anwenderreportage

Weingärtner Pick Up 400: Ein Engel als Geburtshelfer

Hochproduktive Schneckenbearbeitung mit Dreh-Fräszentrum: Ein größeres Kompliment kann man einem Werkzeugmaschinenhersteller nur schwerlich machen, als bei ihm eine Maschine anzufragen, die er noch gar nicht im Portfolio hat. Für die Engel Austria GmbH, Weltmarktführer in Sachen Spritzgussmaschinen, gab es jedenfalls keine großen Diskussionen darüber, wer ein Fertigungssystem aus zwei Dreh-/Fräszentren und einer Bandschleifmaschine für die Schneckenbearbeitung liefern sollte. Hauptsache, die Maschinen tragen das Logo Weingärtner. Von Helmut Angeli, Freier Redakteur

Die beiden Pick Up 400-3000 von Weingärtner bei Engel sind im 90°-Winkel angeordnet, so dass ein Mitarbeiter beide Maschinen bedienen kann.

Die beiden Pick Up 400-3000 von Weingärtner bei Engel sind im 90°-Winkel angeordnet, so dass ein Mitarbeiter beide Maschinen bedienen kann.

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Aufgabenstellung: Fertigung von Schnecken für Spritzgussautomaten.

Lösung: Fertigungssystem aus zwei Dreh-/Fräszentren Pick Up 400 und einer Bandschleifmaschine von Weingärtner.

Nutzen: Komplettbearbeitung in einer Aufspannung; hohe Genauigkeit; hohe Dynamik; hervorragendes Programmier- und Designwerkzeug.

Die Engel Austria GmbH ist fraglos einer der weltweit führenden Hersteller im Kunststoffmaschinenbau. Mit neun Produktionswerken in Europa, den USA und Asien erwirtschaftete das Familienunternehmen im letzten Geschäftsjahr trotz aller coronabedingten Turbulenzen einen Gruppenumsatz von rund 1,1 Milliarden Euro. Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, da die Kunststoffmaschinenindustrie traditionell mehr als andere Betriebsmittellieferanten von den Investitionszyklen der Automobilhersteller abhängig ist und aus diesem Bereich in den letzten beiden Jahren kaum Nachfrageimpulse zu vermelden waren.

Kein Wunder also, dass sich in der Umsatzverteilung nach Branchen deutliche Verschiebungen ergeben haben. Vor allem der Bereich Technical Moulding (Haushaltswaren, Sport, Spiel und Freizeit) und die Business Unit Medical haben im Vergleich deutlich zugelegt und sich als Wachstumsfelder erwiesen. Da in den letzten Monaten auch aus der Automobilbranche positive Signale kommen, rechnet das Engel-Management für das laufende Geschäftsjahr sogar mit einem Plus von bis zu 20 Prozent.

Auf der Pick Up 400 lassen sich alle Schneckendesigns in einer Aufspannung fertig bearbeiten.

Auf der Pick Up 400 lassen sich alle Schneckendesigns in einer Aufspannung fertig bearbeiten.

Dipl.-Ing. Günther Klammer
Vice President Plasticising Systems & Recycling bei Engel

„Die Features der Maschine – angefangen bei der Stabilität über die Präzision bis hin zur Verfügbarkeit – sind nur ein Merkmal für eine effiziente Bearbeitung. Ebenso wichtig ist die Möglichkeit einer zielführenden Programmierung. Wenn man beide Elemente betrachtet, dann hat Weingärtner damit in meinen Augen heute ein Alleinstellungsmerkmal.“

Technologische Herausforderungen

International tätige Hersteller von Spritzgussmaschinen stehen aber beileibe nicht nur vor betriebswirtschaftlichen Herausforderungen, sie werden auch mit immer neuen technologischen Aufgabenstellungen konfrontiert. Auch und vor allem, weil sich die Eigenschaften der verwendeten Kunststoffe ständig verändern. Das stellt nicht nur die Konstruktions- und Entwicklungsabteilungen vor neue Herausforderungen, sondern hat auch einen großen Einfluss auf die Produktion, vor allem im Umfeld der Schneckenfertigung.

„Auf unseren Maschinen werden technische Kunststoffe verarbeitet, die sehr oft mit Füllmaterialien wie beispielsweise Glasfasern angereichert sind und so ganz speziellen Anforderungen entsprechen. Dies hat entsprechende Auswirkungen auf die Auslegung der Schneckengeometrien – sie werden immer komplexer und spezifischer“, erläutert DIGünther Klammer, Vice President Plasticising Systems & Recycling im Engel-Großmaschinenwerk in St. Valentin, die Problemstellung. „Uns stehen heute für die rund 6.000 jährlich produzierten Schnecken um die 4.000 unterschiedlichen Geometrien zur Verfügung. Vor zehn Jahren sind wir mit einem Bruchteil davon zurechtgekommen.“

Ein Kuka-Knickarmroboter versorgt ein Zwischenmagazin mit vier Speicherplätzen aus einem externen Werkzeugmagazin mit 160 Plätzen.

