anwenderreportage
Innovative Seilschaften
Wyssen setzt in der mechanischen Fertigung ausschließlich auf Haas-Maschine: Bergbewohner sind erfinderisch. Das müssen sie auch sein! Doch die Familie Wyssen im malerischen Kanton Bern in der Schweiz ist noch erfinderischer als andere. Vor 85 Jahren hat Jakob Wyssen einen Seilkran gebaut, der heute als Industriestandard zum Transport von Holz und zunehmend auch für den Brückenbau gilt. Drei Generationen später arbeiten seine drei Enkel mit CNC-Werkzeugmaschinen von Haas (ÖV: Wematech), um den Erfindungsreichtum der Familie fortzusetzen. Autor: Matt Baley / Freier Redakteur
Jürg Wyssen mit einem Laufwagen (Modell HY-2).
Jürg Wyssen
Technischer Leiter, Wyssen Seilbahnen AG.
„Seilkrane sind sehr umweltfreundlich – man muss keine Straßen bauen oder verbreitern.“
Mitte der 1920er Jahre hat Jakob Wyssen in den Bergen – in der Nähe seines Hauses in Reichenbach (CH), etwa zwei Stunden von Zürich entfernt – Land gekauft. Zu dem Land gehörte Holz. Eine Menge Holz! Wie die meisten damals, konnte auch er das geschlagene Holz nur von Hand den Berg herunter in sein Sägewerk transportieren, was eine sehr schwere und auch aufwändige Arbeit war. So erfand er 1928 den Seilkran, der aus einem einfachen Seil bestand, das vom Gipfel bis zum Fuß des Berges gespannt wurde. An das Seil hängte er einen Laufwagen, womit er das Holz durch die Luft zu Tal geführt hat.
Der erste Seilkran wurde noch manuell betrieben. Dafür zog man den Laufwagen zum Berggipfel, wo ein Haken herunter gelassen wurde. Die Holzlast fuhr dann mit Hilfe der Schwerkraft am Seil entlang nach unten. Die Nachricht von dieser simplen und doch effektiven Erfindung verbreitete sich schnell.
Teile wie dieser – eine Führungsnabe zur Bremsvorrichtung an der Seilwinde – werden bei Wyssen ausschließlich auf Haas Werkzeugmaschinen gefertigt.
Infos zum Anwender
Die Wyssen Seilbahnen AG ist seit fast einem Jahrhundert dafür bekannt, qualitativ hochstehende Komponenten von Seilkranen und Materialseilbahnen – z. B. Seilwinden, Laufwagen etc. – herzustellen.
www.wyssen.com
Auf Seilbahn gesetzt
1940 hat Wyssen dann sein Sägewerk stillgelegt und das Unternehmen Wyssen Seilbahnen gegründet, um seine ganze Zeit der Fertigung des Seilkrans zu widmen. Mehr als 70 Jahre danach befindet sich das Unternehmen noch immer in den Händen der Familie und wird von seinen drei Enkeln Jürg, Jakob (genannt Köbi) und Christian geführt. Zusammen mit den Brüdern arbeitet Sam Wyssen, ein Cousin.
Heute hat die Wyssen Seilbahnen AG insgesamt 36 Angestellte, davon vier Auszubildende. Das Unternehmen untergliedert sich in die beiden Geschäftsbereiche Seilbahnen und avalanche control zur kontrollierten Lawinenauslösung. Erstere werden an Kunden auf der ganzen Welt, vor allem an Behörden und Privatunternehmen der Holz- und Forstwirtschaft geliefert.
4. Achse im Einsatz: Das schwierigste und technisch anspruchsvollste Teil, das Wyssen auf den Haas Maschinen fertigt, ist die Seilstruppe, die eine komplizierte Geometrie und enge Toleranzen besitzt und aus hochfestem Stahl besteht. Sie wird auf der VF-4, in zwei Aufspannungen und mit der 4. Achse, gefräst.
Zwei unterschiedliche Geschäftsbereiche
„Seilkrane sind sehr umweltfreundlich”, betont Jürg Wyssen, Technischer Leiter. „Man muss keine Straßen bauen oder verbreitern, um das Holz vom Berg zu holen. Die Stützen haben eine sehr kleine Stellfläche und die Last, also das Holz, schwebt über dem Land und alle Hindernisse hinweg nach unten.“
Der Geschäftsbereich Wyssen avalanche control baut ein innovatives Produkt, das in wachsendem Maße zum Umsatz des Unternehmens beiträgt. Die Tochtergesellschaft wird vom jüngsten Bruder Christian und vom Cousin Sam geleitet. Zur Lawinenkontrolle nutzt das Wyssen-System große Stahlmasten, die überall – von der Heimatregion des Unternehmens bis in die Berggebiete Österreichs und Nordskandinaviens – auf lawinengefährdeten Berghängen aufgebaut werden.
