anwenderreportage

Weingärtner pick up 400: Komplettbearbeitung von Extrusions- und Spritzgussschnecken

International tätige Hersteller von Spritzgussmaschinen müssen flexibel und gleichzeitig effizient fertigen. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Eigenschaften von Kunststoffen spielen beim Spritzgussverfahren die Aufbereitung und Verarbeitung des Materials – und damit die Plastifiziereinheit der Spritzgussmaschine – eine zentrale Rolle. Das stellt nicht nur die Konstruktions- und Entwicklungsabteilungen vor Herausforderungen, sondern hat auch einen großen Einfluss auf die Produktion. Bei der Arburg GmbH + Co KG hat man sich beispielsweise dazu entschlossen, bei der Schneckenherstellung die bisherige Technologie – das Wirbeln – zugunsten eines flexibleren Verfahrens abzulösen. Als Ideallösung entpuppte sich dabei ein spezifisch aufgerüstetes Dreh-Fräszentrum des österreichischen Spezialisten Weingärtner. Von Helmut Angeli, freier Redakteur

Das Weingärtner Dreh-Fräszentrum der Baureihe pick up 400 ist speziell für die vollautomatische Fertigung von Schnecken für Spritzgussautomaten konzipiert. Mit Automation und zusätzlichen Komponenten ist es rund 25 Meter lang.

Das Weingärtner Dreh-Fräszentrum der Baureihe pick up 400 ist speziell für die vollautomatische Fertigung von Schnecken für Spritzgussautomaten konzipiert. Mit Automation und zusätzlichen Komponenten ist es rund 25 Meter lang.

Shortcut

Aufgabenstellung: Neuausrichtung der Schneckenfertigung.

Lösung: Spezifisch aufgerüstetes Dreh-Fräszentrum der Baureihe pick up 400 inklusive Softwarepaket weinCAD von Weingärtner.

Nutzen: Größere Schneckenabmessungen bearbeiten; in einen größeren Durchmesser- und Längenbereich vorstoßen; hohe Flexibilität; Komplettbearbeitung.

Alleine die Anlieferung des neuen Dreh-Fräszentrums zum Werksgelände der Arburg GmbH + Co KG nach Loßburg (D) war beeindruckend: Mit einem Gewicht von rund 45 Tonnen und einer Länge von mehr als 20 Metern war alleine der Transport der Hauptkomponente, sprich des Maschinenbetts, eine logistische Herausforderung. Rechnet man noch die zwei zusätzlich nötigen Sondertransporte für die restlichen Anlagenteile dazu, entsteht eine tatsächlich imponierende Erscheinung. Bleibt die Frage, wer baut und liefert derartige Großmaschinen.

Bei Arburg sind sich die Verantwortlichen darüber einig, dass Fräsen die Zukunftstechnologie bei der Schneckenbearbeitung ist. (Bilder: Arburg)

Bei Arburg sind sich die Verantwortlichen darüber einig, dass Fräsen die Zukunftstechnologie bei der Schneckenbearbeitung ist. (Bilder: Arburg)

DI Stefan Holzer
Gruppenleiter Produktionsplanung und Prozessoptimierung bei Arburg

„Es gehört schon seit Jahrzehnten zur Arburg-DNA, möglichst alle Komponenten fertig bearbeitet von der Maschine zu bekommen. Das Weingärtner Dreh-Fräszentrum pick up 400 passt perfekt dazu.“

Spezialist für Komplettbearbeitung

Der oberösterreichische Großmaschinenspezialist Weingärtner gilt inzwischen gerade bei Herstellern von Spritzgussmaschinen als Problemlöser der Extraklasse. Das ist zum einem der Maschinenkonzeption zu verdanken, aber auch und vor allem dem spezifisch für die Schneckenfertigung entwickelten Softwarepaket weinCAD. Diese Kombination hat sich in vielen Bedarfsfällen weltweit als ein optimales Gesamtpaket in Sachen wirtschaftlicher Komplettbearbeitung von Extrusions- und Spritzgussschnecken durchgesetzt. Kein Wunder also, dass man auch bei Arburg die Lösungskompetenz des Kirchhamer Familienunternehmens aufmerksam beobachtete und bei der Neuausrichtung der Schneckenfertigung Kontakt aufnahm. Bis dahin wurden in Loßburg die benötigten Schnecken auf speziellen Wirbelmaschinen hergestellt. Die Verantwortlichen bei Arburg haben sich jedoch entschieden, künftig auf die flexiblere Frästechnologie zu setzen.

