?

Wiefler: Zu den ersten Kunden zählten u. a. die Steyr-Daimler-Puch-Werke, die voestalpine, Böhler, Schoeller-Bleckmann oder die Firma ÖAF (Österreichische Automobil Fabriks-AG), die es damals in Wien gab. In der Automobil- sowie in der metallverarbeitenden Industrie finden sich auch heute noch viele unserer Stammkunden. Die größten Anlagen, die wir bisher liefern durften, landeten aber in der Flugzeugindustrie.

Was gilt bei Ihnen als „Spezialität des Hauses“?

Wiefler: Ich würde sagen: je genauer, desto lieber. Umso geringer die Toleranz, desto interessanter wird eine Messaufgabe für uns.

Riha: Eine weitere Spezialität des Hauses ist, dass wir alles aus einer Hand anbieten: Ein Kunde hat bei uns immer einen zentralen Ansprechpartner und eine einzige Telefonnummer für den gesamten Lebenszyklus seiner Anlage – egal, ob es um eine Messaufgabe, um den Verkauf oder die Übersiedlung seiner Messmaschine, um Schulung, Umbau, Reparatur, Kalibrierung, Retrofit, Update, Downgrade oder was auch immer geht.

Im Messlabor 1 im Wiener aspernIQ  bietet GGW Gruber angefangen von 3D-Messungen über Rauheits- und Formprüfung bis zur Computertomographie ein umfangreiches Dienstleistungspaket für die Qualitätssicherung an.

Im Messlabor 1 im Wiener aspernIQ bietet GGW Gruber angefangen von 3D-Messungen über Rauheits- und Formprüfung bis zur Computertomographie ein umfangreiches Dienstleistungspaket für die Qualitätssicherung an.

Welche messtechnische Herausforderung hält die Branche derzeit am meisten auf Trab?

Riha: Eine hochpräzise Messtechnik im Sub-µ-Bereich fertigungsnah zu gewährleisten. Es sind vor allem unterschiedlichste Vibrationen und Schwingungen am Boden sowie in der Luft, die ein Messen direkt an Ort und Stelle bei den Maschinen erschweren. Mittlerweile konnten wir dieses Problem zwar lösen, aber es stellte für uns doch eine erhebliche technische Herausforderung dar, als ein Kunde meinte, er wolle bei einem stark vibrierenden Bearbeitungszentrum inmitten eines ganzen Maschinenparks messen. Schließlich galt es dabei die Resonanzfrequenzen von mehreren hundert Einzelkomponenten aus unterschiedlichsten Materialien zu berücksichtigen.

Aber der allgemeine Trend geht nun einmal dahin, dass nicht mehr in einem separaten, konstant temperierten Messraum am anderen Ende der Fabrik, sondern direkt im Produktionsprozess gemessen wird. Man will mehr oder weniger ein Erzeugnis vom Band nehmen, mit einer entsprechenden Messeinrichtung verifizieren und gleich wieder einschleusen. Denn je früher und schneller gemessen wird, desto höher die Effizienzsteigerung für den Kunden.

Welche Entwicklungen bzw. Trends konnten Sie in den letzten Jahren sonst noch beobachten?

Wiefler: Ich bin 1970 in diese Branche eingetreten und konnte demzufolge auch den Wandel zu Industrie 3.0, sprich die zunehmende Elektrifizierung im Maschinenbau, live miterleben. Das war ebenfalls eine sehr spannende Zeit. Was sich sonst noch verändert hat: Die geduldeten Toleranzen wurden im Laufe der Jahre immer enger und es folgte der große Schritt von der analogen Anzeige hin zur Digitalisierung.

Stichwort Digitalisierung – inwieweit wird von den Kunden bereits jetzt eine smarte bzw. vernetzte Fertigung umgesetzt?

Riha: Das muss man kundenspezifisch betrachten. Es gibt Kunden und Partner, die bereits seit zehn Jahren machen, was in den Medien derzeit unter dem Schlagwort Industrie 4.0 heiß diskutiert wird – und das in einer Perfektion sowie auf einem Level, wo ich wirklich sagen muss: Hut ab! Andere wiederum stecken noch in den Kinderschuhen. Aber das ist natürlich alles eine Kosten-Nutzen-Rechnung zwischen was bringt es und was kostet es. Das muss jedes Unternehmen für sich selbst bewerten. Über kurz oder lang wird wohl kein Weg an dieser Entwicklung vorbeiführen, weil die zunehmende Vernetzung bzw. Digitalisierung enorme Vorteile u. a. bei der Fehleranalyse bringt. Bisher brachte jede industrielle Revolution eine enorme Effizienzsteigerung mit sich und diese wird es wieder tun. Und Effizienz bildet im Endeffekt ja auch die Grundlage für Wirtschaftswachstum.

