Siemens Digital Industries Software Willingshofer Weitzer Siemens: Vorhersehbares Werkstückverhalten dank physikbasierter Simulation

Mit Mechatronics Concept Designer, einer Lösung von Siemens PLM Software, überprüft und optimiert Willingshofer seine Konstruktionen am digitalen Zwilling. So schuf der Sondermaschinenbauer für Weitzer Parkett eine vollautomatische Linie zur Produktion der gesamten Palette an Fußbodenbrettern mit einem Ausstoß von bis zu 360 Stück pro Minute.

Parkettböden unterscheiden sich bei Material, Oberflächenstruktur und Brettgröße. Bild: Weitzer Parkett.

Parkettböden unterscheiden sich bei Material, Oberflächenstruktur und Brettgröße. Bild: Weitzer Parkett.

Wie am digitalen Zwilling in Mechatronics Concept Designer (links) vorhergesehen, …

Wie am digitalen Zwilling in Mechatronics Concept Designer (links) vorhergesehen, …

… werden bis zu 360 Bretter pro Minute zuverlässig separiert.

… werden bis zu 360 Bretter pro Minute zuverlässig separiert.

Vom Schmiedebetrieb zum Industrieanlagenbauer

Hauptgeschäft der Willingshofer GmbH ist die Herstellung schwerer kundenspezifischer Maschinen und Anlagen wie Förderanlagen, Industrieöfen, Hebe- und Drehvorrichtungen sowie allgemeiner Sondermaschinenbau. Das in einem abgelegenen Tal in der Steiermark im Südosten Österreichs gelegene, eigentümergeführte Familienunternehmen war 1908 als Schmiede gegründet worden. Seit den 1980er Jahren liegt der Fokus auf Industriekunden. Neben Konstruktion und Herstellung von Industrieanlagen ist Willingshofer auch als Lohnfertiger tätig.

Für die computergestützte Konstruktion (CAD) nutzen die Techniker bei Willingshofer Solid Edge® von Siemens PLM Software. Die umfassende und zugleich leicht erlernbare 3D CAD-Software wird seit 2010 eingesetzt. „Sie ersetzte sukzessive ein älteres Programm, das sehr gut eingeführt war, aber manche Schwächen aufwies“, sagt Johannes Huber, Techniker bei Willingshofer. „Mittels Solid Edge geschaffene und bearbeitete Modelle sind voll assoziativ und die Software hat weitreichende Kompatibilitäten zu anderen Systemen.“

Das ist auch bei der Programmerstellung für den heterogenen NC-Maschinenpark des Unternehmens von Vorteil. Mitarbeiter in der Produktion verwenden NX™ von Siemens für die computergestützte Fertigung (CAM). Auf Basis von 2D und 3D Daten aus Solid Edge und anderen CAD-Systemen erstellen und simulieren sie mit NX CAM die NC-Programme.

„Mit NX CAM importieren die Kollegen für die Lohnfertigung Modelle und Zeichnungen, die von Kunden in diversen Dateiformaten geliefert werden“, sagt Huber. „Durch die integrierte CAD-Funktionalität der Software führen sie die in der Fertigung oft benötigten kleineren Anpassungen ohne Hilfe der Konstruktionsabteilung selbst durch.“

Willingshofer nutzt außerdem die Software Mechatronics Concept Designer™, die ebenfalls Teil von NX ist. Mit deren einfach zu verwendenden Werkzeugen für Modellierung und Simulation können Anwender frühzeitig alternative kinematische Konzepte schnell erstellen und überprüfen. Die Willingshofer-Techniker prüften verschiedene Übergabemechanismen, ehe sie sich für das tatsächlich realisierte, rein ballistische Konzept entschieden.

Im Gegensatz zu anderen modellbasierten Softwarewerkzeugen ermöglicht der Mechatronics Concept Designer nicht nur die Konstruktion zu visualisieren, sondern auch deren physikalisches Funktionieren zu überprüfen.

