Fräsweg und Stückzahl vervierzigfacht

Neue Fräserlinie SPADIX für die Bearbeitung von sowohl GFK als auch CFK: Die Automobilindustrie erhöht ständig ihren Druck auf ihre Automobilzulieferer. Schneller, billiger, besser – immerfort. Diese sind daher permanent auf der Suche nach wirtschaftlicheren Verfahren, um die Kostenanforderungen und steigenden Qualitätsansprüche ihrer mächtigen Kunden zu erfüllen. Zulieferer im sogenannten Hochlohnland Deutschland, vor allem in der Region Stuttgart, müssen sich daher mit überzeugenden Lösungen wehren, um ihre Aufträge nicht an Billiglohnländer zu verlieren. Technologisch hochentwickelte Beschichtungen bei Werkzeugen können mit spektakulären Standwegen und kreativen Lösungen dem Billiglohntrend die Stirn bieten. Autor: Hubert Winkler / Freier Redakteur

Der Spadix-Fräser, ein Multischneidenfräser mit ultrascharfen und ultraharten Schneiden fräst prozesssicher 15 km durch abrasiven GFK.

Der Spadix-Fräser, ein Multischneidenfräser mit ultrascharfen und ultraharten Schneiden fräst prozesssicher 15 km durch abrasiven GFK.

Der vom Austro-Kanadier Frank Stronach 1957 gegründete Automobilzulieferer Magna International ist ein kanadisch-österreichisches Unternehmen mit Hauptsitz in Aurora (CAN). Weltweit beschäftigt der Konzern 125.000 Mitarbeiter in 312 Produktionsbetrieben und 83 Entwicklungszentren in 29 Ländern. Magna International ist aber nicht nur Automobilzulieferer und -entwickler, sondern baut auch fertige Fahrzeuge – aber nicht unter eigener Marke, sondern für andere Hersteller wie Mercedes-Benz, Chrysler, Saab, BMW und seit 2009 auch für Mini und Aston Martin. Für BMW wurde beispielsweise das SUV BMW X3 in Graz mitentwickelt und gebaut.

Dr. Lienhard Paterok (links) und Frank Breusch beim gemeinsamen Austüfteln eines weiteren, noch leistungsfähigeren Verfahrensschrittes.

Dr. Lienhard Paterok (links) und Frank Breusch beim gemeinsamen Austüfteln eines weiteren, noch leistungsfähigeren Verfahrensschrittes.

Das Automobil garantiert unseren Wohlstand

In Europa werden immer noch weltweit die meisten Kraftfahrzeuge hergestellt. Die Autoindustrie ist untrennbar mit unserem Wohlstandsniveau verknüpft. Magna gilt als einer der führenden Lieferanten im europäischen Markt und unterstreicht das mit 46.000 Beschäftigten in 160 Werken. Eines dieser Werke, die Decoma Germany in Altbach im Osten von Stuttgart, gehört zur Magna Sparte Exteriors und Interiors. 225 Mitarbeiter entwickeln und fertigen dort Kunststofftechnik für T1- und T2-Zulieferer. Hier hat man sich im Laufe der Jahre auf die Fertigung von Hochleistungsautomobilbauteilen für alle bekannten PKW- und LKW-Hersteller spezialisiert.

Mit großem Erfolg fertigt man in Altbach Bauteile mittels Technologien wie PUR/-Waben- oder Honeycomb-Technologie, S-RIM/R-RIM Technologie, PUR-LFI-Technologie. Für alle namhaften Autohersteller entstehen hier Außenhautteile und Innenteile aus GFK-verstärkten Kunststoffen wie Armaturentafeln, Ablagen, Gepäckablagen, Kofferraumverkleidungen für innen, sowie designtechnisch und in Bezug auf Oberflächenqualität anspruchsvolle Dachmodule, Dachrahmen, Antennendächer, Kühlergrills, Frontteile und vieles mehr.