Ein Kuka-Knickarmroboter versorgt ein Zwischenmagazin mit vier Speicherplätzen aus einem externen Werkzeugmagazin mit 160 Plätzen.

Spezifisches Bearbeitungszentrum konstruiert

Die zunehmende Variantenvielzahl hat dazu geführt, dass Engel in der Großschneckenfertigung das Wirbeln zugunsten des deutlich flexibleren Fräsens immer weiter zurückfährt. „Vor allem der hohe Umrüstaufwand beim Wirbeln forciert diesen Trend“, betont Gerhard Aigner, Produktionsleiter im Werk St. Valentin. Hinzu kamen die durchweg positiven Erfahrungen aus dem Einsatz einer Weingärtner mpmc 600 innerhalb der Schneckenfertigung, die die Vorteile der Bearbeitung mit einem Dreh-/Fräszentrum verdeutlichten. Auf ihr könnten theoretisch zwar auch Schnecken bis zu einem Minimaldurchmesser von 18 mm bearbeitet werden, aber zum einen ist die mpmc mit der Herstellung größerer Schnecken schon mehr als ausgelastet und zum anderen ist dieses Zentrum für kleine Durchmesser schlichtweg überdimensioniert.

„2015 wurden in einem gemeinsamen Projektteam die Eckdaten für eine spezielle Maschine für die Komplettbearbeitung von Schnecken bis zu einem Maximaldurchmesser 120 mm diskutiert und festgelegt“, erinnert sich Weingärtner-Verkaufsleiter Klaus Geissler. „Eine derartige Maschine gab es bis dato in unserem Portfolio nicht, Weingärtner stand bis dahin für Großmaschinen. Wir haben aufgrund dieses Pflichtenheftes dann ein spezifisches Bearbeitungszentrum konstruiert, denn mit bloßem Skalieren war es dabei nicht getan. Wir haben es hier mit ganz anderen Geschwindigkeits- und Dynamikbereichen als bei den größeren Zentren zu tun. Zudem galt es, die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Peripherie mit einzubeziehen. Das war die Geburt unserer Pick Up 400.“

Mit der Pick Up 400 können Schnecken bis zu einem maximalen Durchmesser von 120 mm und einer Länge von 3.000 mm bearbeitet werden.

Mit der Pick Up 400 können Schnecken bis zu einem maximalen Durchmesser von 120 mm und einer Länge von 3.000 mm bearbeitet werden.

Klaus Geissler
Verkaufsleiter der Weingärtner Maschinenbau GmbH

„Wir verstehen uns bei weitem nicht nur als Maschinenhersteller, sondern vielmehr als Lieferant kompletter Fertigungsprozesse, inklusive der Bearbeitungsanalyse, der Werkzeug- und Steuerungstechnik sowie der Software.

Hervorragendes Programmier- und Designwerkzeug

Dabei stellt sich die Frage: Warum suchten die Verantwortlichen bei Engel nicht bei anderen Maschinenherstellern, die bereits kleinere Maschinen für die Schneckenfertigung im Programm hatten, nach einer Lösung? „Da gibt es verschiedene Gründe: Zum einen das Vertrauen zu dem Unternehmen, das auf einer Vielzahl von gemeinsamen Projekten beruht. Vor allem aber bietet Weingärtner mit dem Programmiersystem WeinCad ein auf die Schneckenherstellung maßgeschneidertes Werkzeug, das eine ganze Reihe von zusätzlichen Möglichkeiten bietet, die mit anderen CAD/CAM-Systemen nicht oder nur sehr schwer zu realisieren sind“, erläutert Aigner.

Mit dem Softwarepaket WeinCAD lassen sich alle bekannten Schneckengeometrien programmieren. Neben der verfahrenstechnischen Entwicklung über die Geometrieauslegung bis hin zum automatisch generierten Programm für die Steuerung beherrscht WeinCAD auch die 3D-Simulation aller Bearbeitungsverfahren. „Bis heute ist kein CAD/CAM-System auf dem Markt, das Vergleichbares leistet“, betont Klaus Geissler.

Zum System gehört neben dem externen Werkzeugmagazin inklusive Roboter noch eine Bandpoliermaschine für die Feinbearbeitung.

Zum System gehört neben dem externen Werkzeugmagazin inklusive Roboter noch eine Bandpoliermaschine für die Feinbearbeitung.

Infos zum Anwender

Die Engel Austria GmbH ist einer der weltweit führenden Hersteller im Kunststoffmaschinenbau. Mit neun Produktionswerken in Europa, den USA und Asien erwirtschaftete das Familienunternehmen im letzten Geschäftsjahr einen Gruppenumsatz von rund 1,1 Milliarden Euro.

