Von der Nische zum Komplettanbieter?

Anlässlich eines Besuches der USA-Niederlassung der Paul Horn GmbH in Franklin, Tennessee sprachen wir mit Andreas Vollmer, Geschäftsführer USA und Vertriebsleiter weltweit unter anderem über die aktuelle, wirtschaftliche Situation, den Ausbau der Produktion in Tübingen sowie neue Produkte und den damit möglichen Imagewandel vom Nischenplayer zum Komplettanbieter. Das Gespräch führte Ing. Robert Fraunberger / x-technik

Schaftfräser und Einschraubköpfe erweitern nun das Hochvorschubfrässystem DAH25.

Schaftfräser und Einschraubköpfe erweitern nun das Hochvorschubfrässystem DAH25.

Statements:

>> In Zukunft sehe ich das Dreigestirn Europa, USA und China auf Augenhöhe. <<

>> Es ist nicht der Große, der den Kleinen frisst, sondern der Schnelle den Langsamen. <<

>> Wir werden unsere Kernkompetenz nicht verlassen sondern weiter ausbauen. <<

Herr Vollmer, welchen Stellenwert hat die USA für die Paul Horn GmbH?

Die USA ist für die Entwicklung unseres Unternehmens mit ein Schlüsselmarkt. Darum haben wir 1998 die Entscheidung getroffen, hier mit einer eigenen Niederlassung vor Ort zu sein. Um diese Präsenz langfristig abzusichern, war uns von Anfang an klar, sukzessive auch mit einer eigenen Werkzeugproduktion zu starten. Unter anderem aufgrund der unterschiedlichen Maßeinheiten zu Europa.

Zur Person:

Andreas Vollmer ist seit 1992 in verschiedenen Positionen bei der Paul Horn GmbH tätig. Erstes Aufgabengebiet war die Angebotsausarbeitung und -erstellung für Standard- und Sonderwerkzeuge für die Partnerfirmen im Export. Im April 1994 erfolgte die Übernahme der Exportleitung und in der Folge der Ausbau und die Gründung von Niederlassungen in Frankreich, UK, USA, Ungarn und Belgien. Aufnahme in die Geschäftsleitung der Paul Horn GmbH im Jahre 2000. Seit Jänner 2008 verantwortlich für den Gesamtvertrieb weltweit.

Die Produktion ist äquivalent zu Tübingen?

Ja, bis auf die externe Beschichtung ist sie im Grunde genommen ident – aber eine Inhouse-Beschichtung ist bereits in Planung. Hier in Franklin können wir alle Top-Seller fertigen. Das ist aufgrund des starken Wachstums hier in den USA auch nötig. Lediglich die Trägerwerkzeuge kommen aus Deutschland.

Die Kernkompetenzen werden bei Horn nicht vernachlässigt: Neu im Programm ist seit der AMB 2014 die Schneidplatte S224 mit Innenkühlung der Sorte HP65 mit der Geometrie „.3V“ und 3,0 mm Stechbreite.

Die Kernkompetenzen werden bei Horn nicht vernachlässigt: Neu im Programm ist seit der AMB 2014 die Schneidplatte S224 mit Innenkühlung der Sorte HP65 mit der Geometrie „.3V“ und 3,0 mm Stechbreite.

Gibt es da noch Potential nach oben?

Mit Sicherheit. Die USA deckt rund ein Drittel des weltweiten Werkzeugbedarfs ab. Ausgehend von unserem derzeitigen Umsatz gibt es also noch genügend Wachstumschancen. Aufgrund unserer Investitionen erwarten wir deshalb in den nächsten Jahren Umsatzzuwächse von je 15 bis 20 Prozent. Zudem sind wir in den USA speziell bekannt dafür ein Problemlöser zu sein, insbesondere bei anspruchsvollen Innenbearbeitungen. Wir sind aber nicht nur Problemlöser, sondern bieten das umfangreichste Standardprogramm zum Einstechen, Abstechen, Nut- und Zirkularfräsen weltweit an. Das gilt es noch besser zu vermarkten.

Auszug aus dem Tangentialfrässystem 409: Das patentierte Frässystem von Horn überzeugt durch seine Wendeschneidplatten in rhombischer Form. Die positive Span- und Axialwinkel sorgen für einen besonders weichen Schnitt.

Auszug aus dem Tangentialfrässystem 409: Das patentierte Frässystem von Horn überzeugt durch seine Wendeschneidplatten in rhombischer Form. Die positive Span- und Axialwinkel sorgen für einen besonders weichen Schnitt.

Wie schaut es mit der wirtschaftlichen Situation generell aus?

In Zukunft sehe ich das Dreigestirn Europa, USA und China auf Augenhöhe – das bedeutet, dass man auf allen Kontinenten präsent sein soll/muss. Deshalb haben wir mit Horn China seit Jänner 2013 eine weitere Niederlassung. Ausgehend von den Prognosen, dass in China bis zum Jahr 2020 rund 40 Prozent der weltweiten Zerspanung stattfinden soll, eine strategisch wichtige Entscheidung. Trotzdem ist Europa und insbesondere Deutschland für Horn nach wie vor der wichtigste Markt. Wir machen sicher nicht den Fehler, unsere Kernmärkte zu vernachlässigen.

Mit mehr als 800 Mitarbeitern werden in Tübingen und Gomaringen (D) Hartmetall-Werkzeuge entwickelt und gefertigt. Insgesamt ist die Paul Horn GmbH in über 70 Ländern auf allen Kontinenten mit Niederlassungen und Vertretungen präsent.