Dachmodul aus GFK: eine thermoplastische Folie als Deckschicht sorgt für geometrisch einwandfreien Hochglanz.

Dachmodul aus GFK: eine thermoplastische Folie als Deckschicht sorgt für geometrisch einwandfreien Hochglanz.

Leicht, hart und steif

Werkstoffe sind u. a. PUR-Schaumteile, verstärkt mit Glasfaser-Matten oder Glasfaser-Häcksel, sowie PUR-Schaumteile als Vollschaum oder mit Wabenstruktur. Die Waben können aus Kunststoff sein, aus Alu, oder aus recycelter Pappe. Letztere sind preiswert und leicht und trotzdem hochfest und steif. Für Probleme bei der Bearbeitung sorgt vor allem die Abrasivität der Glasfasern beim Fräsen der Konturen, Aussparungen und Löcher in den 3D-Teilen.

Wabenstrukturen aus Pappe (im Bild), Kunststoff oder Alu, mit Deckschichten aus GFK sorgen für hohe Härte und Biegesteifigkeit bei geringem Gewicht.

Wabenstrukturen aus Pappe (im Bild), Kunststoff oder Alu, mit Deckschichten aus GFK sorgen für hohe Härte und Biegesteifigkeit bei geringem Gewicht.

GFK als Schneidenkiller

Bei der Herstellung von Teilen mit der PUR-LFI-Technologie werden über einen Mischkopf Glasfaserrovings in verschiedenen, einstellbaren Längen zwischen 6 und 60 mm gehäckselt, mit PUR imprägniert und ins Werkzeug mit einer bereits eingelegten Deckfolie eingebracht. Die beheizte Form schließt sich und das Gemisch Glasfaserhäcksel/PUR härtet in einer definierten Zeit aus. Danach wird die Form geöffnet, das Bauteil aus der Form entnommen und der mechanischen Bearbeitung zugeführt.

Die mechanische Bearbeitung der flächigen und großen Automobilelemente ist schwierig. Sie erfolgt aus Kostengründen nicht selten mittels eines relativ komplizierten Sonderwerkzeugs und eines robotergesteuerten 5-Achs Fräszentrums. Wichtig ist eine konturtreue Werkstückaufnahme mit Vakuumfixierung, die schwingungsfreies Bearbeiten der flächigen Bauteile gewährleistet und unnötigen Werkzeugverschleiß durch Schwingungen verhindert. Der Verschleiß ist dennoch bestimmendes Kriterium beim Fräsen von GFK. Die Abnutzung der Werkzeuge ist dabei von der Anzahl der Filamente im GFK, ihrer Mikrohärte (zwischen 795 und 1.250 HV), ihrem Durchmesser, der Dicke des GFK-Elements und den Bearbeitungsparametern abhängig. Trotz anderer konkurrierender Verfahren wie z. B. Laser- oder Wasserstrahlschneiden hat sich Fräsen immer noch als wirtschaftlichste Bearbeitungsweise behauptet.

Zur Entwicklung einer optimalen Geometrie für eine neue Generation von Fräsern und Bohrfräsern dienten als Grundkriterien die oben aufgelisteten Glasfaser- und GFK-Eigenschaften. Bei der Wahl eines entsprechenden Hartmetalls für ein Fräswerkzeug zur Bearbeitung von GFK, legte man das Kriterium der optimalen Relation des Wolframkarbidkorns zum Durchmesser eines einzelnen Glasfilaments zugrunde.

Glasfaserverstärkungen als Gewebestruktur oder wie hier im Bild als stochastisch ungeordneter Glasfaserfilz geben den Bauteilen die geforderten Festigkeiten.

Glasfaserverstärkungen als Gewebestruktur oder wie hier im Bild als stochastisch ungeordneter Glasfaserfilz geben den Bauteilen die geforderten Festigkeiten.

