Drehmaschine Weiler E 70HD für die Nachbearbeitung von Teilen für Kraftwerksmodelle bei Andritz

Zentral für die Bearbeitung der überwiegend rotationssymmetrischen Teile ist eine zyklengesteuerte Drehmaschine Weiler E 70HD mit 1.000 mm Spitzenweite. (Bilder: x-technik)

Auf dem Weg zur Klimaneutralität spielt der Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energieträger eine entscheidende Rolle. Dabei ist die Gewinnung von elektrischer Energie aus erneuerbaren Energiequellen besonders wichtig. Sie wird zu ca. 53 Prozent in Wasserkraftwerken erzeugt. Aktuell wird etwa ein Drittel der weltweit verfügbaren Wasserkraft genutzt, sodass es weiterhin ein großes Potenzial für den zukünftigen Ausbau gibt. Zusätzlich lassen sich durch Modernisierung, Sanierung und Leistungssteigerung bestehender Wasserkraftwerke noch zusätzliche Steigerungen erzielen.

Im Prüfstand von Andritz Hydro am Standort Linz werden maßstäblich verkleinerte Turbinenmodelle unter realitätsnahen Bedingungen getestet.

Reinhard Schartmüller
Zerspanungstechniker bei Andritz

„Mit der Zyklenprogrammierung kann ich Werkstücke wie auf einer konventionellen Maschine fertigen, aber effizienter und im Falle aufwendiger Werkstücke schneller.“

Nachhaltige Stromerzeugung

Die Andritz Hydro GmbH als Teil der 1852 gegründeten Andritz-Gruppe ist einer der weltweit führenden Anbieter von elektromechanischen Ausrüstungen und Serviceleistungen für Wasserkraftwerke. Basierend auf 180 Jahren Erfahrung und einer weltweit installierten Leistung von 470 Gigawatt bietet das Unternehmen innovative Lösungen für Neubau und Modernisierung von Wasserkraftwerken jeder Größe. Modernste digitale Lösungen, umfassende Dienstleistungen für den Betrieb und die Wartung ganzer Wasserkraftwerke sowie Turbogeneratoren für die thermische Industrie runden das Portfolio ab.

Der Arbeitsraum der Weiler E 70HD ist trotz kompromissloser Sicherheit durch überwachte Schutzhauben sehr gut zugänglich und übersichtlich.

Konrad Graf
Außendienst Metallbearbeitungsmaschinen bei Schachermayer

„Ohne Sprachbarriere leisten unsere Techniker und bei Bedarf auch diejenigen von Weiler schnell und kompetent Hilfe. Unsere Servicetechniker sind mit den Weiler-Drehmaschinen bestens vertraut und bei Bedarf sehr schnell vor Ort.“

Modellbau zur Absicherung

Am Standort Linz betreibt Andritz mehrere Prüfstände für Forschung und Entwicklung. Dort werden auf sechs Teststrecken maßstäblich verkleinerte Modelle von Pump-, Axial- und Radialturbinen sowie Rohrturbinen mit horizontaler Wellenausrichtung unter realitätsnahen Bedingungen in Bezug auf Fallhöhe und Wasserdurchfluss getestet. Diese Turbinenmodelle sind mit Sichtfenstern ausgestattet, sodass sich das Kavitationsverhalten des Wassers auch optisch nachvollziehen lässt.

Die Testergebnisse dienen schließlich dazu, das gesamte Betriebsverhalten der Modelle zu erfassen und darzustellen, um später auf der Großanlage die Turbinen optimal betreiben zu können. „Unsere Konstruktionsabteilungen nutzen 3D-Designsoftware für die frühe Überprüfung ihrer Konstruktionen am Computermodell“, erklärt Christian Füreder, Werkstättenleiter bei Andritz in Linz. „Dennoch ist eine Überprüfung am realen Modell im Prüfstand unverzichtbar, nicht zuletzt für die Kunden.“

Die Weiler-Steuerung one1 mit 22“-Monitor erlaubt das Abrufen vorgefertigter Bearbeitungszyklen und verleiht der Maschine Flexibilität bei geringstem Programmieraufwand.

