Diamantenfieber oder Hartmetallrealität?

Die METAV 2014 zeigt Lösungen zur optimalen Leichtbauwerkstoff-Zerspanung: Marilyn Monroe wusste es damals einfach nicht besser: „Diamonds are a girl’s best friends“ trällerte sie vor über 50 Jahren – inzwischen gehören Diamanten längst auch zu den besten Freunden innovativer Leichtbauwerkstoff-Zerspaner. Sie liefern sich dabei ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Hartmetallen, die genauso zum Leichtbau-Freundeskreis zählen. Die METAV 2014 vom 11. bis 15. März in Düsseldorf bietet beiden ein Forum. Autor: Walter Frick / Freier Redakteur

Entwicklungsschwerpunkte bei der Komet Group liegen hauptsächlich in der Geometrieoptimierung auf die unterschiedlichsten Bearbeitungsaufgaben und Werkstoffe.
(Bild: Komet)

Entwicklungsschwerpunkte bei der Komet Group liegen hauptsächlich in der Geometrieoptimierung auf die unterschiedlichsten Bearbeitungsaufgaben und Werkstoffe. (Bild: Komet)

Technologieforum „Zukunftsfähige Zerspanprozesse“

Zum internationalen METAV-Technologieforum „Zukunftsfähige Zerspanprozesse“ berichten Maschinen- und Werkzeughersteller, wie sie sich mit neuen Produkten, Technologien und Dienstleistungen auf die Herausforderungen der Zukunft einstellen. Sie zeigen die neuesten Entwicklungen und Anwendungen von Werkzeugmaschinen und Präzisionswerkzeugen, insbesondere zu den Themen „Bearbeitung schwer spanbarer Werkstoffe“ und „Bearbeitung komplexer Oberflächen und Geometrien“.

• Wann: 12. März 2014 (13.00 bis 17.00 Uhr) und 13. März 2014 (9.00 bis 13.00Uhr)

Die große Bandbreite heutiger Leichtbauwerkstoffe erfordert auch eine entsprechende Breite beim Einsatz von Schneidstoffen. Nach Einschätzung von Dr. Steffen Reich, Leiter Forschung und Entwicklung der GFE – Gesellschaft für Fertigungstechnik und Entwicklung Schmalkalden e.V. – wird neben dem Einsatz „klassischer“ Schneidstoffe des Leichtbaus wie Polykristalliner Diamant (PKD) oder Monokristalliner Diamant (MKD) „der Einsatz von beschichteten (nicht diamantbeschichteten) Hartmetallen perspektivisch an Bedeutung gewinnen. Denn die unübertroffene Universalität des Hartmetalls erlaubt die Bearbeitung nahezu jeder beliebigen Materialkombination. Darüber hinaus sind auch klare Vorteile im Bereich der Beschaffungskosten vorhanden.“

Der Einsatz monokristalliner Diamanten, so Reich, „wird sich auch weiterhin auf die ‚edle Nische‘ der Erzeugung von Hochglanzoberflächen beschränken. Dort gibt es bislang keine wirkliche Alternative. Ein Einsatz in weiteren Bereichen, die auch durch andere Schneidstoffe abgedeckt werden können, ist auf Grund der hohen Kosten nicht zu erwarten“.

PKD und durch chemische Gasphasenabscheidung beschichtete CVD-Dickschicht-Diamanten stellen sicher in einigen Anwendungsfeldern konkurrierende Schneidstoffe dar. Dabei liegt der Einsatz von PKD schwerpunktmäßig eher im Bereich der Schruppbearbeitung, während der CVD-Dickschicht-Diamant typischerweise im Bereich der Schlichtbearbeitung eingesetzt wird. Nachdrücklich weist der Schmalkaldener Experte aber darauf hin, dass nicht alle Leichtbauwerkstoffe mit Diamant, in welcher konkreten Form auch immer, bearbeitbar sind: „Hier sind andere Schneidstoffe wie beschichtetes Hartmetall erforderlich.“

Die Frage nach der längeren Standzeit sei so „weder sinnfällig noch seriös zu beantworten“, denn die Antwort hänge vom Einsatzfall und Art des Schneidstoffs ab: „Natürlich wird bei einem rein abrasiven Verschleiß der härtere Diamant Vorteile gegenüber dem Hartmetall haben. Sind jedoch andere Verschleißmechanismen vorhanden (Diffusion, Adhäsion etc.), oder gar dominierend, kann der Vorteil auch beim Hartmetall liegen.“

Wie auch in anderen Bereichen der Zerspanung sollte die Auswahl der Werkzeuge nicht nach der Standzeit, sondern nach den Fertigungskosten erfolgen. Es könne also durchaus sinnvoll sein, ein Werkzeug einzusetzen, das im Vergleich zu einem Wettbewerbsprodukt eine geringere Standzeit aufweist, aber beispielweise durch höhere Zerspanparameter geringere Fertigungskosten ermöglicht.