Kobalt wird ausgewaschen

Überschreitet der Glasfasergehalt im zu bearbeitendem GFK fünf Prozent, so sollten die hier verwendeten Werkzeuge nur aus entsprechend definierten Sonderhartmetallsorten hergestellt werden. Auch diese Fräser aus einem Sonderhartmetall unterliegen einem Abnutzungsprozess, der bereits mit der ersten Umdrehung eines Fräsers im GFK beginnt. Hier waschen die im Kunststoff stochastisch eingebetteten Glasfilamente, dank ihrer hohen Mikrohärte von 795 bis 1.250 HV, ihrem kleinen Durchmesser von 5 bis 25 µm und der hohen Anzahl der Filamente in einem Faden – z. B. 1K, 2K oder mehr – die relativ weiche Kobaltmatrix aus dem Hartmetallfräser sehr schnell aus. Die Glasfasern werden dabei nicht geschnitten sondern wegen ihrer Sprödigkeit und Härte abgeschlagen oder abgequetscht.

Erste Versuche in den 90er Jahren mit unbeschichteten Ein- und Zweischneidern aus Hartmetall mit sehr scharfen Schneiden führten daher nicht zu wirtschaftlichen Ergebnissen. Erste Versuche mit PVD-beschichteten Fräsern führten wegen der beschichtungstechnischen Kantenverrundung, die mehr zum verschleißfördernden Reiben neigte als zum Schneiden, auch nicht zu durchschlagenden Erfolgen.

Frank Breusch, der Produktions-Manager bei Carplast, beim Ausformen eines ausgehärteten GFK-Dachmoduls. Alle Konturen müssen anschließend fräsend bearbeitet werden.

Frank Breusch, der Produktions-Manager bei Carplast, beim Ausformen eines ausgehärteten GFK-Dachmoduls. Alle Konturen müssen anschließend fräsend bearbeitet werden.

Die Aufgabenstellung

Die Kunst, einen erfolgreichen Spagat zwischen Kunststoff-Bearbeitung und Glasfaser-Bearbeitung zu entwickeln war seit langem Ansporn von Frank Breusch, dem Produktionsleiter von Carplast bei Decoma in Altbach. Als Partner standen ihm die Brüder Dr. Lienhard Paterok und Leonhard Paterok vom Technischen F&E-Zentrum in Schömberg Langenbrand (D) zur Seite.

Die Pateroks nahmen folgende Aufgabenstellung mit nach Hause: Die unterschiedlichen Schnittbedingungen von Glasfasern, Trägerkunststoff und Oberflächenfolie in einer optimierten Schneidengeometrie zu vereinen. Die Entwicklung dieser speziellen Geometrie mit vielen Versuchen dauerte etwa ein Jahr und führte zu einer Verdreifachung der Standzeit und guten Oberflächenqualitäten. Nun folgte der zweite Teil der interessanten Aufgabe: Die Standzeiten der Werkzeuge auf Basis der gewonnenen Geometrieerfahrungen weiter zu steigern und prozesssicher zu gestalten.

Eine Auswahl von spezialisierten und optimierten Fräsern des Technischen F&E Zentrums zur Bearbeitung unterschiedlicher Verbundwerkstoffe.

Eine Auswahl von spezialisierten und optimierten Fräsern des Technischen F&E Zentrums zur Bearbeitung unterschiedlicher Verbundwerkstoffe.

Der Weg zur Lösung

Die Stückzahlen von je 150.000 bei Dachmodulen und Antennendächern verdeutlichte die kostenrelevante Notwendigkeit, den Bearbeitungsprozess wirtschaftlich zu gestalten. Im Laufe des Optimierungsprozesses steigerten sich die Standzeiten von 65 Teilen (mit unbeschichtetem HM) auf 175 Teile (mit TiAlN-Beschichtung). Mit dem von den Brüdern Paterok entwickelten 3D-AUDIP-CVD-Verfahren und dem Nano-Hartstoffschichtsystem SS3500 erzielte man schon eine Stückzahl von 495 Teilen.