Infos zum Anwender

Andritz Hydro ist einer der weltweit führenden Anbieter von elektromechanischen Ausrüstungen und Serviceleistungen für Wasserkraftwerke und gehört zum internationalen Technologiekonzern Andritz. Der Konzern liefert ein breites Portfolio an innovativen Anlagen, Ausrüstungen, Systemen, Serviceleistungen und digitalen Lösungen für verschiedenste Industrien und Endmärkte. In allen seinen vier Geschäftsbereichen – Pulp & Paper, Metals, Hydro und Separation – zählt Andritz zu den Weltmarktführern. Der börsennotierte Konzern hat rund 29.100 Beschäftigte und über 280 Standorte in mehr als 40 Ländern. Der Standort Linz mit rund 200 Mitarbeitern ist ein Kompetenzzentrum für Druckrohrleitungen und Stahlwasserbau sowie Axialturbinen.

Mechanische Bearbeitung in eigener Werkstatt

Die Teile für die Modelle bezieht Andritz von verschiedenen Zulieferbetrieben und montiert sie in Linz zusammen. Dabei müssen die angelieferten Komponenten teilweise überarbeitet werden, um Änderungen vorzunehmen oder die erforderliche hohe Passgenauigkeit herzustellen.

Die mechanische Bearbeitung erfolgt in einer unternehmenseigenen Werkstatt. Diese ist mit einer Fräsmaschine, einer Flächenschleifmaschine und einer Ständerbohrmaschine ausgestattet. Zentral für die Bearbeitung der überwiegend rotatorischen oder zumindest rotationssymmetrischen Teile ist jedoch eine Drehmaschine.

Bis vor wenigen Monaten nutzten die Mitarbeiter von Andritz dazu jahrzehntelang eine konventionelle Drehbank. Ob diese bereits 1968 anlässlich der Errichtung des ersten Prüfstandes in einer ehemaligen Reparaturwerkstätte für Lokomotiven angeschafft wurde, ist nicht überliefert. Jedenfalls war sie nicht nur in die Jahre gekommen, es handelte sich auch um ein nicht mehr marktübliches Fabrikat, sodass auf keine Unterstützung durch Hersteller oder Händler mehr zu hoffen war.

Die Weiler E70HD verfügt über alle Bedienelemente einer konventionellen Maschine und lässt sich bei Bedarf auch manuell betreiben.

Zukunftssicherer Ersatz für Bestandsmaschine

Als aufgrund größerer Folgeaufträge ein höheres Arbeitspensum zu erwarten war, nahm Andritz das zum Anlass, die existierende Drehmaschine zu ersetzen. Aufgrund der individuellen Bearbeitung von Einzelstücken war die Anschaffung einer CNC-Drehmaschine keine Option. „Zunächst war die Anschaffung einer Gebrauchtmaschine angedacht“, erinnert sich Konrad Graf, Außendienst Metallbearbeitungsmaschinen bei der Schachermayer GmbH „Wir konnten Andritz dazu auch ein passendes Angebot unterbreiten.“

Werkstättenleiter Christian Füreder ging dieser Schritt allerdings nicht weit genug. Er wollte der Investition mehr Zukunftssicherheit verleihen und setzte sich daher für die Anschaffung einer fabrikneuen Maschine ein. Diese sollte auch groß genug sein, um Teile mit Durchmessern bis rund 750 mm bearbeiten zu können.

Fabrikat und Model waren schnell ausgewählt. Dabei folgte Christian Füreder der Empfehlung eines wichtigen Zulieferers, der Peer & Perr Produktions- und Dienstleistungs GmbH mit Sitz in Pfarrkirchen im Mühlkreis (OÖ). Dessen umfangreicher Maschinenpark enthält neben einigen CNC-Fräszentren und einer CNC-Drehmaschine eine zyklengesteuerte Drehmaschine E110 x 3000 D3 des deutschen Drehmaschinenherstellers Weiler Werkzeugmaschinen GmbH mit 3.000 mm Spitzenweite und 1.100 mm Umlaufdurchmesser über Bett.

„Weiler-Drehmaschinen haben wie der Linzer Standort von Andritz ihre Wurzeln in der voestalpine und gelten als die Klassenbesten bei Präzision, Robustheit und Zuverlässigkeit“, weiß der Werkstättenleiter. „Als uns Schachermayer ein Angebot stellte, das nur um den Preis einer Handvoll Werkzeuge höher ausfiel als für die Gebrauchtmaschine, war alles klar.“

Gemeinsam freuen sich Reinhard Schartmüller, Zerspanungstechniker bei Andritz Hydro Linz, und Schachermayer-Vertriebsmitarbeiter Konrad Graf (rechts) über die erhöhte Zukunftssicherheit der Zerspanung bei Andritz durch die Weiler E 70 HD.

