Diamant hält Fasern stand
Walter setzt bei Composite-Materialien auf PKD und Diamantbeschichtungen: Für die wirtschaftliche Bearbeitung von Faserverbundwerkstoffen kommt nur Diamant als Schneidstoff in Frage – die Glas- und Kohlefasern in den Harzlaminaten haben es nämlich in sich. Bei Walter fährt die Werkzeugentwicklung demnach zweigleisig: Im Angebot sind sowohl Werkzeuge mit PKD-Schneiden wie auch mit Diamantbeschichtungen.
PKD-Bohrer für Composite-Materialien von Walter: Die PKD-Schneide wird nicht gelötet, sondern nach der Vein-Technologie in den Hartmetallkörper eingesintert.
Michael Fink
Leiter Globales Produktmanagement bei der Walter AG.
„Wir produzieren unsere Werkzeuge für Faserverbundwerkstoffe entweder mit PKD-Schneiden oder mit Diamantbeschichtungen – das gilt für Bohr- wie auch für Fräswerkzeuge. Unsere Entwickler sind permanent am Optimieren, insbesondere geht es darum, durch optimale Geometrien die Standzeiten zu maximieren.“
Sehr leicht und hochfest – diese Eigenschaftenkombination machen moderne Verbundwerkstoffe (Composites) in der Industrie so begehrt. Dank Glas- oder Kohlefaserverstärkung (GFK, CFK) ersetzen diese Hightech-Materialien immer mehr Metalle wie etwa Aluminiumlegierungen – so bei modernen Flugzeugen, deren Röhren bereits zur Hälfte aus Composites bestehen. Damit ist die wichtigste Branche auch schon benannt: die Luft- und Raumfahrtindustrie. Doch auch in der Energietechnik, insbesondere in der Windenergie, im Fahrzeugbau sowie in der Freizeit- und Sportartikelindustrie, kommen Verbundwerkstoffe immer mehr zum Einsatz.
Dass sich die zunehmende Verbreitung von Faserverbundwerkstoffen auch auf die Werkzeughersteller auswirkt, liegt auf der Hand – Beispiel Walter. „Da wir seit Jahren eine Strategie der Branchenfokussierung verfolgen, bemerken wir neue Trends sehr schnell“, erklärt Michael Fink, Leiter Globales Produktmanagement bei der Walter AG. „So war das auch beim Aufkommen der Composite-Materialien. Die typischen Industrien, die diese Werkstoffe verstärkt nachfragen, gehören zu unseren Fokusbranchen. Als Komplettanbieter für diese Branchen bieten wir selbstverständlich Werkzeuge für jeden Werkstoff an.“
Das Standardprogramm von Walter für CFK-/GFK-Werkstoffe umfasst derzeit PKD-Bohrer und PKD-Nietsenker – das sind Kombiwerkzeuge zum Bohren und Senken.
Bohren von dünnwandigen Bauteilen
Bei der Mehrzahl der zu bearbeitenden Werkstücke aus Composites handelt es sich um dünnwandige Near-net-shape-Bauteile. Eine wichtige, wenn nicht die wichtigste Bearbeitungstechnologie ist demzufolge das Bohren, um die Teile montieren zu können. Kabinenteile für Flugzeuge werden beispielsweise durch Nieten montiert und benötigen daher zahlreiche Nietbohrungen. Die Anforderungen an die Bohrwerkzeuge sind verhältnismäßig hoch, denn das Durchtrennen der widerspenstigen Fasern ist keine Kleinigkeit. Bei herkömmlichen Hartmetallwerkzeugen – beschichtet oder unbeschichtet – würden die Schneidkanten aufgrund der stark abrasiven Wirkung der Fasern sehr schnell verrunden.
Für größere Serien kommt daher nur ein noch härterer Schneidstoff in Frage: Diamant. Es gibt zwei Möglichkeiten, diesen einzusetzen. Michael Fink erklärt weiter: „Wir produzieren unsere Werkzeuge für Faserverbundwerkstoffe entweder mit PKD-Schneiden oder mit Diamantbeschichtungen – das gilt für Bohr- wie auch für Fräswerkzeuge.“
Bei der Beurteilung der Bearbeitungsqualität von Werkstücken aus Composites rücken ganz andere Aspekte in den Blick als bei Metallen. Durchtrennt das Werkzeug die Fasern nicht optimal, kommt es zu unerwünschten Faserüberständen und Delaminationen, besonders am Bohrungsaustritt. Außerdem liegen die Bohrungstoleranzen im Bereich IT8 und als Oberflächengüte sind Ra-Werte <3,2 µm gängig.
In Anbetracht des Werkstoffverhaltens sind dies keineswegs einfach einzuhaltende Werte. „Die Qualitätsanforderungen der Anwender steigen zudem ständig“, fährt Michael Fink fort, „unsere Entwickler sind daher permanent am Optimieren. Insbesondere geht es darum, durch optimale Geometrien die Standzeiten zu maximieren, denn Faserüberstände und Delaminationen nehmen mit dem Werkzeugverschleiß immer mehr zu.“
Maßgeschneiderte Werkzeuge dank Vein-Technologie
Für die Herstellung von Werkzeugen mit PKD-Schneiden kommt eine komplexe, erst seit den 1980er Jahren bekannte Technologie zum Einsatz: die so genannte Vein-Technologie. Die PKD-Schneiden selbst werden nicht gelötet, sondern in vorgefertigte Hartmetall-Körper mit speziell ausgelegten Schlitzen (davon abgeleitet engl. vein = Vene) eingesintert.
Das Verfahren hat mehrere Vorteile: Erscheinungen wie Lotversagen, das bei direkt gelöteten PKD-Schneiden mitunter auftreten kann, gibt es nicht. Bezüglich der Schneidengeometrie oder des Drallwinkels sind die Werkzeughersteller flexibler als bei herkömmlichen PKD-Werkzeugen. Außerdem wichtig für den Anwender: die Werkzeuge lassen sich mehrmals nachschleifen, wodurch sich die Wirtschaftlichkeit erhöht.
Um die Delaminationsneigung möglichst gering zu halten, sind niedrige Schnittkräfte notwendig. Daher erhalten die Werkzeuge große Spanwinkel bzw. kleine Schnittwinkel. Schutzfasen an den Schneiden sorgen dafür, dass die Stabilität der Schneiden nicht leidet. „Die Auslegung der Geometrie ist in hohem Maße von der Anwendung abhängig“, erklärt Michael Fink, „daher haben wir es mit vielen Sonderwerkzeugen zu tun, wie sie typischerweise in Hightech-Branchen wie der Luft- und Raumfahrttechnik zum Einsatz kommen. Eine große Herausforderung, speziell in dieser Branche, sind Sandwich-Bauteile, wobei Schichten aus Faserverbundwerkstoffen und schwer zerspanbaren Metallen wie Titanlegierungen in einem Arbeitsgang zu durchbohren sind.“
Parallel zum Bereich der Sonderwerkzeuge hat Walter vor wenigen Jahren mit dem Aufbau eines Standardsortiments für häufig vorkommende Bohraufgaben begonnen. Dieses umfasst derzeit PKD-Bohrer und PKD-Nietsenker. Die Nietsenker sind Kombiwerkzeuge, bestehend aus Bohr- und Senkschneiden. Sie erzeugen in einem Arbeitsschritt eine Bohrung und eine Kegelsenkung für den Nietkopf.
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