Schunk iTENDO: Smarter Werkzeughalter

Mit dem sensorischen Werkzeughalter iTENDO startet Schunk in eine neue Ära der Werkzeugspanntechnik. Noch bevor das smarte Hydro-Dehnspannfutter 2020 auf den Markt kommt, lotet der Greifsysteme- und Spanntechnikspezialist in Pilotapplikationen aus, welche Anwendungsfelder künftig von der smarten Präzisionsaufnahme profitieren können. Das Ergebnis überrascht: Schon in der Vorserienphase geht es längst nicht mehr nur um klassische Fräsanwendungen.

Über die eingebaute Sensorik misst der smarte Werkzeughalter Beschleunigungen und Vibrationen direkt am Werkstück und übergibt die Daten an die Maschinensteuerung.

Über die eingebaute Sensorik misst der smarte Werkzeughalter Beschleunigungen und Vibrationen direkt am Werkstück und übergibt die Daten an die Maschinensteuerung.

IFT-Wert

Ausgestattet mit Sensor, Akku und Sendeeinheit erfasst das intelligente System den Prozess mit 5.000 Hz unmittelbar am Werkzeug. Ein Algorithmus ermittelt fortlaufend eine Kenngröße für die Prozessstabilität. Der sogenannte IFT-Wert wurde speziell für den iTENDO entwickelt und gibt die gemessene Schwingung als Zahlenwert auf einer definierten Intensitätsskala wieder – ähnlich der Richterskala bei Erdbeben. Wird der Schnitt instabil, greift die integrierte Intelligenz in Echtzeit mit einer Latenz von ca. 20 ms und ohne Zutun des Bedieners unmittelbar ein: Je nach Situation wird der Prozess dann gestoppt, auf zuvor definierte Basisparameter reduziert oder adaptiert, die Zustellung von Werkzeugen verändert, Schwesterwerkzeuge eingewechselt oder Meldungen an Bediener abgesetzt. Passend zur jeweiligen Anwendung können über einen Webservice sowohl die Grenzwerte als auch entsprechende Reaktionen bei deren Überschreitung definiert werden. Über eine Cloudlösung lässt sich die Software des intelligenten Werkzeughalters stets auf dem aktuellsten Stand halten. Zudem werden künftig Prozessdokumentationen und andere Zusatzservices verfügbar sein. Alternativ sind reine On-Premises-Lösungen möglich.

Schwingungen, Rattermarken, Werkzeugversagen – geht es nach Schunk, könnten all diese Herausforderungen bald schon der Vergangenheit angehören. In Kooperation mit der TU Wien hat der Greifsysteme- und Spanntechnikspezialist einen feinfühligen Werkzeughalter entwickelt, der den Zerspanungsprozess lückenlos erfasst, zuvor definierte Grenzwerte überwacht und bei Unregelmäßigkeiten beispielsweise eine adaptive Regelung von Drehzahl und Vorschub in Echtzeit ermöglicht. „Der iTENDO ist der feinfühligste Werkzeughalter auf dem Markt“, unterstreicht Johannes Ketterer, Executive Vice President Clamping Technology bei Schunk.

Ausgestattet mit Sensor, Akku und Sendeeinheit erfasst der smarte Werkzeughalter die Daten unmittelbar am Werkzeug, überträgt sie drahtlos via Bluetooth 4.2 an eine Empfangseinheit im Maschinenraum, von wo sie per Kabel an eine Regel- und Auswerteeinheit weitergeleitet werden. „Mit der Prozessdatenerfassung unmittelbar am Werkzeug rückt Schunk closest-to-the-part, ohne die Störkontur oder die Eigenschaften des Werkzeughalters zu verändern“, erläutert Ketterer. Damit unterscheide sich das System grundlegend von anderen Lösungen zur Prozessüberwachung. Während eine Überwachung der Stromaufnahme der Spindel nur diffuse Signale zum Schwingungsverhalten ermöglicht, liefert die intelligente Werkzeugaufnahme präzise Prozessdaten.

„Der iTENDO beginnt dort, wo die klassische Prozessüberwachung an Grenzen stößt. Wir gehen davon aus, dass die individuelle Prozessüberwachung über smarte Werkzeughalter die universelle Prozessüberwachung über die Spindel künftig flächendeckend ergänzen wird“, so die Prognose von Johannes Ketterer. Was bislang nur über komplexe Aufbauten und eine umständliche Auswertung von Messdaten möglich war, soll künftig radikal vereinfacht werden: Zur Nutzung des intelligenten Systems ist keinerlei spezifisches Fachwissen erforderlich. Jeder, der in der Lage ist, eine Werkzeugmaschine zu bedienen, soll ab 2020 auch den iTENDO nutzen können, so das Ziel von Schunk.