Um den Fräsprozess noch effizienter zu machen, unterzog man sowohl die Geometrie der Schneiden als auch das Nano-Schichtsystem einer dynamischen Optimierung. Mitte 2012 steigerte das hauseigene, bei Paterok neu entwickelte Hartstoffschichtsystem HSS5000 die Stückzahl auf 1.500 prozesssicher gefertigte Teile mit einem Gesamtfräsweg von 10.154 m. Um diesen Optimierungsprozess weiter zu fördern, schickte Breusch alle verschlissenen Fräser nach Schömberg. Die erfahrenen Metallurgen Paterok konnten so an Hand der analysierten Verschleißmerkmale in einem fließenden Prozess die Zusammensetzung der Hartstoffsysteme weiter optimieren.

Fünfachsiges Fräsen eines GFK-Dachmoduls mit Foliendeckschicht mittels Roboter mit HSC-Spindel und 8 mm Spadix-Fräser.

Fünfachsiges Fräsen eines GFK-Dachmoduls mit Foliendeckschicht mittels Roboter mit HSC-Spindel und 8 mm Spadix-Fräser.

15 Kilometer Fräsweg

In den letzten Monaten wurde eine neue Fräserlinie SPADIX für die Bearbeitung von sowohl GFK als auch CFK entwickelt. Alle Fräser aus dieser Linie werden aus einem optimierten Hartmetall, mit einer rationellen Geometrie und einem neuen Nano-Hartstoff HSS6500 beschichtet, hergestellt. Diese Werkzeuge bearbeiten nun absolut prozesssicher 2.500 Dachelemente mit einem Gesamtfräsweg von 15 km. Aber auch dieses Ergebnis wird zurzeit in Versuchen weiter getoppt.

Die bei Magna erfolgreich eingesetzten Spadix-Fräser mit 8 mm Durchmesser sind sogenannte Multischneidenwerkzeuge mit zehn rhombischen Schneiden am Umfang. Die Hartmetallsorte ist ein auf den Anwendungsfall optimiertes Sonderhartmetall, das in einem speziellen Verfahren beschichtet wird. Vor dem eigentlichen Beschichtungsprozess wird die Kobaltmatrix mit hoher Energie ionenimplantiert, sodass sie Keramikeigenschaften mit hoher Härte und Zähigkeit erhält. Darauf bauen sich 24 bis 25 Nano-Hartstoffschichten aus einem Spektrum von elf unterschiedlichen Elementen mit einer Gesamtschichtdicke von 1,5 µm auf. Die einzelnen Hartstoff-Keramikschichten verbinden sich dabei fließend miteinander und bilden einen Gradientenaufbau von 1.800 HV auf 3.200 HV an der Oberfläche. Diese Hartstoffschicht ist damit etwa dreifach härter als die Mikrohärte der Glasfasern.

Hervorragende Oberflächenqualität der gefrästen Kontur. Deutlich zu erkennen der Aufbau aus glasfaserverstärktem PUR und Mehrschichtfolie aus PC/ABS.

Hervorragende Oberflächenqualität der gefrästen Kontur. Deutlich zu erkennen der Aufbau aus glasfaserverstärktem PUR und Mehrschichtfolie aus PC/ABS.

Resümee

Die ultrascharfen Schneidkanten mit nur 2,5 µm Kantenverrundung werden nur noch von Diamantschneiden übertroffen. Geringe Kantenverrundung, in Verbindung mit extrem hoher Härte und Zähigkeit, dazu beste tribologische Eigenschaften mit antiadhäsiven Eigenschaften gegenüber thermoplastischen Kunststoffen wie Folien (Duroplaste haben keine Neigung zum Verkleben) sind das Geheimnis von 15 km Standweg – und mehr.

Filtern

Suchbegriff

Unterkategorie

Firmen

Inhaltstyp

Firmentyp

Land