Zyklengesteuerte Drehbearbeitung

Bei der neuen Maschine handelt es sich um eine Weiler E70 HD x 1000 mit 720 mm Umlaufdurchmesser über Bett und 1.000 mm Spitzenweite. Die schwere, leistungsstarke und energieeffiziente Drehmaschine ist wie alle Maschinen der E-Serie von Weiler mit der Steuerung Weiler one1 ausgestattet. Aufbauend auf der Sinumerik 840 HD sl von Siemens, ermöglicht diese Anwendern mit hohem Bedienkomfort das Programmieren von Bearbeitungszyklen auf einem Bedienteil mit 22“-Touchscreen.

Die Zyklensteuerung wurde Ende der 1980er-Jahre von Weiler erfunden und wird laufend weiterentwickelt. Ihre Anwender können in der Steuerung abgelegte Bearbeitungszyklen abrufen und zu komplexen Bearbeitungsfolgen zusammenstellen. Die Programmbibliothek enthält zahlreiche Zyklen nicht nur für das Drehen, sondern auch für das Bohren und Gewindeschneiden. Das ermöglicht eine automatisierte Bearbeitung auch komplexerer Teile mit einem Programmieraufwand, der deutlich unter jenem einer CNC-Maschine liegt.

„Mit der Software und der Zyklenprogrammierung findet sich jeder gelernte Dreher auch ohne Programmierkenntnisse mühelos zurecht“, ist Reinhard Schartmüller, Zerspanungstechniker bei Andritz, überzeugt. Er muss es wissen, denn er hat über 40 Jahre ausschließlich konventionell gearbeitet und die Zyklenprogrammierung in einem kurzen Kurs am WIFI dazugelernt. „Mit der Zyklenautomatik kann ich Werkstücke wie auf einer konventionellen Maschine fertigen, aber effizienter und im Fall aufwendiger Werkstücke schneller“, freut sich der Zerspanungstechniker. „Zusätzlich hat die E 70 HD alle Bedienelemente einer konventionellen Maschine, sodass ich sie bei Bedarf auch manuell fahren kann.“

Mit Schachermayer verbindet Andritz Hydro eine langjährige Zusammenarbeit. Bei dem traditionsreichen Großhandelsunternehmen wurde z. B. auch die Ständerbohrmaschine Alzstar 40/SV von Alzmetall bezogen.

Optimale Zugänglichkeit

Neben der einfachen Programmierung schätzt Reinhard Schartmüller an der E70HD (für Heavy Duty) vor allem die hervorragende Zugänglichkeit ihres beinahe vollständig zu öffnenden Arbeitsraums ohne Kompromisse bei der Personensicherheit. „Gerade bei der Nachbearbeitung großer Teile ist das ein entscheidender Beitrag zur Bedienerfreundlichkeit“, erklärt er.

Wie alle zyklengesteuerten Drehmaschinen von Weiler ist auch die E 70HD mit modernster Antriebstechnik ausgestattet. Das Energiesparsystem e-TIM minimiert den Stromverbrauch, indem es überschüssige Bremsenergie ins Netz zurückspeist und aktuell nicht benötigte Nebenaggregate abschaltet.

Betreuung ohne Umwege

Die E 70HD ist für den Betrieb der Prüfstände von Andritz von zentraler Wichtigkeit. Da es sich um die einzige Drehmaschine am Standort handelt, ist Reinhard Schartmüller ein verlässlicher Partner für die weitere Betreuung der Drehmaschinen ebenso wichtig wie die Zuverlässigkeit der Maschine. „Ohne Sprachbarriere leisten unsere Techniker und bei Bedarf auch diejenigen von Weiler schnell und kompetent Hilfe, wenn Not am Mann ist“, versichert Konrad Graf. „Unsere erfahrenen Servicetechniker sind gut geschult, mit den Weiler-Drehmaschinen bestens vertraut und bei Bedarf sehr schnell vor Ort.“