Oben auf dem Mast thront ein runder Behälter, der an eine Tonne erinnert. Im Innern der Tonne befindet sich ein Magazin mit üblicherweise 12 Dynamit-Ladungen, die ferngesteuert zur Explosion gebracht werden und so kontrolliert Lawinen auslösen sollen. Wenn der Bediener den Knopf drückt, fällt die 5 kg schwere Ladung an einem Seil bis kurz über die Schneedecke herab, wo sie detoniert. Die Druckwelle verteilt sich über der Schneedecke und löst eine Lawine aus, ohne den darunter liegenden Fels zu beschädigen. „Traditionell werden Sprengungen zum kontrollierten Auslösen von Lawinen vom Hubschrauber aus oder per Hand am Boden durchgeführt“, erläutert Jürg Wyssen. „Die erste Methode ist teuer und die zweite natürlich gefährlich. Das Wyssen-System ist nicht auf gutes Wetter angewiesen, so dass die Lawine zum besten Zeitpunkt – nach einem schweren Schneefall – ausgelöst werden kann, noch bevor die Skifahrer, Wanderer oder Kletterer wieder in das Gebiet zurückkehren.“ Wyssen verkauft das System an Behörden und private Ski-Resorts auf der ganzen Welt.
Der Seilkran wird nicht nur für Holz und die Forstwirtschaft sondern zunehmend auch für Bauprojekte, darunter Wasserkraftwerke sowie große Bogen- und Hängebrücken, eingesetzt. Die Eingangshalle des Unternehmens ist voller Fotografien mit bekannten und weniger bekannten Brücken in der Bauphase. Dazu zählen die von Norman Foster konstruierte Millennium Bridge über die Themse im Londoner Stadtzentrum und die Storebælt-Brücke über den Großen Belt in Dänemark als eine der weltweit längsten Hängebrücken. „Manche Laufwagen sind mit einem Motor ausgestattet, um auch sehr schwere Lasten von bis zu 20 Tonnen zu heben“, sagt Jürg Wyssen. „Doch auf dem Weg nach unten übernimmt die Schwerkraft den Großteil der Arbeit. So spart man viel Energie.“
Alle Haas-Maschinen verwenden die gleiche Steuerung. Das schafft hohe Flexibilität und erfordert wenige Arbeitskräfte.
Viele Gründe für Haas
Seine erste Haas CNC-Werkzeugmaschine, genauer gesagt, ein gebrauchtes vertikales Bearbeitungszentrum VF-4, hat Wyssen vor ca. sieben Jahren gekauft. Ein Jahr danach wurden eine Super Mini-Mill und eine Fräsmaschine für den Werkzeug- und Vorrichtungsbau TM-1 angeschafft. Wieder ein Jahr später folgten ein CNC-Drehzentrum SL-20 und eine weitere Super MiniMill. Seit damals investiert das Unternehmen kontinuierlich in Haas und fertigt heute fast alle Teile für seine Seilkrananlagen und Lawinen-Systeme selbst. „Wir halten beinahe alle Teile auf Lager vor“, erklärt Jürg Wyssen, „selbst für Anlagen, die vor 60 Jahren gebaut wurden. Die Produkte von Wyssen sind eben für die Ewigkeit gemacht."
„Die Getriebe beziehen wir von Zulieferern“, ergänzt er, „und auch einige spezielle Oberflächenbehandlungen wie das Eloxieren, das Schleifen, Vernickeln, Härten und Verchromen wird alles extern erledigt.“ Da aber jeder fertige Wyssen Seilkran aus etwa 1.000 Teilen besteht, bleibt für die Haas Werkzeugmaschinen noch jede Menge zu tun. „Bei Wyssen werden alle Teile mit SolidWorks konstuiert. Die Programme werden mit der CAM-Software Esprit erstellt und dann direkt in die Maschinen geladen. Ein Los besteht für gewöhnlich aus 30 Teilen, so dass kurze Rüstzeiten wichtig sind.“ Jürg Wyssen erklärt, dass er darum immer möglichst viele Teile in einer Aufspannung bearbeitet. „Der sofort einsatzbereite Drehtisch als 4. Achse war ein weiterer Grund, warum in Werkzeugmaschinen von Haas zu investieren. Dass Haas die 4. Achse selbst herstellt ist ein großer Vorteil. Das erleichtert das Einrichten der Maschine erheblich. Und es hat niemals ein Problem mit der Schnittstelle zwischen Maschine und Drehtisch gegeben.“
Der Ventilblock ist ein Produktionsteil vom Laufwagen.