In die neue pick up-Baureihe sind spezifische Stärken der pick up-classic Baureihe wie beispielsweise das Spannkonzept mit Prismenbackenlünetten eingeflossen.

In die neue pick up-Baureihe sind spezifische Stärken der pick up-classic Baureihe wie beispielsweise das Spannkonzept mit Prismenbackenlünetten eingeflossen.

Alles für die Kuststoffverarbeitung

Arburg gehört weltweit zu den führenden Maschinenherstellern für die Kunststoffverarbeitung. Das Portfolio umfasst hydraulische, hybride und elektrische Spritzgussmaschinen mit Schließkräften zwischen 125 und 6.500 kN, das industrielle, additive Fertigungssystem freeformer, Robot-Systeme, kunden- und branchenspezifische Turnkey-Lösungen und weitere Peripherie.

Produziert wird ausschließlich im deutschen Stammwerk, das rund 180.000 m² Nutzfläche umfasst. Der Eigenfertigungsanteil liegt bei rund 60 Prozent. Bemerkenswert dabei ist, dass auch die gesamte Maschinensteuerung – sowohl die Hard-, als auch die Software – im eigenen Hause entwickelt und gebaut wird.

Trotz der relativ hohen Stückzahlen wird oft auch in Losgrößen 1 gefertigt, da die Spritzgussmaschinen modular aufgebaut sind und nach konkreten Kundenanforderungen konfiguriert werden. Und natürlich soll alles möglichst schnell lieferfertig sein, denn in der kunststoffverarbeitenden Industrie wird in aller Regel erst dann in zusätzliche Kapazitäten investiert, wenn dahinter ein konkreter Auftrag steht, der diese Kapazitäten auch auslastet. Für Arburg heißt das, es werden keine Maschinen auf Lager produziert, sondern die Produktion wird erst mit der Bestellung angeschoben. Eine durchaus anspruchsvolle Aufgabenstellung auch und vor allem für die spanende Fertigung.

Dem Dreh-/Fräszentrum ist eine komplette Automation vorgeschaltet, so dass die Anlage mannarm gefahren werden kann.

Dem Dreh-/Fräszentrum ist eine komplette Automation vorgeschaltet, so dass die Anlage mannarm gefahren werden kann.

Klaus Geissler
Vertriebsleiter der Weingärtner Maschinenbau GmbH

„Kein noch so modernes CAD/CAM-System leistet in der Schneckenfertigung vergleichbares wie unser eigenentwickeltes Softwarepaket weinCAD.“

Produktion just in time

„Es gehört schon seit Jahrzehnten zur Arburg-DNA, möglichst alle Komponenten fertig bearbeitet von der Maschine zu bekommen. Komplettbearbeitung ist dabei logischerweise das Maß aller Dinge“, unterstreicht DI Stefan Holzer, Gruppenleiter Produktionsplanung und Prozessoptimierung bei Arburg. „Bei der kubischen Bearbeitung und weiten Bereichen bei den rotationssymmetrischen Werkstücken wie Kolbenstangen, Zylinderrohren oder Plastifizierzylindern haben wir diese Forderung realisiert. Schwieriger war dies bei der Herstellung von Schnecken, weil wir hier weitgehend spezielle Wirbelmaschinen im Einsatz hatten.“ Wobei, wie Stefan Holzer weiter ausführt, die Wirbeltechnologie einen grundsätzlichen Nachteil mit sich bringt: „Das Wirbeln ist ganz klar eine Nischentechnologie. Es gibt nur sehr wenige Hersteller von Wirbelplatten und das führt zwangsläufig dazu, dass in diesem Bereich die Innovationsgeschwindigkeit, zum Beispiel im Vergleich zu den Herstellern von Fräswerkzeugen, deutlich langsamer ist.“

Wo immer möglich, werden bei Arburg nur Siemens-CNC-Steuerungen eingesetzt.

Wo immer möglich, werden bei Arburg nur Siemens-CNC-Steuerungen eingesetzt.

Hohe Anforderungen durch Extruderrohlinge

Gleichzeitig steigen aber die Anforderungen an die Förderschnecken ständig. „Auf unseren Maschinen werden in aller Regel hochtechnische Kunststoffe verarbeitet, die mit unterschiedlichen Füllmaterialien wie beispielsweise Glasfasern angereichert sind. Das Ergebnis sind immer neue Materialien, die alle enorme Anforderungen an die Plastifizierschnecken stellen. Gleichzeitig werden die Geometrien immer komplizierter und die Werkstoffe immer schwieriger zu zerspanen. Die Extruderrohlinge sind häufig gepanzert, beschichtet oder mit Stelliten besetzt. Mit anderen Worten: Alles, was einen Werkstoff hochabrasiv und hochkorrosionsfest macht, erschwert die Bearbeitung dieses Werkstoffes“, geht Holzer ins Detail.