Johannes Ketterer
M.Sc. Ing., Executive Vice President Clamping Technology bei Schunk

„Der iTENDO beginnt dort, wo die klassische Prozessüberwachung an Grenzen stößt. Wir gehen davon aus, dass die individuelle Prozessüberwachung über smarte Werkzeughalter die universelle Prozessüberwachung über die Spindel künftig flächendeckend ergänzen wird.“

Systematische Erfassung von Prozessdaten

Bereits seit mehreren Jahren forscht Schunk intensiv an smarten Greifsystemkomponenten und Spannmitteln, die eine Flexibilisierung der Prozesse sowie eine permanente Prozessüberwachung und -optimierung unmittelbar am Werkstück ermöglichen. Damit ergeben sich vielfältige Möglichkeiten zur Erfassung von Werkstück- und auch Prozessdaten, die bislang nicht oder nicht vollständig genutzt wurden. Neben ihrer Kernfunktion, nämlich dem Greifen beziehungsweise Spannen, sollen die smarten Komponenten Prozessparameter detektieren, verarbeiten und situativ darauf reagieren.

Der sensorische Werkzeughalter iTENDO ist Teil dieser breit angelegten Entwicklungsstrategie, deren Ziel es ist, das bislang brachliegende „Wissen“ der Greifsysteme und Spannmittel zu nutzen. Konkret geht es darum, in Echtzeit Daten des Prozesses aufzunehmen und zu verarbeiten. Zudem sollen bei Abweichungen vom Ideal automatisch entsprechende Reaktionen ausgeführt oder im Gesamtsystem ausgelöst werden. Mittelfristig werden die smarten Komponenten zudem statistische Auswertungen ermöglichen, wie etwa die Overall Equipment Effectiveness (OEE), die Prozessfähigkeit (Cpk), die Mean Time Between Failure (MTBF) oder Trendentwicklungen wie etwa die Parameterdrift oder Anstiege der Ausfallraten.

Der smarte iTENDO ermöglicht eine Echtzeitprozessüberwachung und -regelung unmittelbar am Werkzeug. Die Geometrie- und Leistungsdaten der Werkzeughalter bleiben auch mit Sensorik unverändert.

Der smarte iTENDO ermöglicht eine Echtzeitprozessüberwachung und -regelung unmittelbar am Werkzeug. Die Geometrie- und Leistungsdaten der Werkzeughalter bleiben auch mit Sensorik unverändert.

Ein Einsatzfeld für den iTENDO ist die Bearbeitung von Verbundwerkstoffen. Passend zum Werkstoff lassen sich die Schnittparameter in Echtzeit regeln.

Ein Einsatzfeld für den iTENDO ist die Bearbeitung von Verbundwerkstoffen. Passend zum Werkstoff lassen sich die Schnittparameter in Echtzeit regeln.

Die Pilotapplikationen am Schunk Tec-Center in Lauffen zeigen, wie vielfältig die Einsatzbereiche des intelligenten Werkzeughalter sind.

Die Pilotapplikationen am Schunk Tec-Center in Lauffen zeigen, wie vielfältig die Einsatzbereiche des intelligenten Werkzeughalter sind.

Echtzeitregelung in Abhängigkeit vom Aufmaß der Werkstücke.

Echtzeitregelung in Abhängigkeit vom Aufmaß der Werkstücke.

Von der Mikrozerspanung bis zum Bürsten

Wie dies konkret aussieht, verdeutlichen mehrere Pilotapplikationen, die in Zusammenarbeit mit Anwendern im Schunk Tec-Center in Lauffen realisiert wurden.

Adaptives Fräsen: Bei der Bearbeitung von Werkstücken mit variierendem Aufmaß galt es bislang abzuwägen, ob die Priorität eher bei der Bearbeitungszeit oder bei der Oberflächenqualität liegt. Mit dem iTENDO lässt sich beides optimieren: Während schmale Bereiche schwingungsfreie Override-Werte von 100 % ermöglichen, wird der Prozess bei breitem Aufmaß automatisch auf einen Override von rund 90 % reduziert. Unterm Strich ergeben sich damit kurze Bearbeitungszeiten bei optimaler Oberflächenqualität und Werkzeugschonung.