Hartmetallschneiden bleiben länger günstig.
(Bild: Seco Tools)

Hartmetallschneiden bleiben länger günstig. (Bild: Seco Tools)

Dr. Steffen Reich
Leiter Forschung und Entwicklung der GFE - Gesellschaft für Fertigungstechnik und Entwicklung Schmalkalden e.V.

„Der Einsatz von beschichteten Hartmetallen wird perspektivisch an Bedeutung gewinnen, denn Hartmetall erlaubt die Bearbeitung nahezu jeder beliebigen Materialkombination. Darüber hinaus sind auch klare Vorteile im Bereich der Beschaffungskosten vorhanden.“

Einsatzbereich gezielt erweitern

Bei der Bearbeitung von CFK-Bauteilen und Sonderwerkstoffen wie beispielsweise Graphit haben sich inzwischen Diamantbeschichtungen einen festen Platz erarbeitet. Sie konkurrieren hier in einigen Anwendungen insbesondere mit dem PKD. Weitere Verbesserungen bezüglich der Morphologie in der Kantenschärfe sind in Zukunft zu erwarten. Leider, so Reich, „ist das Problem der Entschichtung bislang nicht gelöst. Daneben gewinnen zunehmend auch andere Kohlenstoffschichten an Bedeutung. Deren Schwerpunkt liegt insbesondere in der Bearbeitung von Materialien mit hoher Adhäsionsneigung“.

Eine zunehmend wichtiger werdende Möglichkeit, den Anwendungsbereich der Schneidstoffe zu erweitern, ist die Laserbearbeitung von Kubisch-Kristallinen-Bornitrid(CBN)- und Diamantwerkstoffen. „Durch das Einbringen von Spanleitgeometrien und Schneidkantenpräparationen kann der Einsatzbereich der Schneidstoffe erweitert werden. Die bis vor wenigen Jahren vorhandenen Restriktionen, insbesondere bezüglich der Spanleitgeometrien, konnten überwunden werden. Das kommt insbesondere der Prozesssicherheit der Werkzeuge zugute und gleicht im Wettbewerb mit anderen Schneidstoffen, z. B. diamantbeschichtetem Hartmetall, vorhandene Defizite aus“, erläutert Reich.

Diamantschneiden bleiben länger scharf.
(Bild: Seco Tools)

Diamantschneiden bleiben länger scharf. (Bild: Seco Tools)

Dr. Stefan Sattel
Leiter Forschung & Entwicklung Gühring KG.

„Der Trend geht klar zu nanostrukturierten Schichten für maximalen Verschleißschutz.“

Hartmetall für kleine Durchmesser – Diamant und CBN für stabile Prozesse in Serie

Nach Ansicht von Dr. Stefan Sattel, Leiter Forschung & Entwicklung der Gühring KG, Albstadt, kommen Hartmetallwerkzeuge vor allem bei Durchmessern mit weniger als 10 mm zum Einsatz: „Mit Hartmetall sind auch bei den kleinen Durchmessern problemlos komplexe Geometrien für Bohrer und Fräser realisierbar.“ Für die effiziente Zerspanung hybrider Strukturen wie z. B. Kombinationen aus CFK, Alu, Titan und VA-Stahl seien Vollhartmetallwerkzeuge ebenfalls unentbehrlich.

PKD-/CBN-Werkzeuge dagegen versprechen stabile Prozesse in der Serienfertigung: „Dank der scharfen Schneiden ist ein sauberes Durchtrennen der Fasern möglich. Auch abrasive Verbundwerkstoffe können delaminationsfrei zerspant werden. Außerdem sind hohe Schnittgeschwindigkeiten realisierbar.“

„Beide Schneidstoffe bringen außerordentlich gute Eigenschaften bei der spanenden Bearbeitung mit sich und haben je nach Anwendung verschiedene Vorteile. Hierbei eröffnet der Einsatz von selbstschärfenden Geometrien gänzlich neue Möglichkeiten bei der Bearbeitung von Leichtbauwerkstoffen“, sagt Sattel. Um maximale Standwege zu erreichen, seien Diamantbeschichtungen in Verbindung mit Hartmetall-Werkzeugen unbedingt notwendig: „Der Trend geht klar zu nanostrukturierten Schichten für maximalen Verschleißschutz.“ Von der METAV 2014 erwartet der F&E-Chef : „Fortschritte beim Einsatz schwingungsunterstützter Zerspanung (oszillierender Vorschub), neue Trends bei laserbearbeiteten Diamantwerkzeugen und neue Erkenntnisse über den Einsatz von Kryotechnik bei Zerspanprozessen für CFK-Materialien.“