Bei Arburg waren sich die Verantwortlichen schon vor Jahren darüber einig, dass die Zukunftstechnologie bei der Schneckenbearbeitung nur Fräsen heißen konnte. Vor allem auch deshalb, weil sich dadurch die Flexibilität der Fertigung deutlich erhöhen ließ. „Beim Einsatz einer Nischentechnologie sind wir in die ganze Technologieentwicklung, Beispiel Wirbelaggregate, stark involviert, beim Fräsen steht uns hier ein breites Feld von potenziellen Werkzeuganbietern zur Seite“, begründet Holzer.

Komplexe Turnkey-Anlagen von Arburg: Aus dem modularen Allrounder-Baukasten lässt sich für jeden Bedarf genau die richtige Spritzgusslösung individuell konfigurieren – von der einfachen Maschine bis zur kompletten Turnkey-Anlage.

Komplexe Turnkey-Anlagen von Arburg: Aus dem modularen Allrounder-Baukasten lässt sich für jeden Bedarf genau die richtige Spritzgusslösung individuell konfigurieren – von der einfachen Maschine bis zur kompletten Turnkey-Anlage.

Infos zum Anwender

Als Handwerksbetrieb für medizinische Geräte von Arthur Hehl im Jahr 1923 in Loßburg gegründet, gehört Arburg heute weltweit zu den führenden Maschinenherstellern für die Kunststoffverarbeitung. Das Portfolio umfasst hydraulische, hybride und elektrische Spritzgussmaschinen mit Schließkräften zwischen 125 und 6.500 kN, das industrielle, additive Fertigungssystem freeformer, Robot-Systeme, kunden- und branchenspezifische Turnkey-Lösungen und weitere Peripherie. Produziert wird ausschließlich im deutschen Stammwerk, das rund 180.000 m² Nutzfläche umfasst. Der Eigenfertigungsanteil liegt bei rund 60 Prozent. Exportanteil liegt bei 70 Prozent, der konsolidierte Umsatz (2019) bei rund 738 Millionen Euro. Weltweit beschäftigt Arburg derzeit um die 3.200 Mitarbeiter, davon 2.650 in Deutschland.

Maschinenbau inkl. Softwarepaket überzeugend

Demnach suchte man nach einem Maschinenhersteller, der in der Lage war, das umfangreiche (und mit vielen Neuerungen versehene) Pflichtenheft umzusetzen. Schnell schied sich dabei die Spreu vom Weizen und von den wenig Verbliebenen schälte sich mit Weingärtner sehr bald der geeignetste Lieferant heraus. „Wir haben uns sehr schnell von der hohen technischen Kompetenz bezüglich der Mechanik von Weingärtner überzeugen können. Neben den ganzen maschinenbautechnischen Pluspunkten hat uns dabei vor allem das integrierte Programmiertool absolut überzeugt. Damit können wir die unterschiedlichsten Konturen der Plastifizierschnecken mit nur wenigen Werkzeugen abdecken und müssen so werkzeugseitig nicht einen größeren Aufwand betreiben“, erklärt Holzer.

„Mit unserem selbst entwickelten Softwarepaket weinCAD lassen sich alle bekannten Schneckengeometrien programmieren, auch Schnecken bei denen ein zweiter Schneckengang mit Barrieresteg die Schmelze vom Restgranulat trennt. Bis heute ist kein noch so modernes CAD/CAM-System auf dem Markt, das Vergleichbares leistet. Neben der verfahrenstechnischen Entwicklung über die Geometrieauslegung bis hin zum automatisch generierten Programm für die Steuerung beherrscht weinCAD auch die 3D-Simulation aller Bearbeitungsverfahren“, unterstreicht Klaus Geissler, Vertriebsleiter der Weingärtner Maschinenbau GmbH.

Vor allem aber kam mit dem Dreh-Fräszentrum pick up 400 auch eine ganze Menge Zukunftssicherheit in die Arburg-Fertigung. „Mit der Weingärtner-Maschine können wir einen wesentlich umfangreicheren Bereich hinsichtlich der Schneckenabmessungen bearbeiten. Für uns bedeutet das auch ein gutes Stück Zukunftssicherheit. Wir können damit in einen größeren Durchmesser- und Längenbereich vorstoßen, gleichzeitig können wir unsere Fertigungsverfahren an die erweiterten Möglichkeiten moderner Maschinen anpassen. Wobei wir die mechanischen Eigenschaften der pick up noch bei Weitem nicht ausschöpfen, wir haben hier mehr als genug Reserven“, verdeutlicht Holzer.