Bohrsenken: Beim kombinierten Bohrsenken von dünnwandigen Großbauteilen in der Flugindustrie besteht die Gefahr, dass es mit zunehmendem Verschleiß des Werkzeugs oder labiler Aufspannung zu Rattermarken in der Senkung kommt. Wird der Prozess mit dem iTENDO überwacht, kann bei auftretenden Schwingungen automatisch ein Schwesterwerkzeug eingewechselt werden oder eine Meldung an den Bediener erfolgen. Die Dokumentation von qualitätsrelevanten Merkmalen als Report pro Bauteil soll über eine App realisiert werden.

Mikrozerspanung: Bei der Bearbeitung von Injektordüsen mit Schneidendurchmessern < 3 mm besteht die Gefahr, dass Werkzeuge brechen, ohne dass dies über die universelle Prozessüberwachung der Spindel erkannt wird. Mit dem iTENDO lässt sich nun sowohl ein Werkzeugbruch als auch ein zunehmender Werkzeugverschleiß präzise in Echtzeit erfassen. Über Trendauswertungen ist es möglich, das Erreichen der Verschleißgrenze zu bestimmen und einen rechtzeitigen Werkzeugwechsel zu veranlassen, ohne dass es zu Fehlteilen oder Werkzeugbruch kommt. Entgraten: In Entgratanwendungen entscheidet meist die Erfahrung der Bediener darüber, wann Bürsten und andere rotierende Werkzeuge zugestellt werden. Mit dem iTENDO lässt sich auch dieser Prozess automatisieren, diesmal jedoch in umgekehrter Logik: Über eine Trendauswertung erfasst der Werkzeughalter einen Rückgang der Schwingungen. Wird ein zuvor gesetztes Limit erreicht, wird die Büste automatisch zugestellt oder gewechselt.

Das Regelungsverhalten ist abhängig von der jeweiligen Maschinensteuerung. In der Regel liegt die mittlere Reaktionszeit bei 20 ms. Neben dieser Echtzeitregelung ergeben sich insbesondere im Bereich der Luft- und Raumfahrt, aber auch in der Medizintechnik, wo sämtliche Prozesse exakt dokumentiert werden müssen, zusätzliche Vorteile: Über den iTENDO lassen sich sämtliche Bearbeitungen erfassen und beispielsweise in Cloudlösungen dokumentieren. Die Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten hat selbst die Experten bei Schunk überrascht. Am Tec-Center in Lauffen ist man daher auch weiterhin offen, um zusäzliche Anwendungsfelder unter Laborbedingungen zu testen.

Erkennung von Werkzeugverschleiß beim Bohrsenken.

Erkennung von Werkzeugverschleiß beim Bohrsenken.

Trendauswertung von Werkzeugverschleiß und Erkennung von Werkzeugbruch in der Mikrozerspanung.

Trendauswertung von Werkzeugverschleiß und Erkennung von Werkzeugbruch in der Mikrozerspanung.

Prozessüberwachung und automatisierte Zustellung der Bürste beim Entgraten.

Prozessüberwachung und automatisierte Zustellung der Bürste beim Entgraten.

Einfach nachrüstbar

Der sensorische Werkzeughalter lässt sich denkbar einfach nachrüsten, ohne dass eine Modifikation oder ein Tausch von Maschinenkomponenten erforderlich ist. Er verfügt über identische Störkonturen wie konventionellen Werkzeugaufnahmen und kann bis 12.000 min-1 genutzt werden. Auch der Einsatz von Kühlschmiermittel ist wie gewohnt möglich. Alle gängigen Spindelschnittstellen werden unterstützt. Die erforderliche Hardware ist direkt in den Werkzeughalter integriert, ohne dessen Eigenschaften zu beeinflussen. Komplettiert wird das System über einen Datenempfänger im Maschinenraum sowie eine Kontrolleinheit im Schaltschrank. Die Einstellung des iTENDO und Analyse von Daten erfolgt über ein Webinterface, das auf handelsüblichen PCs, Tablet Computern oder Smartphones verwendet werden kann. Im permanenten Einsatz liegt die Batterielebensdauer des Werkzeughalters bei zehn Stunden, im Standby-Betrieb im Werkzeugmagazin bei 14 Tagen.

In den kommenden Monaten wird Schunk nun die Zertifizierung des sensorischen Werkzeughalters vorantreiben und erste Pilotanwendungen in der eigenen Fertigung sowie bei Anwendern installieren. Im ersten Schritt sind hierfür die Schnittstellen HSK-A 63 sowie HSK-A 100, jeweils mit einem Spanndurchmesser von 20 mm, vorgesehen. Neben den vorgestellten Anwendungen sollen weiter neue Applikationen hinsichtlich der Nutzbarkeit des sensorischen Werkzeughalters untersucht werden.

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