Wie wird es mit GGW Gruber weitergehen? Zu Jahresbeginn erfolgte ja die Staffelübergabe an Sie, Herr Riha?

Riha: Nun, wir waren ein Familienbetrieb, wir sind ein Familienbetrieb und wir werden auch in Zukunft ein Familienbetrieb bleiben. Das ist ganz klar geregelt. Strategisch sind ebenfalls keine großen Veränderungen zu erwarten. Was wir aber auf jeden Fall weiter verbessern wollen, sind unsere Reaktionszeiten: Weil es dabei wieder um das Thema Effizienzsteigerung geht. Früher konnte ein Kunde sogar einen länger andauernden Produktionsstillstand akzeptieren, mittlerweile sprechen wir von maximal ein bis zwei Tagen Reaktionszeit und in Bälde werden wir innerhalb weniger Stunden zu agieren haben. Diesen gehobenen Ansprüchen wollen wir natürlich ebenfalls gerecht werden. Das ist das eine, auf der anderen Seite kooperieren wir im Rahmen eines Pilotprojekts mit einer EDV-Firma. Ziel ist es, mit vereinten Kräften Protokolle zu spezifizieren und umzusetzen, die unseren Kunden einen schnellen, automatisierten Datenaustausch erlauben – Stichwort Konnektivität. Last but not least wollen wir uns auch geographisch erweitern, zumal wir mit unserer ungarischen Niederlassung sehr gute Erfahrungen gemacht haben. Ganz konkret denken wir daran, unsere Augen und Arme in Richtung Südosten auszustrecken.

Herr Wiefler, welche Tipps haben Sie Ihrem Schwiegersohn und Nachfolger mit auf den Weg gegeben?

Wiefler: Johannes ist schon seit 2014 für GGW Gruber tätig und wir haben in den letzten Jahren sehr eng zusammengearbeitet. Als studierter Informatiker kann er genau das, was ich als „Maschinen-Mensch“ nicht beherrsche, was eine zunehmende Digitalisierung aber erfordert. Und da ich mit meinen nunmehr über 70 Jahren definitiv am – wie ich es gerne ausdrücke – oberen Ende meiner Jugendzeit angelangt bin, war es höchste Zeit zurückzutreten. Mein Tipp an ihn lautet: Immer daran zu denken, dass man sich meist zweimal trifft im Leben. Man sollte also niemals einen Kunden im Regen stehen lassen, sondern immer einen gemeinsamen Lösungsweg suchen.

GGW Gruber steht also für gelebte Kundennähe?

Wiefler: Ja, auf jeden Fall! Wir bauen dabei auf einen breit aufgestellten Außendienst und auf sehr, sehr gute Servicetechniker, die multiplizierend als Speerspitze für den Verkauf dienen.

Riha: Wir beschäftigen mehr Mitarbeiter im Außen- als im Innendienst, weil es wesentlich mehr bringt, wenn ein guter Servicetechniker die Maschine beim Kunden dermaßen tipptopp auslegt, dass dieser von sich aus sofort denkt „Wow, den brauch ich wieder!“ als wenn zig Visitenkarten verteilt werden.

Herr Wiefler, wie leicht bzw. schwer fällt es Ihnen, loszulassen?

Wiefler: Es wird mit dem Alter zunehmend leichter. Zudem bin ich mir sicher, dass mein Nachfolger die Firma GGW Gruber in eine gute Zukunft führen wird.

Herr Riha, für Sie Motivation genug?

Riha: Natürlich. Entscheidend für den nachhaltigen Erfolg eines Unternehmens ist vor allem das Fundament, auf dem man aufbauen kann. Und GGW Gruber ist untrennbar mit dem Namen Karl Wiefler verbunden: Er hat das Fundament für einen modernen, zukunftsfähigen Familienbetrieb geschaffen. Ich freue mich, dass er uns auch weiterhin als im Hintergrund tätige bzw. beratende „graue Eminenz“ erhalten bleiben wird.

Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch!

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