Derzeit wird in Loßburg eine Weingärtner mpmc 400 aufgebaut, die August 2020 einsatzfähig sein wird.

Derzeit wird in Loßburg eine Weingärtner mpmc 400 aufgebaut, die August 2020 einsatzfähig sein wird.

Klarer Wettbewerbsvorteil

Derzeit gibt es noch ein breites Produktspektrum, das weiterhin über die Wirbeltechnologie abgedeckt wird. „Wir haben Hunderte unterschiedliche Plastifizierschnecken und sind derzeit immer noch damit beschäftigt, für einige davon Programme für die Fräsbearbeitung zu erstellen. So gesehen, befinden wir uns immer noch in der Anlaufphase“, erläutert der Gruppenleiter und ist sich trotzdem mehr als sicher, dass die Maschine mit all den gemeinsam entwickelten Features für Arburg schon jetzt ein klarer Wettbewerbsvorteil ist.

Das Weingärtner Dreh-Fräszentrum der Baureihe pick up 400 ist speziell für die vollautomatische Fertigung von Schnecken für Spritzgussautomaten konzipiert. Auf ihr können Schnecken bis zu einem maximalen Durchmesser von 160 mm und einer Länge von 6.000 mm (bei Arburg bis 4.700 mm) bei einem maximalen Werkstückgewicht von 1.200 kg bearbeitet werden. Dafür steht ein Fräsaggregat mit 45 kW und 275 Nm bei 1.560 min-1 zur Verfügung. Als maximale Drehzahl wird 14.000 min-1 angegeben, wobei all diese Werte bei 100 % Einschaltdauer, sprich kontinuierlichen S1 Betrieb, gelten.

Neben diesen durchaus beeindruckenden Leistungsdaten bietet die pick up 400 noch einige spezifische Feinheiten. So stehen zwei unabhängige Bearbeitungszellen zur Verfügung, so dass sich zwei Werkstücke gleichzeitig bearbeiten lassen. Vor allem aber ist eine komplette Automation vorgeschaltet, so dass die Anlage mannarm gefahren werden kann. Das Konzept der Anlage entwickelte sich auf Basis eines detaillierten Pflichtenheftes in einer ganzen Reihe von gemeinsamen Meetings der Projektteams von Arburg und Weingärtner. „In die neue pick up-Baureihe sind nicht nur die Stärken der pick up-classic Baureihe wie beispielsweise das Spannkonzept mit Prismenbackenlünetten eingeflossen, sondern auch leistungsverstärkende Elemente aus unseren mpmc-Dreh-Fräszentren“, betont Geissler.

Das Weingärtner-Bearbeitungszentrum ist mit Automation und zusätzlichen Komponenten rund 25 Meter lang und zur besseren Zugänglichkeit 60 Zentimeter in den Hallenboden eingelassen.

Das Weingärtner-Bearbeitungszentrum ist mit Automation und zusätzlichen Komponenten rund 25 Meter lang und zur besseren Zugänglichkeit 60 Zentimeter in den Hallenboden eingelassen.

Zwei sogenannte Boom-Trucks, die jeweils bis 65 Tonnen Gewicht heben und bewegen können, beim Positionieren der pick up 400.

Zwei sogenannte Boom-Trucks, die jeweils bis 65 Tonnen Gewicht heben und bewegen können, beim Positionieren der pick up 400.

Partnerschaft auf Augenhöhe

Wie sehr diese Lösung überzeugt, lässt sich nicht zuletzt anhand von Folgeinvestitionen in einen mpmc 400 sowie einer CNC-Bandpoliermaschine mit 3-fach Schleifkopf ablesen.„Mit dem Weingärtnerteam haben wir ausschließlich gute Erfahrungen gesammelt, wir haben immer eine tiefe Bereitschaft gespürt, unsere Vorstellungen in ein Maschinenkonzept umzusetzen. So wurde beispielsweise als Novum für Weingärtner ein Werkzeugschnittkraftsystem integriert. Vor allem aber hat uns die hohe technische Kompetenz der Mannschaft dort überzeugt und wir können heute sagen, dass sich unser damaliger Eindruck durch unsere Erfahrungen mit der pick up 400 absolut bestätigt hat“, resümiert Holzer abschließend.

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