Geometrieoptimierung auf den Anwendungsfall

Peter Büttler, Director Business Development der Komet Schweiz AG und Verantwortlicher für die Leichtbauaktivitäten der Komet Group, Besigheim, macht klar: „Die Entwicklungsschwerpunkte liegen hauptsächlich in der Geometrieoptimierung auf die unterschiedlichsten Bearbeitungsaufgaben und Werkstoffe.“ Diamantwerkzeuge (PKD) sollten immer unter möglichst stabilen Bearbeitungsverhältnissen eingesetzt werden. Unbeschichtete oder zum Teil auch diamantbeschichtete Werkzeuge werden vorzugsweise bei manuellen oder Roboterbearbeitungen eingesetzt. MKD oder PKD seien gegenüber Hartmetall „die wesentlichen härteren Werkstoffe und schneiden im Standzeittest wesentlich besser ab.“

Für Sönke Lange, Key Account Manager Aircraft der Kromi Logistik AG, Hamburg, ist „nicht immer das angeblich beste Werkzeug auch das wirtschaftlich Sinnvollste“. Die Vielfalt an Schichtungen von Leichtmetallen und Faserverbundwerkstoffen erfordere auch unterschiedliche Bearbeitungsstrategien, um beispielsweise eine Delamination zu verhindern. Je nachdem, ob der Bearbeitungsprozess manuell, semiautomatisch oder vollautomatisch geführt wird, ergeben sich völlig andere Anforderungen an das Zerspanungswerkzeug. Der monokristalline Diamant finde dabei ebenso sein Einsatzgebiet wie polykristalline oder beschichtete Werkzeuge.

Wie lange ein Werkzeug ausreichend scharf bleibt, werde im Wesentlichen durch den Prozess selbst bestimmt: „Der Austausch eines stumpfen Werkzeugs im laufenden Prozess ist im allgemeinen wirtschaftlich nicht sinnvoll. Bei seriennahen Prozessen gibt es bei CFK-Werkstoffen deshalb einen Trend zu diamantbeschichteten Vollhartmetall-Werkzeugen, da sie in den abrasiv wirkenden Materialien eine höhere Wirtschaftlichkeit erzielen.“

Diamant bleibt länger scharf – Hartmetall bleibt länger günstig

Heinz Peter Boost, Leiter Produktmanagement der Seco Tools GmbH, bringt die Frage Diamant oder Hartmetall auf den Punkt: „Diamantschneiden überzeugen durch enorme Standzeiten, die gerade in der Serienfertigung von entscheidender Bedeutung sind. Hartmetallwerkzeuge auf Basis von Wendeschneidplatten, sowohl unbeschichtet und poliert als auch beschichtet, ermöglichen dem Anwender eine interessante Alternative, wenn vorrangig Kosten pro Schneide im Vordergrund stehen.“

Und die Standzeiten? Auch hier eine klare Antwort: „Diamant bleibt länger scharf, Hartmetall bleibt länger günstig. Immer dann, wenn an den Prozess hohe Anforderungen an Zähigkeit bei ungünstigen Zerspanungsbedingungen gestellt werden, bleiben beschichtete, zähe Hartmetallsorten auch mal gerne länger scharf. Das zeigen neueste Untersuchungen im Rahmen von hochschulnahen Forschungsprojekten, bei denen unbeschichtete, polierte Wendeschneidplatten im Vergleich zu beschichteten und diamantbestückten zum Einsatz kamen. Hier überzeugten die beschichteten Hartmetall-Wendeschneideplatten aufgrund der längsten Standzeiten.“

Zur METAV 2014 präsentieren zwei Veranstaltungen Themen rund um Zerspanung und Leichtbauwerkstoffe: das Technologieforum „Zukunftsfähige Zerspanprozesse“ und das Expertenforum Composites.

www.metav.de

Peter Büttler
Director Business Development Komet Schweiz AG.

„Diamantwerkzeuge sind gegenüber Hartmetall die wesentlichen härteren Werkstoffe und schneiden im Standzeittest wesentlich besser ab.“

Heinz Peter Boost
Leiter Produktmanagement Seco Tools GmbH.

„Diamantschneiden überzeugen durch enorme Standzeiten – Hartmetallwerkzeuge auf Basis von Wendeschneidplatten, sowohl unbeschichtet und poliert als auch beschichtet, sind eine interessante Alternative, wenn die Kosten pro Schneide im Vordergrund stehen.“

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