Kein BAZ-Wechsel erforderlich
Die Haas TL-25 ist mit voller C-Achse, angetriebenen Werkzeugen und zweiter Spindel ausgestattet. Daher können die Werkstücke auf der Rückseite bearbeitet werden und müssen für die Weiterbearbeitung nicht mehr zu einer der vertikalen Bearbeitungszentren wechseln. Der eloxierte Hydraulikblock wird in zwei Aufspannungen auf der Haas VF-4 bearbeitet, wobei beide Male der Haas Drehtisch als 4. Achse zum Einsatz kommt. Die Losgrößen liegen zumeist bei 30 Teilen. Die Bearbeitungsdauer pro Teil beträgt zirka eine Stunde.
Bei einigen Teilen ist aber ein Wechsel der Maschinen unvermeidbar. Losgrößen von 50, etwa 300 mm langen, schweren Stahlteilen werden auf der SL-20 oder der TL-25 gedreht, bevor auf der VF-4 in jedes Ende ein Querloch eingebracht wird. Als letzter Arbeitsschritt folgt eine Nut, die ebenfalls auf der TL-25 hergestellt wird. Die angetriebenen Werkzeuge und die zweite Spindel der TL-25 werden genutzt, um beispielsweise Spannhülsen zu bohren und Bolzen und Spezialschrauben zu fräsen.
„Das schwierigste und technisch anspruchsvollste Teil, das wir auf den Haas Maschinen fertigen, ist die Seilstruppe“, erläutert Jürg Wyssen, „die eine komplizierte Geometrie und enge Toleranzen besitzt sowie aus hochfestem Stahl besteht. Sie wird auf der VF-4, wieder in zwei Aufspannungen und wieder mit der 4. Achse, gefräst.“
Die Laufwagen mit Seilstruppen der Firma Wyssen sind kompakt und widerstandsfähig und ausgelegt für eine Nutzlast von bis zu 3.000 kg. Die mechanischen Komponenten fertigt das Unternehmen auf Werkzeugmaschinen von Haas Automation.
Was hat den Ausschlag gegeben?
Die erste Haas Maschine haben Jürg Wyssen und seine Brüder auf der Prodex Messe in Basel gesehen. „Damals hatte sich der Leiter unserer mechanischen Fertigung auf einen anderen Maschinentyp festgelegt. Doch als der Kauf praktisch schon beschlossen war, habe ich mich mit Haas in Verbindung gesetzt und nach den Maschinen gefragt, die ich in Basel gesehen hatte. Ich musste feststellen, dass eine Haas Maschine mit den gleichen Spezifikationen, wie die Maschine, die unser Fertigungsleiter haben wollte, nur die Hälfte kostete.“
Ein Verwandter, der in der Nähe einen Fertigungsbetrieb besitzt, arbeitete bereits mit einer Haas. Jürg Wyssen fragte ihn, was er von Haas hielt. „Er hat mir gesagt, dass in den sieben Jahren, in denen die Maschine jeden Tag im Einsatz war, es nicht das geringste Problem gegeben hat. Das hat dann den Ausschlag gegeben.“
Resümee
Das ursprüngliche Produkt des Gründers Jakob Wyssen – der Seilkran – macht heute noch etwa 65 % des Umsatzes aus. Wachsende Märkte in Chile und Osteuropa werden wahrscheinlich dazu beitragen, dass dies über die nächsten Jahre auch so bleiben wird. Doch mit den drei Brüdern und ihrem Cousin an der Spitze und einem Betrieb voller Haas Maschinen werden innovative Produkte wie das System zum kontrollierten Auslösen von Lawinen für die Zukunft des Unternehmens eine immer größere Rolle spielen.
Jakob („Köbi“), der Namensvetter des Firmengründers, formuliert ein abschließendes Urteil über die Haas Maschinen: „Sie versetzen uns in die Lage, alle benötigten Teile schnell zu produzieren“, sagt er. „Sie sind sich ähnlich und verwenden die gleiche Steuerung, so dass wir nur wenige Arbeitskräfte für das Bedienen benötigen. Da es in dieser Region schwierig ist, qualifizierte Maschinenbediener zu bekommen, ist das für uns ein Vorteil. Das bedeutet, dass wir alles im Unternehmen selbst herstellen können – mit einfach zu bedienenden und zuverlässigen Maschinen, die von URMA, dem lokalen HFO von Haas, sehr gut betreut werden. Ich glaube, mein Großvater hätte sich auch für Haas entschieden.“
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