In einer Aufspannung

Interne Maßgabe bei Engel ist es, möglichst alle Komponenten in einer Aufspannung fertig bearbeitet von der Maschine zu bekommen. „Wir fertigen auftragsbezogen und damit sind die Losgrößen grundsätzlich kleiner und ohne eine maschinenseitige Flexibilität nähme der Umrüstaufwand einen Großteil der Bearbeitungszeit ein“, erklärt Aigner. „Bei den beiden Pick Up 400 entfällt das Umrüsten weitgehend, denn wir haben ein externes Werkzeugmagazin mit 160 Plätzen angegliedert.“ Ein adaptierter 6-Achs-Roboter versorgt daraus ein Zwischenmagazin, so dass immer die nächsten vier Werkzeuge zur Einwechslung in die Maschine vorgehalten werden.

Das Weingärtner Dreh-Fräszentrum der Baureihe Pick up 400-3000 ist speziell für die vollautomatische Fertigung von Schnecken für Spritzgussautomaten konzipiert. Auf ihr können Schnecken bis zu einem maximalen Durchmesser von 120 mm und einer Länge von 3.000 mm bei einem maximalen Werkstückgewicht von 1.200 kg bearbeitet werden. Dafür steht ein Fräsaggregat mit 45 kW und 275 Nm bei einer Nenndrehzahl von 1.560 min⁻¹ zur Verfügung. Als maximale Drehzahl wird 14.000 min⁻¹ angegeben, wobei all diese Werte bei 100 % Einschaltdauer, sprich kontinuierlichem S1-Betrieb gelten. Zudem ist mit der schon angesprochenen Roboterlösung eine komplette Automation vorgeschaltet, so dass die Anlage mannarm gefahren werden kann.

Erfolgreiche Zusammenarbeit (v.l.n.r.): DI Günther Klammer, Vice President Plasticising Systems & Recycling bei Engel, Klaus Geissler, Verkaufsleiter der Weingärtner Maschinenbau GmbH, und Gerhard Aigner, Produktionsleiter bei Engel im Werk St. Valentin.

Erfolgreiche Zusammenarbeit (v.l.n.r.): DI Günther Klammer, Vice President Plasticising Systems & Recycling bei Engel, Klaus Geissler, Verkaufsleiter der Weingärtner Maschinenbau GmbH, und Gerhard Aigner, Produktionsleiter bei Engel im Werk St. Valentin.

Als CNC ist eine Siemens Sinumerik 840D-SL adaptiert.

Als CNC ist eine Siemens Sinumerik 840D-SL adaptiert.

Lieferant kompletter Fertigungsprozesse

„Die Features der Maschine – angefangen bei der Stabilität über die Präzision bis hin zur Verfügbarkeit – sind nur ein Merkmal für eine effiziente Bearbeitung. Dazu kommt, dass wir hier von diesen Lieferanten auch noch eine Abstützung, sprich gesteuerte Lünetten, bekommen, die mit zum Besten gehören, was der Markt bietet. Ebenso wichtig aber ist die Möglichkeit einer zielführenden Programmierung. Wenn man beide Elemente betrachtet, dann hat Weingärtner damit in meinen Augen heute ein Alleinstellungsmerkmal“, fasst Klammer die Vorteile zusammen und Geissler ergänzt: „Wir verstehen uns bei weitem nicht nur als Maschinenhersteller, sondern vielmehr als Lieferant kompletter Fertigungsprozesse, inklusive der Bearbeitungsanalyse, der Werkzeug- und Steuerungstechnik sowie der Software.“

Dies bestätigt das installierte Fertigungssystem bei Engel eindrucksvoll. Fertigungssystem deshalb, weil dort zwei Pick Up 400-3000 im 90°-Winkel aufgestellt sind, so dass ein Mitarbeiter beide Maschinen bedienen kann. Zum System gehört neben dem externen Werkzeugmagazin inklusive Roboter noch eine Bandpoliermaschine für die Feinbearbeitung. Diese drei Weingärtner-Maschinen decken die gesamte Fertigung kleinerer Schnecken im Engel-Großmaschinenwerk St. Valentin ab. Auch diese Anlage wird – wie im Übrigen auch alle anderen Weingärtner-Installationen dort – von den Service-Verantwortlichen bei Engel als so genanntes Green-Team geführt. Was heißt, dass die Maschinen zum einen als hochproduktiv und zum anderen als absolut nicht störanfällig gelten. Auch das ist sicher ein Element, das zu Günther Klammers Einschätzung hinsichtlich Weingärtner beigetragen hat: „Für uns ist Weingärtner bei der Schneckenbearbeitung nahezu konkurrenzlos.“

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