Boehlerit SawTec: Boehlerit mit Investitionen in die Produktion, den Vertrieb und das Produktprogramm
Die Zerspanungstechnik befindet sich kontinuierlich in Weiterentwicklung: Immer speziellere Materialien stellen höchste Anforderungen an die Produktionsmittel, die Ansprüche an Genauigkeit, Qualität und vor allem Produktivität steigen weiter und das Thema Digitalisierung hat die Branche, nicht zuletzt aufgrund der Corona-Krise, voll erfasst. Die steirischen Hartmetall- und Schneidstoffexperten von Boehlerit wollen auch in Zukunft an der Technologiespitze mitspielen und haben sich deshalb einem Wachstumskurs verschrieben – mit Investitionen in den Vertrieb und die Produktion sowie der Weiterentwicklung der Produktpalette. Von Ing. Robert Fraunberger, x-technik
Im Produktionsbereich der Sinterei hat Boehlerit in vier High-End Anlagen (drei Drucksinteranlagen und eine Vakuumsinteranlage) investiert, welche nicht nur einer einheitlichen Wartung unterliegen, sondern auch durch entsprechende digitale Schnittstellen flexibel überwacht werden können.
Gerhard Melcher
Leitung Vertrieb Zerspanung und Marketing bei Boehlerit.
„Die aktuelle Krise ist sicherlich sehr einschneidend. Trotzdem sehen wir auch eine Chance, durch Innovation im Produktsortiment, die weitere Automatisierung und Digitalisierung im Unternehmen sowie den Ausbau des Vertriebs- und Servicenetzes unsere Marktposition in vielen Bereichen zu festigen und sogar weiter auszubauen.“
„Die Zerspanungsbranche im Allgemeinen und auch Boehlerit konnte 2018 ein Rekordjahr verbuchen, im Jahr darauf begann allerdings eine Beruhigung“, erklärt Gerhard Melcher, Leitung Vertrieb Zerspanung und Marketing bei Boehlerit. Die aktuell sehr schwere wirtschaftliche Situation, ausgelöst aufgrund der bereits schwächelnden Ökonomie sowie der weltweiten Gesundheitskrise durch das Coronavirus, ist laut Melcher eine echt harte Situation für die Branche: „Nach wie vor besteht viel Unsicherheit, obwohl seit Juli eine leichte Entspannung zu spüren ist.“
Gleichzeitig betont Melcher, dass Boehlerit mit der aktuellen Situation gut umgehen kann und diese durchaus auch als Chance sieht: „Der Grund dafür liegt zum einen an unserem enorm gewachsenen, breiten und hervorragenden Produktportfolio, zum anderen an unserem Vertrieb, der mitgewachsen und international bestens aufgestellt ist.“ Zudem haben die Kapfenberger aus der letzten Krise (2009) inklusive Trennung der LMT-Gruppe sehr viel gelernt und die Produktion stetig optimiert.
Ziele werden beibehalten
Die Strategie für die kommenden Jahre wird trotz der Krise beibehalten, lediglich die Zeitachse entsprechend angepasst. „2018 wurde das Ziel definiert, binnen fünf Jahren um 50 Prozent weltweit zu wachsen. Klarerweise werden wir das abhängig von der weiteren Entwicklung der Corona-Krise entsprechend anpassen“, so Melcher weiter. „Deshalb werden wir weiterhin in die Optimierung unseres Produktportfolios, die Modernisierung unserer Produktions- und Fertigungsanlagen sowie den Ausbau des weltweiten Vertriebsnetzes und die Ausbildung unserer Mitarbeiter investieren.“
Eine der Kernkompetenzen von Boehlerit ist die Beschichtungstechnologie: Zusätzlich zur neuesten PVD-Technologie (HiPIMS, im Bild) erweitert man den CVD-Anlagenpark um eine neue, mit eigens entwickelten Innovationen erweiterte Beschichtungsanlage.
Investitionen in die Produktion
Boehlerit legt seinen Fokus auf eine noch tiefergehende Automatisierung der eigenen Produktion. Speziell ins Auge fassen die Kapfenberger dabei drei Bereiche: die Prüftechnik, das Produktionshandling sowie die Automatisierung wertschöpfender Tätigkeiten. Im Rahmen der Automatisierungsoffensive hat Boehlerit 2018 auch ein umfassendes Investitionspaket beschlossen, welches ganz konkret die drei entscheidenden Faktoren seiner Produkte – Substrat, Schneidkantenzurichtung und Beschichtung – betrifft. Das Gesamtvolumen im zweistelligen Millionenbereich teilt sich auf alle drei Unternehmensstandorte (Österreich, Deutschland, Türkei) auf; der Löwenanteil entfällt auf den Hauptsitz Kapfenberg. Beschafft wurden unter anderem vier moderne Sinteröfen, die einige ältere Öfen unterschiedlicher Hersteller ersetzen. Weiters sorgen sechs neue Schleifmaschinen für Wendeplatten für eine langfristige Sicherstellung des hohen Qualitätsniveaus.