Für das Werk Weiz des österreichischen Herstellers Weitzer Parkett schuf Willingshofer eine vollautomatische Linie für die Produktion der gesamten Palette an Parkett-Fußbodenbrettern mit einem Ausstoß von 360 Stück pro Minute.

Für das Werk Weiz des österreichischen Herstellers Weitzer Parkett schuf Willingshofer eine vollautomatische Linie für die Produktion der gesamten Palette an Parkett-Fußbodenbrettern mit einem Ausstoß von 360 Stück pro Minute.

Von groß und langsam zu schnell und komplex

Der Erfolg von Willingshofer gründet auf hoher Geschwindigkeit. Im eigentümergeführten Familienunternehmen sind die Entscheidungswege kurz und eine Fertigung von der Einzelteilzerspanung ab macht unabhängig von externen Lieferzeiten.

Als die Anfrage von Weitzer Parkett über eine vollautomatische Produktionsanlage für Parkettbodenbretter ins Haus flatterte, stellte die Geschwindigkeit jedoch eine Herausforderung für die erfahrenen Maschinenbauer dar. Die Anlage verarbeitet große Platten aus verschiedenen Holzarten und hochdichte Faserplatten (HDF). Nach dem Spachteln werden Bretter in 15 Größen von 370 x 100 mm bis 1.800 x 180 mm ausgesägt. Danach gehen diese zum Lackieren. Anschließend werden sie strukturiert und am Ende aufgestapelt.

Ausgelegt ist die Linie für die Produktion von bis zu 360 Brettern pro Minute. „Abhängig von der Größe der Bretter bewegen sich diese zwischen den Stationen mit 20 bis 100 m/min.“, sagt Huber. „Da herkömmliche Manipulatoren oder Roboter eindeutig zu langsam sind, mussten wir zum Ablenken oder Aufteilen des Materialflusses mit dem freien Fall arbeiten.“

Dabei beeinflussen Gravitations- und Fliehkräfte wesentlich das kinetische Verhalten der Bretter. Würde auch nur eines von 1.000 Brettern fehlgeleitet, würde das bei dem gegebenen Durchsatz mehr als 20 Fehler pro Stunde bedeuten. Das wäre inakzeptabel.

„Die erforderlichen Berechnungen lassen sich nicht mehr mittels Kopfrechnen oder Tabellenkalkulationen durchführen“, sagt Reinhard Pölzl, Techniker bei Willingshofer. „Deshalb suchten wir nach einem Softwaretool für das Überprüfen und Optimieren des zuverlässigen Funktionierens unserer Konstruktionen anhand eines digitalen Zwillings.“

Das war eine Herausforderung für sich, da klassische 2D-Simulationssoftware für den Materialfluss konzeptionell nicht für die Lösung von Problemen geeignet ist, die durch schnelle Materialbewegungen im dreidimensionalen Raum entstehen.

Mit Solid Edge schuf Willingshofer den digitalen Zwilling der Produktionslinie.

Mit Solid Edge schuf Willingshofer den digitalen Zwilling der Produktionslinie.

Physikbasierte Simulation sichert vorhersehbare Ergebnisse

Beim Besuch des Messestandes von ACAM Systemautomation GmbH (Lösungspartner von Siemens Industry Software) auf einer Automatisierungsfachmesse sah Willingshofer eine Vorführung der Software Mechatronics Concept Designer, die einen multidisziplinären Ansatz in der Maschinenentwicklung ermöglicht.

Die Willingshofer-Entwickler importierten Baugruppen aus Solid Edge in den Mechatronics Concept Designer. Sie vereinfachten die Modelle durch Verzicht auf überflüssige Details und reicherten sie mit physikalischen Eigenschaften der einzelnen Komponenten an. Zu diesen gehören Verbindungspunkte, Bewegungen, Kollisionsverhalten und Reibungskoeffizienten.