Mit mehr als 800 Mitarbeitern werden in Tübingen und Gomaringen (D) Hartmetall-Werkzeuge entwickelt und gefertigt. Insgesamt ist die Paul Horn GmbH in über 70 Ländern auf allen Kontinenten mit Niederlassungen und Vertretungen präsent.

Wie beurteilen Sie Österreich in diesem Zusammenhang?

Österreich wird von Vielen unterschätzt und allzu oft zu stiefmütterlich behandelt. Der Markt ist aufgrund der Struktur mit einem sehr breiten Mittelstand und zahlreichen familiengeführten Unternehmen Deutschland sehr ähnlich. Es fehlen zwar die großen Konzerne und Automobilhersteller, trotzdem ist Österreich für uns ein hochinteressanter Markt. Nicht zuletzt aufgrund der technologisch oft sehr gut ausgebildeten Fachkräfte an den Maschinen. Der Markt Österreich wird ja über unsere Exklusiv-Vertretung Wedco betreut, mit der wir im Übrigen sehr zufrieden sind. Trotzdem gibt es auch in Österreich Firmen, die uns noch nicht kennen – daran arbeiten wir gemeinsam mit Wedco. Aufgrund des Top-Vertriebs- und Technikerteams in Österreich erhalten wir immer wieder sehr interessante Anregungen für unsere Entwicklungsabteilung. Das belebt die Zusammenarbeit und bringt die nötige Dynamik.

Themenwechsel. Auf der EMO 2013 hat Horn erstmals ein Tangentialfrässystem vorgestellt. Warum dieses neue Segment?

Horn hat ganz klar seine Kerngebiete wie das Ein- und Abstechen, Innenbearbeiten oder Nutenfräsen, die wir mit hochqualitativen Lösungen abdecken. Es gibt aber in der Zerspanung noch weitere, anspruchsvolle Anwendungen, die für uns sehr interessant sind. Wir wollen auch in diesen Bereichen technologisch neue Entwicklungen vorstellen und nicht bestehende Systeme kopieren. Ein gutes Beispiel ist unser Tangentialfrässystem, das wir in Zukunft noch weiter ausbauen werden. Für die spezielle Form der Wendeschneidplatte haben wir ein Patent erhalten. In Summe wurde das Produktportfolio in den letzten vier Jahren um knapp 50 Prozent ausgebaut. Beispielsweise erweitern nun eben jene Tangentialfräser, Hochvorschubfräser und modulare Stechwerkzeuge das Kernsortiment.

Andreas Vollmer, Vertriebsleiter Paul Horn GmbH und Geschäftsführer Horn USA.

Andreas Vollmer, Vertriebsleiter Paul Horn GmbH und Geschäftsführer Horn USA.

Entwickelt sich Horn also zum Komplettanbieter?

Das wird man sehen. Wichtig ist jedoch, dass wir den eingeschlagenen Weg unserer Kernkompetenz nicht verlassen, sondern diesen Bereich weiter ausbauen und stärken. Darüber hinaus wollen wir zukünftig, wie bereits erwähnt, zusätzlich neue Anwendungen abdecken. Immer unter der Bedingung, bei der Entwicklung neuer Werkzeuglösungen keine Kompromisse einzugehen. Im Gegenteil: Unser Ziel ist es, technologisch auf höchstem Stand oder sogar Vorreiter zu sein.

Wir kommen auch mehr und mehr in die Situation, dass wir von Maschinenherstellern bei Projekten als Komplettanbieter angefragt werden. Daher haben wir im Bereich Erstausrüstung personell weiter investiert. Was viele Kunden vielleicht noch nicht wissen, ist, dass wir auch heute schon Komplettlösungen anbieten können. Gemeinsam mit anderen Werkzeugherstellern, deren Werkzeuglösungen wir bei diesen Projekten einfließen lassen, offerieren wir ein entsprechend breites Produktportfolio. Letztlich braucht der Kunde einen Prozess, der wirtschaftlich ist. Wir bieten dafür das entsprechende Know-how und die Lösung.

Für all diese Vorhaben brauchen Sie aber entsprechende Kapazitäten im Bereich Entwicklung und Produktion.

Richtig. Aus diesem Grund erfolgte im Herbst 2014 der Spatenstich zur Erweiterung unserer Produktionsfläche in Tübingen um 12.000 m². Damit verdoppeln wir unsere bisherigen Kapazitäten. Bis zum Bezug Ende 2016 werden rund EUR 55 Mio. investiert – davon EUR 30 Mio. in das Gebäude und Infrastruktur und EUR 25 Mio. in modernste Produktionstechnologie. Im Neubau werden die Trägerfertigung, die Beschichtungsabteilung und die komplette Logistik untergebracht.

Bei Horn ist also alles auf Wachstum und Weiterentwicklung ausgerichtet?

Wachstum ist immer wichtig, natürlich hängt das oft von der allgemeinen, wirtschaftlichen Situation ab. Trotzdem versuchen wir uns von dieser Abhängigkeit ein Stück weit zu lösen. Das geht jedoch nur mit entsprechend kurzen Reaktionszeiten. Es ist nicht der Große, der den Kleinen frisst, sondern der Schnelle den Langsamen. Alle unsere Investitionen und Maßnahmen sind auch diesem Gedanken untergeordnet. Der Kunde will heute nicht nur ein hervorragendes Werkzeug, er will es vor allem schnell. Wir versuchen eben beide Bedürfnisse bestmöglich abzudecken.

Danke für das Gespräch.

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