Boehlerit stellt pro Jahr rund 150 bis 200 aus gesinterten Hartmetallen bestehende Presswerkzeuge für Kunden, aber auch für den Eigenbedarf, her. Dafür beschaffte man eine neue 5-Achs-Hartfräsmaschine, die das Fräsen, Schleifen und Prüfen nun in einer Aufspannung erledigt und die bisher dafür verwendete Technologie des Erodierens in diesem Bereich teilweise ersetzt.
Zwar ein Nischenprodukt, aber definitiv eine Innovation: Mit dem neuen Werkzeugsystem SawTec 2.0 erzielt Boehlerit auf Anhieb ausgezeichnete Erfolge.
Innovative Beschichtungstechnologie
Insbesondere in die Beschichtungstechnologie – eine der Kernkompetenzen des Unternehmens – wird naturgemäß laufend investiert. Zusätzlich zur neuesten PVD-Technologie (HiPIMS) erweitert Boehlerit den CVD-Anlagenpark um eine neue, mit eigens entwickelten Innovationen erweiterte Beschichtungsanlage. Boehlerit nutzt hier seine Kompetenz in Sachen Beschichtungstechnologie und hat so den gesamten Prozess selbst in der Hand. Dies begründet unter anderem den Technologievorsprung des Unternehmens und bietet neue Möglichkeiten im Hinblick auf die Abscheidung innovativer Hartstoffschichten.
Reinigungs- und Waschanlagen, Strahlanlagen sowie eine Simulationssoftware, die beispielsweise die Spanentstehung und den Spanfluss noch vor dem Schritt ins Zerspanungslabor untersucht, runden das Investitionsprogramm ab, welches binnen Jahresfrist abgeschlossen wird. Sämtliche neue Anlagen sind miteinander vernetzt.
Produktsortiment wächst weiter
Besonderes Augenmerk hat Boehlerit in den letzten Jahren auf die Optimierung und Weiterentwicklung des Produktsortiments gelegt. „Herauszuheben ist sicherlich die Entwicklung eines komplett neuen Standard-Fräsprogramms im Jahr 2016, das auf Anhieb vom Markt angenommen wurde. Das hilft uns jetzt auch in der Krise“, verdeutlicht Melcher. „Denn nach nur vier Jahren erzielen wir damit bereits rund 12 Prozent unseres Umsatzes. Das ist in einem Verdrängungsmarkt, noch dazu mit einem komplett neuen Programm, sehr beachtlich. Dieser Erfolg bestätigt unseren Weg zum Komplettanbieter“, freut sich Melcher.
Aktuell erzielt man mit dem neuen Werkzeugsystem SawTec 2.0 – einer Lösung für große Sägeblätter mit geschraubten, wechselbaren Sägezähnen aus Hartmetall – ausgezeichnete Erfolge (Anm.: siehe auch Bericht auf Seite XX). „SawTec 2.0 haben wir erst vor rund zwei Monaten ausgewählten Kunden vorgestellt und sind damit auf offene Ohren gestoßen. Bei einem österreichischen Hersteller im Bereich der Energietechnik läuft das neue Sägewerkzeug bereits sehr erfolgreich in der Serie!“
Neu vorgestellt wird im Herbst dieses Jahres zudem ein neues Stechsystem für die Schwerzerspanung. Das Werkzeugsortiment ist modular aufgebaut, weshalb der Schneidenträger einfach gewechselt werden kann. Durch spezielle Passungsstifte entspricht die Stabilität des Systems jener eines Monowerkzeugs, wodurch die benötigte Flexibilität im Einsatz geboten wird. Je nach Ausführung sind damit radiale Stechtiefen bis 500 mm und axiale Stechtiefen bis 100 mm bei Stechbreiten von 8,0 bis 12 mm realisierbar.