„Vordefinierte Werte in einer Wiederverwendungsbibliothek im Mechatronics Concept Designer erleichterten das Erstellen des digitalen Zwillings der Anlage“, sagt Pölzl. „Die Reibungskoeffizienten für das transportierte Holz als inhomogenes Naturmaterial mussten wir jedoch experimentell ermitteln.“

„Im Gegensatz zu anderen modellbasierten Tools ermöglicht es der Mechatronics Concept Designer, vor dem Bau eines Prototypen die Funktion einer Konstruktion zu überprüfen“, sagt Huber. „Wir haben tatsächlich Konstruktionen verworfen, die bei Unregelmäßigkeiten in vorgelagerten Prozessen nicht ausreichend prozesssicher gewesen wären.“

In der Förderanlage wird ein Materialfluss geteilt, bei dem sich die Bretter mit 20 bis 100 Metern pro Minute bewegen.

In der Förderanlage wird ein Materialfluss geteilt, bei dem sich die Bretter mit 20 bis 100 Metern pro Minute bewegen.

Da die Fördergeschwindigkeit für konventionelle Manipulatoren oder Roboter zu hoch ist, nutzten die Willingshofer-Techniker den freien Fall. Mit dem Mechatronics Concept Designer überprüften und optimierten sie die Konstruktion.

Da die Fördergeschwindigkeit für konventionelle Manipulatoren oder Roboter zu hoch ist, nutzten die Willingshofer-Techniker den freien Fall. Mit dem Mechatronics Concept Designer überprüften und optimierten sie die Konstruktion.

Schnelle Ergebnisse, hohe Anlagenleistung

Mit umfangreichen Tests an den digitalen Zwillingen kritischer Anlagenteile konnten die Entwickler die Konstruktion der Bodenbretter-Produktionslinie überprüfen. „Da der Mechatronics Concept Designer als Teil von NX die volle CAD-Funktionalität bietet, konnten wir mit der Software Anpassungen schnell durchführen und ausprobieren“, sagt Pölzl. „Erfolgreiche konstruktive Varianten lassen sich in Sekunden mit voller Assoziativität nach Solid Edge zurückführen.“

Die Software ermöglichte es, die Anlage in mehreren Schritten auf maximale Produktivität und Verfügbarkeit zu optimieren, ohne sie zuerst aufzubauen.

„Durch die Überprüfung aller Maße und Transportgeschwindigkeiten am digitalen Zwilling konnten wir Komponenten wie Motoren und Getriebe frühzeitig auswählen“, sagt Huber. „Durch frühe Bestellungen konnten wir die Komponenten zu günstigen Preisen einkaufen.“

Vor der Auslieferung führten die Willingshofer-Techniker an der Anlage im Haus umfangreiche Tests durch. Dabei zeigte sich, dass die Vorhersagen aus den Tests am digitalen Zwilling im Mechatronics Concept Designer sehr genau und nur minimale Anpassungen nötig waren. Das verkürzte wesentlich die Inbetriebnahmedauer. So konnte der Kunde leicht das Ziel erreichen, die gesamte Anlage innerhalb eines dreiwöchigen Produktionsstillstandes auszutauschen.

Für Willingshofer ist der wesentlichste Vorteil an der Verwendung von Mechatronics Concept Designer, die Entwicklungsziele auf Anhieb zu erreichen. „Ohne den Mechatronics Concept Designer wäre es uns nicht gelungen, vorhersagbare Ergebnisse zu liefern“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter Siegfried Willingshofer. „Zu wissen, dass wir keine bösen Überraschungen erleben würden, ließ unseren Kunden und uns besser schlafen.“

Willingshofer weiß, dass Kunden berechenbare Ergebnisse wollen. Besonders bei kundenspezifischen Projekten waren diese jedoch in der Vergangenheit nicht leicht zu erzielen. Er schließt: „Um für Diskussionen mit Kunden über Implementierungsdetails eine gemeinsame Grundlage zu schaffen, nutzen wir den Mechatronics Concept Designer nun bereits ab der Angebotsphase.“

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