Digitalisierungsziel Effizienzsteigerung
Spezialmaschinenhersteller Fill produziert nichts, ohne zuvor davon einen vollständigen digitalen Zwilling anzufertigen und diesen auf Herz und Nieren zu testen. In der eigenen Fertigung umfasst die Digitalisierung die Simulation sämtlicher Bearbeitungen im 3D-Modell und eine umfassende MES-Vernetzung aller Produktionsmittel mit zentraler Daten- und Programmverwaltung. Aktuell erarbeitet Fill seine nächste Digitalisierungsstrategie. Das Unternehmen ist dabei, die Intralogistik auf neue Beine zu stellen und ein 3D-Simulationsmodell als digitalen Zwilling der gesamten Fertigung zu erstellen. Von Ing. Peter Kemptner / x-technik
Fill erzeugt hoch komplexe Maschinen und Anlagen wie diese Niederdruck-Gießanlage für die Automobilindustrie. Alle Bilder: Fill
Wolfgang Rathner
Geschäftsführer, Fill Gesellschaft m.b.H.
„Der digitale Zwilling, wie wir ihn unseren Kunden für unsere Produkte bereits seit vielen Jahren anbieten, kommt immer mehr auch in der eigenen Fertigung zum Einsatz. Aktuell arbeiten wir unter dem Titel Fill 2020+ an der Umsetzung unserer neuesten Digitalisierungsstrategie.“
„In den gut 50 Jahren unseres Bestehens haben wir uns zu einem weltweit führenden Hersteller von Sondermaschinen entwickelt“, sagt Wolfgang Rathner, Geschäftsführer der Fill Gesellschaft m.b.H. „Zu unseren Kunden gehören führende Unternehmen der Automobil-, Luftfahrt-, Energie-, Sportartikel- und Holzindustrie.“ Fill-Anlagen sind hoch komplex und oft Einzelanfertigungen. Eingesetzt werden sie auf allen Kontinenten. Da soll es nach der Installation keine bösen Überraschungen geben. Deshalb entsteht, lange bevor der erste Teil gefertigt wird, auf Basis der Konstruktionsdaten ein digitaler Zwilling in Form einer vollständigen 3D-Simulation.
Während Blechteile vom Schwesterunternehmen Elotec bezogen werden, erfolgt die Zerspanung komplexer Fräs- und Drehteile beinahe ausschließlich im Haus.
Wie das Produkt, so die Produktion
„Die vollständige Virtualisierung unserer Produkte in der 3D-Computersimulation bildet die Grundlage für die Digitalisierung unserer Produktion“, sagt Wolfgang Rathner. „Aus den Produktdaten entstehen unter anderem per CAM die Maschinenprogramme.“ Dabei führen die Fill-Fertigungstechniker auf Basis der Werkstück-, Maschinen- und Werkzeugdaten eine 3D-Simulation jeder zerspanenden Teilebearbeitung durch. Erst nach der hauptzeitparallelen Optimierung werden die Programme über die Anlagenvernetzung zu den Maschinen übertragen. Die durchgängige Erfassung aller Fertigungsmaschinen mit einem MES-System liefert auf Knopfdruck Informationen über den aktuellen Produktionsfortschritt.
Aktuell ist bei Fill ein digitaler Zwilling der gesamten Fertigung in Aufbau.
Daten und Programme im Griff
Daten, Programme und alle weiteren produktionsrelevanten Informationen werden auf Servern im Haus gehalten und mithilfe eines umfassenden Produktdatenmanagementsystems verwaltet. „Zur Zeit prüfen wir den Nutzen der Möglichkeiten, die uns Cloud-basierte Lösungen bieten würden“, berichtet Wolfgang Rathner. Die Daten für das Blechtechnik-Schwesterunternehmen Elotec legt Fill bereits heute auf einer B2B-Plattform in der Cloud ab. Dort holt Elotec die Daten zur Weiterverarbeitung in eigenen Prozessen ab. „Da wir wissen, dass diese Themen an Wichtigkeit zunehmen, haben wir kürzlich die hausinterne Softwaremannschaft weiter aufgestockt.“ Eine der Aufgaben der zusätzlichen Hochsprachentechniker ist die Schaffung von Apps, mit denen die Verantwortlichen ortsunabhängig z. B. Zustandsinformationen von Maschinen und Anlagen erhalten.
Fill 2020+
Ein weiterer Schritt zur Digitalisierung der Produktion ist die kürzlich begonnene Erstellung eines 3D-Modells der gesamten Produktion. „Das umfasst auch die Materialflüsse und geht daher weit über die Produktionsflächenplanung hinaus“, sagt Wolfgang Rathner. „Das ist Teil unserer nächsten Digitalisierungsstrategie unter dem Titel Fill 2020+, die wir aktuell erarbeiten.“
Ein Bereich, in dem Fill einen wesentlichen Digitalisierungsschritt unternimmt, ist die Teilelogistik. „Zusätzlich zu im Haus gefertigten Teilen werden alle Zulieferteile digital erfasst, zwischengelagert und just-in-time an die Weiterverarbeitung geliefert“, beschreibt Wolfgang Rathner. „Dazu errichten wir unter anderem ein Hochregallager und überlegen die Einführung fahrerloser Transportsysteme.“
In die neue Fill-Digitalisierungsstrategie fließt alles ein, was heute an Entwicklungen in diese Richtung absehbar ist. Unter anderem widmet sich ein zweijähriges Projekt Anwendungen der Augmented Reality, auch wenn deren Umsetzung derzeit wegen der ergonomischen Nachteile heutiger VR-Brillen noch Zukunftsmusik ist. „Wir stehen der Digitalisierung der Fertigung offen gegenüber, aber sie muss etwas bringen“, schließt Wolfgang Rathner. „Wir erhoffen uns dadurch in den kommenden drei Jahren eine Effizienzsteigerung in der Produktion von über 10 %.“
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