Sein komplett neues Portfolio zum Vollhartmetallfräsen bringt Boehlerit ebenfalls im Herbst auf den Markt. „Damit decken wir Anwendungen im allgemeinen Maschinenbau sowie dem Formenbau in voller Breite ab“, so Melcher. Rund 700 unterschiedliche Produktvarianten stehen zur Verfügung, die sämtliche Anforderungen in Durchmesserbereichen, die nicht mit Wendeplatten abgedeckt werden, erfüllen.
Durch eine automatisierte Produktion wird am Standort Kapfenberg die Produktivität weiter gesteigert.
Produktive Drehbearbeitung
Ein wichtiges Thema bei Boehlerit ist nach wie vor das Drehen von rostfreien Stählen. Hierfür wurden in den letzten Jahren zahlreiche neue Geometrien und Sorten auf den Markt gebracht. Komplettiert wird das Angebot nun durch eine mittlere Schruppgeometrie.
Sein universelles Dreh-/Bohrwerkzeug Quattrotec präsentiert Boehlerit in einer weiteren Ausbaustufe. Mit dem Quattrotec können Anwender vier Bearbeitungsschritte durchführen: Bohren, Innenausdrehen, Plandrehen und Längsdrehen. „Damit ersetzt es vier Werkzeuge. Sämtliche Werkzeugwechsel entfallen und der Anwender kann die Bearbeitungszeit in jedem Fall um 25 bis 30 Prozent reduzieren“, verdeutlicht Melcher die Vorteile der innovativen Neuentwicklung.
Modernste Schleifmaschinen und 5-Achs-Bearbeitungszentren sorgen in Kapfenberg für eine langfristige Sicherstellung des hohen Qualitätsniveaus.
Auf der Suche nach neuen Nischen
Zum Unternehmenserfolg beitragen wird weiterhin, dass sich Boehlerit mit voller Energie Nischensegmenten widmet – nicht umsonst ist das Unternehmen weltweit führend in etlichen Bereichen der Schwerzerspanung, beispielsweise der Großkurbelwellenbearbeitung (z. B. für Schiffe, Lokomotiven) oder der Bearbeitung von Pipeline-Rohren. „Die Automobilindustrie wird die Branche nachhaltig verändern“, ist sich Melcher zudem sicher. Derzeit gebe es viel Unsicherheit, da man nicht abschätzen könne, ob sich der reine Elektroantrieb, Hybridautos oder überhaupt eine andere Lösung (z. B. die Brennstoffzelle) durchsetzen werden. Daher kann der Bedarf an Zerspanungswerkzeugen im Automotorbereich künftig bei 20 oder 120 Prozent des derzeitigen Niveaus liegen. In anderen Segmenten stellen spezialisiertere und schwerer zerspanbare Werkstoffe immer höhere Anforderungen an die Werkzeuge. Hier sieht Boehlerit mit seiner umfassenden Kompetenz in der Schwerzerspanung große Chancen für zukünftiges, weiteres Wachstum.
Schnelle Entscheidungen des privat geführten Familienunternehmens ermöglichen auch den raschen Einstieg in neue Märkte, z. B. bei den Aktivitäten im Bereich der Agrartechnik. Diesem Markt bietet Boehlerit seit Kurzem ein qualitativ hochwertiges Hartmetall-Verschleißteileprogramm für die mechanische Bodenbearbeitung an.
Vertrieb als wichtiger Baustein
Boehlerit gehört zur Unternehmensgruppe der Familie Brucklacher (Bilz, Boehlerit und Leitz). 800 erfahrene Mitarbeiter, davon 500 am Standort Kapfenberg, erwirtschafteten im Jahr 2019 einen Umsatz von rund 110 Mio. Euro. „Für das aktuelle Geschäftsjahr erwarten wir ein Minus von ca. 20 Prozent. Ich denke, hier werden wir besser performen als die Branche“, so Melcher. Großes Ziel ist es daher auch, alle Mitarbeiter zu halten.
Boehlerit hat Produktions- und Vertriebsstandorte in Deutschland, Spanien, Türkei, Ungarn, Tschechien, Slowakei, China, USA, Polen, Brasilien und Mexiko. Mit weiteren exklusiven Vertriebspartnern und gemeinsam mit der Bilz-Gruppe ist man auf fast allen Kontinenten, in über 25 Industrieländern, aktiv. Und dieses Vertriebsnetz wird auch kontinuierlich erweitert: „Seit 2019 haben wir rund 20 zusätzliche Außendienstmitarbeiter aufgenommen, davon drei erst kürzlich in Österreich, denn wir sehen uns als steirischer Hersteller dem österreichischen Markt verpflichtet“, betont Gerhard Melcher abschließend.
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